Mit einem Freund zusammen habe ich über anderthalb Jahrzehnte unseren Pfarrbrief verantwortet: geschrieben, Artikel(chen) besorgt, layoutet. Es waren zwar immer nur vier DIN A5-Seiten bei jeder der 5 durchschnittlichen Ausgaben im Jahr, aber trotzdem kam mit der Zeit ein kleines Paketchen zusammen. Ich hatte immer den Verdacht, daß unser früherer Pfarrer den Pfarrbrief nie las - wenigstens hat er mir gegenüber nie eine Bemerkung gemacht. (Allerdings gab ich ihm auch keinen Anlaß: Ich habe ganz unbloggermäßig und mit viel stumpferer Feder geschrieben als hier z.B.) Nun, damit konnte ich leben.
Jetzt ist ein neuer Pfarrer für uns zuständig, und, wie ich höre, war ihm ein für drei Seiten festgesetzter und von mir auf drei Seiten pünktlich abgelieferter Bericht "zu lang". Man könne ihn ja kürzen.
So hat mir der Gute GOtt gleich zum Adventsbeginn etwas zu kauen gegeben. Gelesen, endlich von meinem Pfarrer gelesen - und für zu lang befunden. Wow.
Ich kann aber schon wieder schmunzeln, mein Ärger verdaut gerade und gegen ein überhebliches "Ich bin aber viel demütiger als Sie, Herr Pfarrer, und es macht mir auch gar nichts aus" kämpfe ich einigermaßen erfolgreich an.
30. November 2009
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29. November 2009
Abendlektüre
"Die Welt" über den "Arbeitskreis engagierter Katholiken":
CDU-Katholiken organisieren sich gegen Merkel
Katholische Schriftsteller, nicht bei der Arbeit - Folge 4
Das Bild zeigt den großen Gilbert Keith Chesterton, wie er gerade einmal nicht als verspielter Geisteslöwe seinen Esprit funkeln lässt, um triviale und stumpfsinnige Ideologien in Grund und Boden zu lachen. Stattdessen sehen wir ihn bei einem Tun, das er schon als 27jähriger in "The Defendant" verteidigte: der Kinderverehrung.
"But the humorous look of children is perhaps the most endearing of all the bonds that hold the Cosmos together. Their top-heavy dignity is more touching than any humility; their solemnity gives us more hope for all things than a thousand carnivals of optimism; their large and lustrous eyes seem to hold all the stars in their astonishment; their fascinating absence of nose seems to give to us the most perfect hint of the humour that awaits us in the kingdom of heaven."
["Aber der komische Anblick der Kinder ist vielleicht das teuerste aller Bande, die den Kosmos zusammenhalten. Ihre schwerköpfige Würde ist rührender als ihre Demut; ihre Tiefe gibt uns mehr Hoffnungen zu allem als tausend Karnivale des Optimismus; ihre großen und glänzenden Augen scheinen in ihrem Staunen alle Sterne zu halten; die bezaubernde Abwesenheit ihrer Nase scheint uns der deutliche Hinweis auf die Freude, die unser im Himmelreich harrt." (Übersetzung aus: Verteidigung des Unsinns...- Frankfurt: Fischer, 1986, S. 137)]
Komm!
Good night, the LORD is coming (hier a cappella mit der Nashville Bluegrass Band) - eigentlich ein österliches Lied, aber nehmen wir es diesmal zur Eröffnung des Advent, und singen es in freudiger Erwartung des Einen:
Glauben und Sehen
Und noch einmal C. S. Lewis:
"I believe in Christianity as I believe that the sun has risen. Not only because I see it, but because by it I see everything else."
["Ich glaube an das Christentum, ebenso wie ich glaube, daß die Sonne aufgegangen ist. Nicht nur weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehe."]
"Das Schwert soll entscheiden!"
C. S. Lewis hat heute Geburtstag, den einhundertelften.
Garrison Keillor berichtet in seinem Writer's Almanac von heute zwei Anekdoten, die ich jedenfalls noch nicht kannte:
"While friendly with his professorial peers, Lewis worked to ensure that he was an imposing, unapproachable figure to his students at Oxford. Once, a student had come to office hours to discuss the poet John Keats, and was later witnessed running down the stairs as Professor C.S. Lewis yelled after him: "If you think that way about Keats, you needn't come here again!" Another time, he recited one hundred lines of a narrative poem by Matthew Arnold to a student who was not convinced of the poem's merit. When the student still refused to acknowledge that the poem was any good, Professor Lewis proclaimed, "The sword must settle it!" Lewis handed him a rapier and drew the stunned student into a fencing match. The pupil was nicked by his professor's sword and bled a few drops."
Advent in der Heimatkirche
Ein paar Sätze habe ich in den letzten Tagen gehört bzw. gelesen, die mich seither nicht mehr loslassen:
"Das werde ich ihm nie verzeihen!", sagte jemand angesichts eines (imho wirklich groben) Fehlverhaltens eines Priesters in Gemeindedingen.
"Er hat uns immer alles machen lassen", meinte jemand anderer zu den liturgischen Freiheiten, die ein anderer Priester gottesdienst(mit)gestaltenden Laien in der Vergangenheit gab.
Dazu kam dann noch die Erwähnung der Möglichkeit von Kirchenaustritten - ebenfalls wieder durch engagierte und wohl auch gläubige Laien-, weil ein kirchliches Bildungshaus den Aufbau eines Weihnachtsmarktes mit Berufung auf eine bestehende Vereinbarung zu ungewohnten Zeiten verlangt.
So werde und will ich den Advent wohl damit verbringen, für unsere real existierende deutsche Kirche zu beten, zuerst einmal im Kleinen, im direkten Umkreis, und dann natürlich auch im Großen. Auf daß Weihnachten 2010 uns aus unseren menschlich-allzu-menschlichen Kleinlichkeiten und Nebensächlichkeiten heraushole und uns dem Geheimnis der überströmenden, demütigen, gehorsamen Liebe des Drei-Einen begegnen lasse. Auf daß sich etwas ändere. Zum Guten hin.
27. November 2009
"In den Schutzräumen der eigenen Gesinnungsgemeinschaft"
Sehr treffend kommentiert Alexander Kissler in "The European" die neue Zentralkomiteepräsidentschaft.
Wer dann noch Lust auf die Innensicht hat, kann sich den Imagefilm über das ZdK antun - und ihn mit der wahrgenommenen Realität des "durchhierarchisierten Teilmengenchristentums" (A. Kissler) abgleichen.
Noch ein kleines empirisches Faktum am Rande:
Hans Maier war 45 Jahre alt, als er ZdK-Präsident wurde, Rita Waschbüsch 48 Jahre, Hans-Joachim Meyer 61 Jahre und Alois Glück ist nun 69 Jahre alt. (Der gescheiterte Heinz-Wilhelm Brockmann hätte ein Antrittsalter von 62 Jahren gehabt...) Wetten, daß daran auch irgendwie Rom schuld ist? Muß ja. Wer denn sonst?
26. November 2009
Mit Barack können wie Harry
Gut, daß ich heute morgen bei Robert Redeker den Ausdruck von der "harry-pottérisation de la politique" gelesen habe - so hatte ich gleich den richtigen Begriff für "Hope - Das Interaktiv-Musical einer neuen Generation".
Da dürfen die vielen tausend Zuschauer nicht nur die Zauberworte, das Baracksche Abrakadabra des "Ja, wir können" skandieren, sondern mittels "baff Musikmöbel" auch die temporäre Verzauberung in den erweiterten Obama-Leib erleben.
(Vgl. auch http://robertredeker.fr/mcobamapotter.html)
23. November 2009
Antifränkische Randbemerkung eines Randbayern
Aus einem Hamburger Blatt erfahre ich erst heute, was die Welt-Leser schon am katholischen Feiertag Allerheiligen lesen konnten: Es gibt eine neue Partei für Franken, die "Die Franken" heißt.
Meine Prophezeiung für den Teil Frankens, aus dem ich komme und wo ich wohne: Vergesst es. Mag ja sein, daß die Oberbayern nicht nur die CSU, sondern auch alles andere in Bayern dominieren. Aber die wohnen wenigstens ganz weit weg im Süden. Ihre Sprache erinnert an Urlaub, an Gemütlichkeit, an nicht ganz ernst gemeintes Granteln. Und sie sind katholisch, die meisten jedenfalls. Es gibt da Berge, Marterln, Bischöfe, Barock etc.
Die Franken dagegen, die von jenseits der Appel-/Apfel-Linie (von mir aus gesehen): Da hören wir doch am liebsten weg. Oder freuen uns, daß wir Untermainer aus einer anderen Dialektfamilie kommen. Statt der Münchener jetzt die Nerrnbercher, die Würzburger, Schweinfurter, Fürther, Rother, Bamberger an die Macht? Statt der Herrschaft gemütlicher Biergartenhocker die Tyrannei der übereifrigen Machtnachholer, die auch noch um die Ecke wohnen? Waren es nicht die Franken, die damals dem Herrn Grafen von Montgelas halfen, die berühmte Bayerische Bürokratie aufzubauen (wenn ich meinen Carl Amery recht erinnere...)? - Kommt, das meint ihr doch nicht ernst!
Von Lothar Matthäus haben wir dann - im Gegensatz zur Zeit - überhaupt noch nicht geredet.
22. November 2009
Ein Konzilskind und sein Traum
Elsa weist in ihrem Kommentar auf einen NZZ-Artikel über den "kantig(en) und katholisch(en)" Alois Glück hin, der seit neuestem über das ZDK präsidiert.
Als ich den Satz las:
"Alois Glück ist ein Kind des Zweiten Vatikanums"
musste ich spontan an den hl. Paulus denken. Meine Vat-II-Variante einer Passage (3, 4-5) aus dem Philipperbrief würde lauten:
"Wenn andere meinen, Alois Glück sei ein Kind des Zweiten Vatikanums: ich noch viel mehr, der ich am Vorabend des Konzils geboren wurde, mit fünf Jahren Zuschauer des Konzilsschlusses, beständiger Mitfeierer und aktiver Mitgestalter nachkonziliarer Messen in verschiedenen Formen, Fürbittensprecher und Credo-Umformulierer, Gitarrist bei Familiengottesdiensten, regelmäßiger Kommunionhelfer und von Berufung Laie aus vollem Blut, keiner klerikaler Umtriebe verdächtig, im Gegenteil ohne Sprachhemmung, wenn es die laikale Sache zu verfechten gilt, in PGR und Pfarrbrief."
Nicht ums Konzil geht es, liebe NZZ und überhaupt: liebe Journalisten, sondern um eine ganz bestimmte Interpretation. Und darum ob in der Glaubenskrise der deutschen und westlichen Kirche eine noch höhere Dosis des Mittels angebracht ist, das diese Krise wenn nicht verursacht, so mindestens nicht eingedämmt hat. Kirche, die sich zur Welt hin öffnet - das höre und erlebe ich, seit ich denken kann. Noch ununterscheidbarer werden? Noch mehr Laien, die handeln, ohne zu merken, was sie da eigentlich tun - Hauptsache, sie handeln? Noch mehr Beschlagnahmung des Heiligen Geistes für das eigene Tun statt demütige Einsicht, daß wir IHm ach! so selten gerecht werden, die rechte Antwort geben?
Manchmal träume ich davon, daß sich ein Jahr, zweiundfünfzig Wochen lang, alle katholischen Laien Deutschlands - oder wenigstens alle, die sich für "aktive Laien" halten - einmal pro Woche jeweils eine Stunde vor den Allerheiligsten HErrn sitzen, stehen, knieen. Ohne eine Wort. Gemeinsam oder allein. Egal.
Ein Traum halt.
Das Säkulare neu denken mit Habermas, Taylor & Cie.
Ein Hinweis an die Interessierten:
Am 22. Oktober diskutierten Jürgen Habermas, Charles Taylor, Judith Butler und Cornel West in einem Symposium in New York zum Thema "Rethinking Secularism - The Power of Religion in the Public Sphere".
Auf dem Immanent Frame-Blog kann man sich nun die vier Vorträge und eine Diskussion zwischen Taylor und Habermas anhören bzw. nachlesen.
Keine Stimme = kein Präsident
"Die Mitglieder des Zentralkomitees haben in eigener Weise, getragen durch das Vertrauen derer, die sie gewählt haben, Mitverantwortung übernommen für das Leben der Kirche in unserem Land." (Erzbischof Robert Zollitsch an Alois Glück, den neuen Präsidenten des sogenannten "Zentralkomitees der deutschen Katholiken")
Das veranlasst mich wie andere zum Ceterum Censeo:
und zur Schlußfolgerung:
(Mit Dank an Catholicism Wow)
Der Blog für schlechte Kleidung
"Bad Vestments - Because Christian worship is not supposed to be about you" - dieser Blog, auf den ich hier verlinke, sagt also:
Im christlichen Gottesdienst soll es nicht um dich gehen, lieber Christ, lieber Zelebrant - und so liefern wir besonders fürchterliche liturgische Gewänder jener Lächerlichkeit aus, die sie im Übermaß verdienen.
Well. Go, see for yourself.
Und ganz sicher gibt es einige solcher Produkt, die wir als "made in Germany" beisteuern können.
(via Damian Thompson)
Kleiner, bescheidener Tipp für evangelische Pastoren ...
... die aus irgendwelchen Gründen an einer katholischen Messe teilnehmen wollen/müssen/dürfen: Wenn Sie während des Hochgebetes und der Wandlung oder später beim Agnus bzw. dem "Herr, ich bin nicht würdig" im Sinne Ihrer konfessionellen Gebräuche nicht knien wollen, nimmt es Ihnen keiner übel.
Aber da Sie ja sicher dem überaus präsenten HErrn Jesus Respekt erweisen und überdies auch die katholische Eucharistiefrömmigkeit irgendwie anerkennen wollen als Bereicherung oder mindestens alternative Ausprägung gemeinsamer Abendmahlfrömmigkeit, und da Sie dies sicher auch im Sinne ganzheitlicher Spíritualität mit dem Körper und nicht nur mit Geist und Herz ausdrücken wollen, dann bleiben Sie doch einfach stehen.
Setzen, lieber Herr Pastor, liebe Frau Pastorin, ist ganz schlecht. Liturgisch unpassend, auch und sogar für Lutheraner und Reformierte. Das wirkt in diesen Momenten einfach gelangweilt oder gleichgültig, und beides sind Sie doch nicht, oder?
21. November 2009
Franz Wright: Mit 54
Ein Augenblick der Klarheit, eine Stunde
außer der Zeit,
ein Leben -
Ich blicke auf die linke Hand,
offen im Sonnenlicht
glänzend auf dem Tisch
und denke an die Einäscherung
meines Freundes, jüngst -
das braucht eine Weile. Und kann nicht warten
auf den Stuhl zurückzukehren
auf dem ich sitze, diese
Welt, in der
jedes Ding für nichts
steht als für seine eigene
unerklärliche Existenz.
(Aus: Wheeling Motel.- New York: Knopf, 2009, S. 28, eigene Übertragung)
Feuer in den Knochen
Ein Großteil meiner ökumenischen Anstrengungen bestand und besteht darin, meinen Konfessionsgenossen und -innen aus der Una Sancta die Musik bestimmter getrennter kirchlicher Gemeinschaften nahezubringen.
Im gleichen ökumenischen Geist habe ich heute die große Freude und das tiefe Vergnügen, auf eine neue Kollektion von Gospelsongs hinzuweisen. Auch wenn ich es mangels vollständiger Interpretenliste nicht ausschließen kann: Mahalia Jackson oder das Golden Gate Quartet oder die Harlem Gospel Singers sind nicht dabei, ziemlich sicher nicht. Dafür aber jede Menge von zu Unrecht unbekannten Sängern und Musikern, allesamt Verkünder einer Guten Nachricht, die wie Feuer in den Knochen brennt. Oder kennt jemand Leon Pinson, Elder & Sister Brinson & the Brinson Brothers, Grant & Ella, Straight Street Holiness Group, Theotis Taylor oder Brother & Sister W B Grate? Not me...
Hier, beim Label Tompkins Square, gibt's mehr Info und drei feurige MP-Dreis zum Anhören und Herunterladen.
Hier, bei Good Letters, ist der begeisterte Review, durch den ich aufmerksam wurde.
Und hier kann man die vier Stunden und 80 Songs mit Gospel auf den drei CDs direkt bei Amazon bestellen und, nein, Yours Truly, verdient keinen Penny, freut sich höchstens, wenn es gefällt.
20. November 2009
Aus den Dickens-Papieren
Da schlägt man zufällig die aus der Ausleihe zurückgekommenen "Pickwickier" von Charles Dickens auf und gerät an den folgenden Satz, der einem geradezu das Herz aus dem Leibe springen lässt:
"Ein hübscherer Fuß, ein fröhlicheres Herz, ein reizenderes Gesicht und eine schmuckere Gestalt waren noch nie über diese Erde dahingesprungen, um ihr zur Zierde zu gereichen, als eben jene, die Maria Lobbs, des alten Sattlers Tochter, ihr eigen nannte." (Kap. 17, Geschichte vom Küster)
Im englischen Original:
"A prettier foot, a gayer heart, a more dimpled face, or a smarter form, never bounded so lightly over the earth they graced, as did those of Maria Lobbs, the old saddler's daughter."
Diese junge Dame möchte man in der Tat kennen lernen...
18. November 2009
Respice finem*
(Quelle: Savage Chickens)
Gleich wie man es auch dreht und wendet:
Das Huhn, es landet hienieden
immer im Topf.
Memento, o Mensch, des mori! Bedenke
den Tod, er kostet uns alle
am Ende den Kopf.
* nach dem lateinischen Weisheitswort: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem - Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.
Wenn ihr nicht werdet wie der Tümmler ...
Den Kleinen Tümmler (engl.: Porpoise) als Lehrer der universalen und stets an neuen Spiritualitätskitzlern interessierten Christenheit stellt das youtube-Video vor, für das Jeff Miller verantwortlich zeichnet. Das sei schon fünf Jahre alt, sagen Sie? - Na und? sage ich, oder eigentlich: So what? Oder wissen Sie noch, was genau wir alles vom Sein und Wesen, Leben und Sterben, Form und Gestalt dieses gottgeschenkten Fisches ablesen können, ja sollen, wenn nicht gar müssen? Und ein Tümmler sei überhaupt kein Fisch? Quatsch. Wissenschaftlicher Unfug. Ich möchte nicht wissen, welche Absicht bei diesen ganzen alt- und neodarwinistischen Verführern dahinter steckt. Wir wissen es jedenfalls besser:
(via Ironic Catholic)
17. November 2009
Meine Zeit in deinen Händen - Bericht aus einer geistlichen Übung
Wer nach einem langen Flug in den Vereinigten Staaten ankommt, kennt den Ablauf: Mit Handgepäck und Einreisepapieren stellt man sich in einer langen Reihe an, schlängelt sich langsam ans Kopfende der vielhunderköpfigen Wartenden, darf schließlich vortreten, beantwortet die paar Fragen des höflichen Beamten nach Zweck der Reise und geplantem Abreisedatum, wird fotografiert und legt die zehn Finger einzeln oder in Gruppen auf den Scanner. 99 % der Einreisewilligen dürfen dann ihr Gepäck abholen und ab geht's durch den Zoll in Obamas Reich.
Die wenigen Übrigen werden in ein "Secondary Office" gebracht und harren ihrer Behandlung. Auch hier gibt es eine gewisse Routine: Man wählt einen Platz in den meist nur halbvollen Sitzreihen und schaut den Beamten hinter dem erhöhten Schalter zu, die in gemessenem Tempo ihrer Arbeit nachgehen - die freilich bleibt rätselhaft, ebenso rätselhaft wie die Reihenfolge der Behandlung, über die man in etwa ab der fünften Minute nachzudenken beginnt. Die Pässe und Papiere werden zwar sorgfältig und schön der Reihe nach in eine Box deponiert, aber keinesfalls auch nach Eingang bearbeitet. Mal sitzen die zehn Latinos noch, die beim Hereinkommen schon da saßen, mal kommen scheinbar nur sie an die Reihe. Weiblicher Charme und weibliche Tränen beschleunigen wenig, desgleichen der Hinweis auf einen Anschlußflug oder auf die Länge des Aufenthaltes im Office.
Mit Kafka-Lektüre habe ich es bisher noch nicht probiert, nicht probieren müssen, denn in der Regel wurde ich nach höchstens 20 Minuten aufgerufen, bekam ein ähnliches kleines Interview wie zuvor am ersten Kontaktpunkt mit der Einwanderungsbehörde und ein paar aufmunternd-freundliche Worte des jeweiligen Officers mit auf den Weg. Helfen, meinte er wie seine Kollegen, würde nur ein Dauervisum, irgendwo im Zentralcomputer gebe es einen an sich harmlosen Vermerk, der freilich ausreiche, meine Einreise für eine Weile aufzuhalten.
Gestern nun war worst case angesagt: Die Reihen waren eng geschlossen, wie man vor 70 Jahren gesagt hätte, stets kamen neue Chinesen, Mexikaner, Portugiesen, Engländer, Franzosen jeden Alters und Geschlechts, die wie gewohnt in erratischer? enigmatischer? rätselhafter? - ja, man hat dort Zeit, sich absonderliche Synonyme auszudenken - Abfolge wieder entlassen oder sitzen gelassen wurden. Am Ende brachte ich es auf 120 Minuten, und daß ich nicht depressiv oder aggressiv wurde, verdanke ich nur der Tatsache, daß ich meine Lebenserfahrung in Sachen Secondary Office der Französin neben mir zuteil werden lassen konnte: Sie saß schon, als ich ankam, saß immer noch, als ich ging, und beschimpfte seit Minute 23 die Etats-Unis als "f_____g country", in das sie ja sowieso nie wollte und aus dem sie am liebsten gleich wieder abgeflogen wäre. Da war die mir zukommende Rolle, freundlich-ausgleichend und abgeklärt-cool zu wirken, was bei mir den aufkommenden Ärger im Keim erstickte.
Ein kleines Dankeschön an den HErrn aller Zeit für diesen eleganten Tugendverstärker und - ein bißchen zähneknirschend - für diesen Vorgeschmack auf etwaige spätere Ewigkeiten, weniger die SEine, so hoffe ich, als die andere, die mir und uns allen hoffentlich erspart bleibt.
Schreiben und Leben
Franz Wright zitiert in seinem neuen Gedichtband "Wheeling Motel" einen Satz von Samuel Johnson als Motto:
A man writes much better than he lives.
[Ein Mann schreibt viel besser als er lebt.]
Meine Selbsterkenntnis verallgemeinernd, würde ich sagen: Johnson hat auch für Blogger recht, zumal für christlich-katholische.
15. November 2009
Bierland Ju-Es-Ei
Wer beim Bier das Reinheitsgebot nicht fundamentalisch-wortwörtlich versteht, sondern offen ist für Inkulturation, Kreativität und innovative Fortführung alter Brautraditionen, für den sind die USA - und ich sage das jetzt durchaus als Bayer - immer wieder ein Erlebnis. Dort gibt es nämlich nicht nur Bud oder Bud Light und ähnliche Flüssigkeiten, sondern ein Fülle interessanter Biere aus vielen kleinen Brauerein.
Beim Paste Magazine für alle Interessenten eine Übersicht über die 25 besten amerikanischen Brauereien der letzten 10 Jahre...
Und ja, das Dogfish aus Milton, Deleware, ist schon ein leckeres.
14. November 2009
Musik zum Wochenende
Sam Chatmon, einst Mitglied der - in Liebhaberkreisen berühmten, ansonsten freilich unbekannten - Mississippi Sheiks, mit einem Blues-Klassiker, der diesmal "Brownskin Woman", ansonsten aber auch gern mal "Big Road Blues" heißt. Who cares anyway?
"Ich bin ja kein Atheist."
Daß Hans Magnus Enzensberger ein sympathischer Kerl ist und man ihm zum 80. Geburtstag mit vielen guten, honigfließenden Worten gratuliert - alles klar. Aber daß er "vielleicht Deutschlands einziges Universalgenie" sei? Da übertreibt vox Papae ein bißchen. Eine Nation kann ja durchaus eine Zeitlang ohne Universalgenie auskommen.
Für alle, die es interessiert: Radio Vatican hat das Enzensberger-Interview, das Aldo Parmeggiani zum 75. Geburtstag mit dem Dichter, Schriftsteller,Essayisten und "agnostischen Katholiken" führte, wieder veröffentlicht. (Der Text weicht stellenweise freilich vom Original ab, das man sich hier (mp3) anhören kann.)
13. November 2009
Abgründe, wohin man schaut
Der Spiegel ist erschüttert: Enid Blyton - "ein emotionales Wrack und einfach komplett irre", "arrogant, unsicher und anmaßend", "boshaft ... wie ein Teenager".
Auch böse Menschen haben gelegentlich schöne Lieder oder schreiben schöne Kinderbücher, lieber Spiegel. So schnell lernst du die Lektion wohl doch nicht, wie du uns nach Robert Enkes Tod weismachen möchtest, du Spiegel, selbsternannter Kenner und Versteher menschlich-allzu-menschlicher Abgründe.
Vermutlich schreiben böse Menschen manchmal sogar als Redakteure in deutschen Nachrichtenmagazinen. Oder bloggen.
Ansichtssache bei Facebook
So schnell kann es gehen: Man versucht auf Facebook mehr Klarheit in sein Profil zu bringen und schon hat man seine "Religiösen Ansichten" geändert... - Na, wenigstens der eine, auf den es ankommt, weiß, daß dem nicht so ist. Er weiß sogar, daß ich gar keine "Religiösen Ansichten" haben, sondern einfach glauben will.
Die Angst
"Seht her, so finster kann es sein in den Herzen der vermeintlichen Helden! Seht her, auch sie haben Angst." (faz.net)
Eine simple Wahrheit, die allen in den Knochen sitzt. Vielleicht verschweigen und vergessen wir sie auch aus der Hoffnung, daß es wenigstens anderen anders gehen möge.
Daß die nächsten drei Wochen viele sehen werden, die sich damit profilieren wollen, macht sie nicht weniger wahr. "Haben wir es nicht schon immer gesagt, daß sogar Nationalspieler, Filmdiven, Starfriseure ..." - Nein, habt ihr nicht. Zum Glück. Denn Euer Mitgefühl steht so fett schwarz auf weiß, damit eure Stimme im politisch-korrekten Chor nicht fehlt. Sonst lebt ihr doch auch wie die Parasiten von unserer Hoffnung und macht damit Auflage.
Sogar im Herzen christlicher Helden kann es finster sein, kann die Angst herrschen. Schlichtweg kreatürliche Angst. Aber auch die Angst, die GOtt unbegreiflicherweise manchen SEiner Auserwählten zumutet (und zwar hoffentlich, wenn Hans Urs von Balthasar recht hat, erst nachdem er ihnen zuvor "das ganze Licht von Glaube, Liebe und Hoffnung geschenkt" hat).
Der für uns Blut geschwitzt hat:
"Im Ölgarten war Christus nicht mehr Herr. Nie war menschliche Angst so riesengroß geworden, nie wird sie wieder so groß sein. Sie hatte alles in ihm überdeckt, nur jenen äußersten Gipfel der Seele nicht, auf dem er sich dem göttlichen Willen fügte...
Den Märtyrern stand Christus bei. Aber ihm stand niemand bei, denn jede Hilfe, jede Barmherzigkeit geht von ihm aus. Kein lebendes Wesen wird je so einsam, so entwaffnet in den Tod gehn wie er. Auch der Unschuldigste ist immer noch ein Sünder und fühlt unbestimmt, daß er als solcher den Tod verdient. Der sündige Mensch sühnt im Tod seine Sünden. Aber er..." (Georges Bernanos)
Und noch mehr Möglichkeiten liturgischer Grippeprophylaxe
http://www.puritysolutions.org/products.php
http://www.rapidfill.com/
Arbeitsteilung
Gilbert Keith Chesterton:
"We need priests and pastors to remind us that someday we're going to die and we need musicians and poets to remind us that we're not dead yet."
["Wir brauchen Priester und Pastoren, damit sie uns erinnern, daß wir sterben werden, und wir brauchen Musiker und Dichter, damit sie uns erinnern, daß wir noch nicht tot sind."]
Wenn ihr nicht werdet wie die Tiere...
Wenn es um Homosexualität geht, werden unsere irdischen Mitbewohner ja gerne ganz suggestiv als Vorbilder heranzitiert: Seht her, auch Schimpansen, Königspapageien, 1000Füßler und eine bestimmte Art von Tiefseequallen tun es, grenzen keinen aus, gestatten gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Ehen.
Ich finde dann immer, man/frau sollte sich Tiere ganz generell zum Vorbild nehmen, zum Beispiel die Dawsonbienen, die sich, nein, Quatsch, bei denen die Männchen sich gegenseitig umbringen, um in die Nähe einer Frau zu kommen. Oder hat wer was gegen Dawsonbienen und grenzt die aus der großen Menge anthropomorph zu betrachtender Lebewesen aus?
Dann Vorsicht: Die sind sauaggressiv und nehmen ihren Minderheitenschutz auch gerne rabiat wahr.
Weihwasser in Zeiten der Schweinegrippe
10. November 2009
Stop making sense
"So lange Gott nicht auch Mutter ist,
wie Johannes-Paul I. prophetisch sagte,
werden Gewalt und Unterdrückung
ihren Platz in der Kirche behaupten."
Diesen Satz eines unbekannten, ich vermute mal: "Kirchenrebellen" schickte mir ein Freund per Mail.
Es wird höchste Zeit, daß Gott sich ändert, wie es scheint, damit in der Kirche die herrlichen Zeiten ausbrechen. Bis dahin aber stellen wir uns gerne und eilfertig, durchs Rezitieren dieser vier Zeilen, auf die richtige Seite. Gerechtfertigt durch politische Korrektheit allein. Sola rectitudo politica.
Deutsches und Französisches
Vom 9. November, den verschiedenen Grenzübergängen, Feierlich- und Weniger-Feierlichkeiten, habe ich gestern so gut wie nichts mitbekommen. Kollegen von jenseits des Rheins waren da viel mehr auf dem Laufenden als ich.
Ich lege dafür ein Lied von des amerikanisch-lutherischen Singer-Songwriters Jonathan Rundman nach: In "German Flag" verknüpft er die Wiedervereinigung mit einer Beziehungsgeschichte ("German flag, black as ink on paper / German flag, red like my tired eyes / German flag, gold like the ring on my finger / I'm hoping and I'm praying we survive").
Zur Feier des gestrigen Tages dürfen wir das Lied bei Jonathan Rundman legal als mp3 herunterladen. Hier.
Und wünsche meinen französischen Freunden einen schönen, besinnlichen, sinnstiftenden "jour de l'Armistice"! (Daß Ost- und Westdeutsche sich so la la verstehen, scheint mir natürlich. Aber daß Franzosen und Deutsche recht gut miteinander auskommen, im Kleinen wie im Großen - das ist immer noch ein Wunder für mich.)
8. November 2009
I'm ready to meet my Savior
Wir nähern uns dem Ende des Kirchenjahres - da darf die Musikauswahl ruhig etwas eschatologisch sein. Nicht bibbernd, mind you, sondern vertrauensvoll-entschlossen. So wie die Nitty Gritty Dirt Band zusammen mit Vince Gill: I'am all prayed up.
Kirche und Welt
"I think that the Church is the only thing that is going to make the terrible world we are coming to endurable; the only thing that makes the Church endurable is that it is somehow the body of Christ and that on this we are fed."
["Ich glaube, die Kirche ist das einzige, was die schreckliche Welt, in die wir gerade gelangen, erträglich macht; das einzige, was die Kirche erträglich macht, ist, daß sie irgendwie das Leib Christi ist - und daß wir uns davon nähren."]
Das stammt von Flannery O'Connor - vermutlich als sie gerade lange über das Geheimnis des Pfaus meditiert hatte. :-)
(Quelle)
Sterben mit Handkuß
Paul Ingendaay erzählt auf faz.net von der Todesstunde, die dem spanischen Schriftsteller Francisco Ayala, man darf ruhig sagen: geschenkt wurde.
Tröstlich, daß es auch das gibt.
Deutschkatholische Peinlichkeiten
Mir kommt der Mainzer Kardinal in den Sinn, wenn ich bei Radio Vatican lese, wie die Herren Bayerlein und Glück in Sachen ZdK und Donum Vitae herumeiern: Den leitenden Donum Vitae-Mitarbeiter Glück zum Zentralkomitee-Vorsitzenden wählen, der dann den Kritikern des gleichen Vereins gegenüber "neutral" bleiben wird - das ist schon ein bißchen so, wie einen Schein ausstellen, der sagt, daß er nicht seiner einzigen Bestimmung gemäß gebraucht werden darf...
Wen verkauft das ZdK da eigentlich für dumm?
Kommentar zum Kruzifix-Urteil
Kardinal Ratzinger kommentiert 1995 im Gespräch mit Peter Seewald das damalige Karlsruher "Kruzifix-Urteil":
Link zum mp3 von Radio Vatican
Katholische Schriftsteller, nicht bei der Arbeit - Folge 3
Hier sehen wir Flannery O'Connor, schon an den Krücken, zu denen sie ihre Krankheit zwang, zusammen mit einem ihrer geliebten Pfauen. Ihre "sakramentale Imagination" ließ sie, mindestens in ihren Geschichten, aber wohl auch in ihrem Leben, in diesem "König der Vögel" mehr sehen als ein besonders auffällig befiedertes Mitgeschöpf: In ihrer Geschichte "The Displaced Person" (dt. mit dem Titel "Leute von drüben") ist der Pfau eines der zentralen Symbole für Unseren HErrn.
(Mehr zum Thema: David R. Mayer: Flannery O'Connor and the Peacock (Asian Folklore Studies 1976; 35(2): 1 - 16)
7. November 2009
Ein orthodoxer Bischof bei der Arbeit
Wir mögen ganz klar den besseren Papst haben, aber im Vergleich zu Metropolit Kallistos Ware von Diokleia sind wohl viele von unseren Bischöfen ziemlich blaß...
Aufgabenliste, nicht nur für Bischöfe
Augustinus hat sie sich am Jahrtag seiner Bischofsweihe einmal vorgelesen:
"- Corripiendi sunt inquieti
- pusillanimes consolandi
- infirmi suscipiendi
- contradicentes redarguendi
- insidiantes cavendi
- imperiti docendi
- desidiosi excitandi
- contentiosi cohibendi,
- superbientes reprimendi
- desperantes erigendi
- litigantes pacandi
- inopes adiuvandi
- oppressi liberandi
- boni approbandi
- mali tolerandi
- omnes amandi" (sermo 340, 3 - Quelle)
[ "- Ruhelose zusammenzureißen
- Kleinmütige trösten
- sich der Schwachen annehmen,
- Gegner widerlegen,
- sich vor Nachstellungen hüten,
- Unwissende belehren,
- Träge wachrütteln
- Händelsuchende zurückhalten
- Eingebildeten den rechten Platz anweisen
- Verzweifelte aufrichten
- Streitende besänftigen
- Armen helfen
- Unterdrückte befreien
- Gute ermutigen
- Böse ertragen
- alle lieben" (Quelle der Übersetzung, verbessert nach berechtigten kritischen Anmerkungen von Kunst, Kitsch und Krempel]
Sufjan: Unterwegs zwischen Brooklyn und Queens
Sufjan Stevens, wir haben es längst geahnt, hat sein 50-Staaten-Projekt aufgegeben. "The whole premise was such a joke, and I think maybe I took it too seriously. I started to feel like I was becoming a cliché of myself", sagte er jetzt dem Paste Magazine.
Wie hätte es auch weitergehen sollen, wenn schon für Staat Nr. 2 das perfekte Album schlechthin entsteht: Die Reise durch Amerika fand ihr schnelles und glückliches Ende in Illinois.
Natürlich ist Sufjan Stevens nach dem Besten Album der Dekade 2000 - 2009 nicht untätig, auch im eigenen Namen nicht. (Seine Produzentenschaft für die 2-Personen-Gospel-Folk-Gruppe Welcome Wagon habe ich hier ja schon erwähnt.)
Nur begnügt er sich jetzt mit Fahrten in die Nachbarschaft. The BQE heißt sein neuestes Werk und ist eine "cinematic suite" (whatever this may exactly be...) über den Brooklyn-Queens-Expressway.
Man muß den Vergleich mit einem Wagnerschen Gesamtkunstwerk nicht gleich glauben, um neugierig zu werden.
4. November 2009
Vor der Zeit
Bei den Lebkuchen und anderem Weihnachtsgebäck hat mir das Widerstehen bisher keine Mühe gemacht.
Schwach wurde ich allerdings, als mein Lieblings"kreppel"bäcker heute schon mit seinem kompletten Fasenachtssortiment aufwartete: Der erste Kreppel der noch gar nicht begonnenen Kampagne war fällig.
Aus dem Nachtgebet des hl. Gregor von Narek
"Im Schweigen dieser Mitternacht hebe ich
meine Hand zu Dir für das
gesegnete Zeichen Deines Kreuzes, Quelle des Sehens,
die nicht verblasst in der Dunkelheit des Unwissens,
sondern auf ewig wohnt im unnahbaren Licht.
Mit dankbarem Herzen flehe ich,
daß Du diese trauernde Seele
unter den Schutz Deines allmächtigen Flügel nimmst.
Rette mich vor dem Ansturm äußerlicher Illusion.
Statte das Auge meines Herzen aus mit reinem Licht.
Stärke mich mit Deinem Kreuz, dem Holz des Lebens, gegen die Albträume.
Segne die Grenzen meiner Zelle mit Tropfen Deines lebensspendenden Blutes.
Heilige meine Schwelle mit dem Wasser und dem Blut aus Deiner Seite.
Möge das Dach meiner Bleibe die Gestalt Deines Kreuzes tragen.
Möge das Wunder Deines Opfers für unser Heil
vor meinen erhobenen Augen erscheinen.
Möge das Werkzeug Deiner Qual auf meiner Tür befestigt sein.
Mögen mein Glaube und meine Hoffnung an Deinem gesegneten Baum hängen.
Mit Deinem Kreuz, Herr, halte auf den Töter der Seelen.
Lasse eintreten den Schutzherrn des Lichts.
Lindere die Schwere meiner Schmerzen
und erleichtere die Bürde meiner Schuld.
In der stillen Kammer, wo sich mein Geist sammelt
auf dem Kissen meines Bettes,
sich erinnert an die bitteren Früchte der Verzweiflung,
bekenne ich Dir, allwissender Gott, meine unzähligen Taten bösen Frevels in all ihren Formen."
(Quelle)
Gregor von Narek, der unübersetzte
Im Oktober 2008-Heft von "One", der Zeitschrift von CNEWA bzw. Catholica Unio, fand ich letzhin ein "Gebet aus dem Buch der Klagelieder des Hl. Gregor von Narek".
Neugierig machte ich mich auf die Suche im Web und fand wohl eine komplette englische Version dieses Gebetes wie auch des ganzen Buches, doch auf deutsch: Fehlanzeige.
Auch der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek hat wohl einen Datensatz für die Person "Grigor Narekac'i", aber kennt keine Übersetzung des Werkes.
Falls die doch existiert, entschuldige ich mich. Falls aber nicht, ist das eine echte Marktlücke...
3. November 2009
Kommentar zu den Anmerkungen zum "Lieblingsdogma"
Familie Hradetzky hat einige wichtige Anmerkungen zu meinem "Lieblingsdogma"-Post gemacht, und da ich dort nicht kommentieren kann, will ich es hier tun.
Meine Darstellung der lutherisch-reformatorischen "Soli" war 1. nicht unbedingt nötig und 2. gewiss nicht erschöpfend. Mindestens in meinen Ohren klangen und klingen sie allerdings immer mehr exklusiv als priorisierend. Aber nicht darum soll es ja gehen.
Richtig ist freilich, daß nicht alles die Wahrheit des Einen gleichermaßen dicht, klar, direkt ausspricht oder verkörpert. Insofern ist die "Hierarchie der Wahrheiten" eben auch nicht nur papieren, sondern real.
Ich denke, daß ich an diesem Text, der mir aus verschiedenen Gründen wichtig ist, noch weiterarbeiten werde - so, wie er da steht, ist er mißverständlich, die einzelnen Ideen (Einsichten?) müssten klarer von einander abgegrenzt bzw. ineinander überführt werden und nicht - wie geschehen - einfach in eine Assoziationssuppe hineingerührt werden.
Einstweilen viele Grüße vom Randunterfränkischen ins Bayerische!
2. November 2009
Verzweiflung ist eine Sünde ...
aber den Blues dürfen wir schon haben. Bukka White lässt sich nicht lumpen:
Das Lieblingsdogma der Pfarrsekretärin
Nachdem ich meinen Glauben nicht nur von meinen Eltern oder Religionslehrern gelernt habe, sondern auch von Joseph Kentenich und seiner Schönstatt-Bewegung, ist es für mich die natürlichste Sache der katholischen Welt, daß es unterschiedliche Empfänglichkeiten für unterschiedliche Aspekte, Sätze und Wahrheiten des Glaubens gibt: Für den einen leuchtet das Geheimnis der Prädestination hell auf, für den anderen das Bündel von Wahrheiten hinter dem Allerseelentag, während die dritte - wie meine Schwiegeroma, GOtt hab sie selig - für den hl. Josef schwärmt und an seiner Hand betend vor den Thron GOttes tritt. Dem einen erleuchtet die Gottesmutter als Überwinderin aller Häresien den Pfad, während der nächste von Eucharistie zu Eucharistie lebt, bangt, betet, liebt. Der Himmel der katholischen Wahrheit ist voller Sterne, oder sagen wir besser: Monde und Planeten, die alle von der Sonne des Lebendigen Drei-Einen GOttes ihr Licht bekommen. Manche dieser Himmelskörper kreisen näher ums Zentrum des Universums, andere scheinen - oder sind tatsächlich - weiter und weit davon entfernt. In der jeweiligen Glaubensgeschichte muß diese Entfernung nicht unbedingt eine entscheidende Rolle spielen. Manchmal mag das vielleicht sogar so weit gehen, als sei zu bestimmten Zeiten in einem Leben nicht GOtt das Zentralgestirn, der Große Magnet, als habe er seine Attraktivität, seinen Charme, seine Verführungskraft an eines SEiner Geschöpfe oder an ein bestimmtes heilsgeschichtliches Ereignis übertragen.
Nennen wir diese Einsicht für jetzt einmal - in Anlehnung an Leonardo Boffs "Sakrament des Zigarrettenstummels" - das "Lieblingsdogma der Pfarrsekretärin". Wir sehen sie vor uns, wie sie zum Beispiel die Glaubenswahrheit, daß jeder Mensch einmalig, wertvoll und unersetzlich ist, wortwörtlich nimmt. Es strahlt das ungesprochene Credo von ihr aus: "Ich bin einmalig. Keiner vernachlässigt mich ungestraft. Ich bin von GOtt ins Vorzimmer gesetzt als Frau mit einer Mission. Ich oder keine."
Und feststehend in diesem Glauben, fühlt sie sich nicht als Fußabstreifer des Pfarrers, als Blitzableiter des Kirchenpflegers oder als Opfer ratschender Messbestellerinnen, sondern weiß, im Idealfall jedenfalls: "So, wie ich bin, hat mich GOtt geliebt und es gefügt, daß ich in diesem Büro sitze. Meine Talente - die einwandfreie Rechtschreibung, das Zuhören-können, das Organisationsvermögen eines "Hansdampf in allen Gassen" - sind es, die ER jetzt und hier von mir begehrt. Meine Schwächen - mein überbordendes Selbstwertgefühl, mein permanentes Mitredenwollen, mein mangelndes Glaubenswissen - dagegen werden zum Glück alle konterkariert [naja: "konterkariert" würde die durchschnittliche Pfarrsekretärin nicht sagen, aber Ihr versteht...] und ergänzt vom netten und geduldigen Pfarrer, dem Anbetungskreis und der schwerkranken Frau S., die vor Schmerzen zum HErrn schreit."
Die Pfarrsekretärin erschließt sich also im Idealfall von ihrem Lieblingsdogma aus die katholische Welt, erkennt das Geheimnis des erlösenden Leidens genauso wie den Wert der Mündigkeit des getauften Laien, empfängt das Allerheiligste als Stärkung und Tranquilizer und erwartet die neue Schöpfung am Ende der Tage als das Ende allen Telefongeklingels und den Beginn der wahren Ordnung auch der kleinen Dinge. Und irgendwann wächst in ihr vielleicht ein neues Lieblingsdogma. Nicht daß sie nicht mehr an ihre heilsgeschichtliche Sendung glauben würde, i wo! Aber sie entdeckt, sagen wir mal für jetzt, das Fräulein Therese Martin, jene "Heilige des Atomzeitalters" mit dem leicht frechen Lächeln und der entnervenden Kombination von Hartnäckigkeit und Demut. Und in dieser Schule bleibt sie - natürlich - nach wie vor unersetzlich und einmalig, aber sie weiß, fühlt, glaubt, lebt: "Nicht ich rette die Welt, die Kirche und die Pfarrei, sondern ER, der Herr Jesus Christus. Und meine Grammatikkenntnisse, mein handwerkliches Geschick, meine Einsatzbereitschaft finden ihre Vollendung nicht aus meinem Verdienst, sondern in Seiner Liebe, Seiner Hingabe am Kreuz und in Seinem liebenden, richtenden und verzeihenden Blick auf meine Schwächen, Fehler, Grenzen, Sünden."
So ähnlich also sieht sie aus, die Pädagogik des Katholischen. Alles erschließt sich von überall her. Nicht automatisch, nicht ohne Anstrengung, nicht in Isolation vom Leib Jesu Christi, der die Kirche ist. Vor allem nicht ohne die Gnade. Die Hierarchie der Wahrheiten, wie sie uns im Glauben der Kirche, in Credo, Katechismus, der Theologie begegnet, ist eine andere als die Hierarchie der Wahrheiten, wie sie im gelebten Leben des Einzelnen sich ereignet. Abgelegene Wahrheiten, die der Erwachsenenkatechismus in Kleindruck oder einer Anmerkung abhandelt, können große Geheimnisse erschließen.
Recht hat, wer mit seinem Blick, seinem theologischen Verstehen, seiner Liebe die Fülle umfasst, nein: zu umfassen sucht, sich von ihr bestimmen lässt statt von fixen Ideen. Es gilt also: auf die Stimme des Herzens zu hören, die eigenen Vorlieben zu erkennen und zu bejahen und von da aus dann vorzudringen in den ganzen unabsehbaren Rest des Glaubens und des vom Glauben getragenen und geformten Lebens. Genauso falsch wie das Lieblingsdogma absolut zu setzen - eine läßliche Sünde von Pfarrsekretärinnen angesichts ihrer zentralen Rolle in der alltäglichen Kirchenhierarchie - ist es, die eigene Liebe in eine Schema zu pressen. Damit nehmen wir ihr die Dynamik, das Herzblut. Wenn einer pressen darf, dann ER.
Wer also theologisch wie spirituell-lebensmäßig mit einem "sola", wer nur mit dem "nur", wer allein mit dem "allein", wer mit mit nichts als dem "nichts als" operiert, den überantworten wir der Barmherzigkeit GOttes statt ihn zum geistlichen Lehrer zu nehmen (oder gar zum Reformator der Una Sancta).
[Dieser Eintrag ist bis auf Weiteres ein posting in progress; es wird also noch weitergeschrieben und - hoffentlich! - verbessert. --- 14. November: Eintrag abgeschlossen. Möge er so stehen bleiben.]