23. Juni 2007

Antwort eines fröhlichen Bloggers

Ich vermute mal, daß mich Bernd in seinem Posting über "fröhliche Blogs" mitgemeint hat, und weil er in viel Polemik verpackt eine ernsthafte Anfrage stellt, will ich auch antworten. Das ist nicht leicht, denn die Fallen sind schon ringsum aufgestellt: Schon wer reagiert, bellt vielleicht wie der getroffene Hund, und wer schweigt, muß sich doch ertappt sehen, oder? Eine zu heftige Erwiderung wäre "reflexartig" und "hyperempfindlich", aber wer vergangene Episoden aus der Blogozesengeschichte erwähnt, trägt nach oder nähme Bernd in "Sippenhaft". Und sowieso könnte ich - bewußt oder unbewußt - eine "Meinungsführerschaft verteidigen" wollen.

Wie schrieb Erich Kästner in einem Gedicht, das nach Abmahnungen fast völlig aus dem Netz verschwunden ist:

"Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
»Herr Kästner, wo bleibt das Positive?«
Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt."

Wie die Leser bei Kästner, sieht auch Bernd in den – „auch katholischen“- Blogs „zu 80 %“ schnöde Kritik, Verbitterung, Verzweiflung, Sucht nach Originalität, wirres Zeug. Durchgezählt hat er wohl nicht, aber das muß auch nicht, wer provozieren will.

Doch wo Gefahr ist, wächst etc. etc.: Schreibt „endlich mal“ über „das Schöne Eures alltäglichen Lebens“! Bei allem Respekt und aller Freude über die, die genau das erfolgreich und gelungen tun: In meinem Blog z.B. spielt das „alltäglichliche Leben“ nur ausschnittweise eine Rolle. Das ist Absicht: Mir ist für richtig Persönliches das Web zu öffentlich, und daher gibt es verstreut Schnipsel, aus denen sich eine Biographie oder die „Geschichte einer Seele“ zusammensetzen kann, wer mag. Dabei weiß ich genau, dass ich auch mit distanzierten, ironischen, spöttischen Postings einen Blick in mein Inneres eröffne und genug Material für ein Psychogramm liefere– aber das braucht dann schon genauere Leser, denen ich das auch gönne.

Wo bleibt das Positive? Mir ist, als sei das auch schon einigen unserer großen katholischen Schriftstellern gesagt worden. Bloy, Bernanos, Percy – sie alle schreiben auf den ersten Augenschein keine gelbweiße, einladend-frohe Propaganda Fidei, strahlen in ihren Romanen nicht erlöst, bevorzugen die indirekte Methode. Wenn katholische Blogger wenig, zu wenig direkt und bekenntnishaft über die Gnade und Wohltaten ihres Gottes reden, steckt dahinter wohl meistens keine bewusste Wahl – aber vielleicht doch die Erfahrung, dass eine unbefangene Gottesrede nicht unbedingt einfach ist, auch nicht jedem liegt. Und dass diese Rede sehr schnell und unter der Hand unauthentisch werden kann. Mir jedenfalls geht das so. Ironie schafft da eine gewisse Distanz zur eigenen Person, eine Leichtigkeit, die der graziösen Gnade durchaus angemessen ist.

Ach, gar viele Gründe kann es geben, nicht „über das Schöne des alltäglichen Lebens“ zu schreiben, und gar viele Wege, um seine Dankbarkeit für all das Schöne dem Urheber alles Guten direkt zu bezeigen. Blogeinträge sind nur einer davon.

Bernd sagt uns auch, was er sich von den Blogs erhofft, die er liest: „vertraulichere, freundschaftlichere Einblicke“. Ich bin mir gar nicht sicher, wieviele derer, die Blogs lesen oder verfolgen, das auch so prominent erhoffen. Wenn mir selbst eine Stimme lieb geworden ist in den letzten Jahren – und da gibt es einige! – dann nicht unbedingt weil er oder sie viel von sich offenbart hätte. Es war der Tonfall, die Perspektive, überraschende Einsichten, Klugheit, prägnante Beobachtungen, ein weiter Horizont oder die Ausdauer, ein Thema nachzuverfolgen. Jeder Blog ist anders, und keiner ist allein für mich geschrieben.

An dieser Stelle offenbare ich mich nun als teilbekloppt: Lieber Bernd, meinen Blog schreib’ ich nicht für mich, da stimme ich Dir zu. Denn keiner schreibt für sich allein, jeder hat einen imaginierten, zukünftigen, realen Leser, der ihm über die Schulter, auf den Bildschirm schaut. Aber Deinen Halbsatz „Wer’s nicht mag, muss es ja nicht lesen”, den habe ich auch schon gesagt. Lesen, kurz ärgern oder mit den Schultern zucken, ein Stoßgebet über die Lippen bringen – und weiterklicken. Das darf man im Web und keiner kann’s einem verbieten. Natürlich darf man auch schimpfen und im eigenen Blog böse kommentieren. So what?

Weil es schon spät ist und der Tag morgen früh beginnt, nur noch eines: „Das Blog eines katholischen Christen muss mehr wollen. Es will Interesse wecken, will einladen, sucht nach neuen Freunden auf den gemeinsamen Weg. (…) Ein katholisches Blog will mehr!“ – Als Anfrage an mich werde ich diese Sätze mitnehmen und sehen, was ich draus mache. Aber definieren sie wirklich was ein katholischer Christ wollen muß, wenn er bloggt? Ein bisschen Freiheit nimmt sich auch der konservative katholische Laie, wenn er in seiner Freizeit bloggt: freie Themenwahl, freie Wahl des Stils, freie Wahl der Bloghäufigkeit und des Spaß-, Ironie-, Klage- und Freudenspiegels, Freiheit beim Themenwechsel, beim Anfangen und Aufhören.

Klar, es geht nicht alles. Es gibt zweifellos Grenzen für das, was beim Bloggen erlaubt ist; und wenn wir uns fragen, was uns auf unserem Weg zu IHM vorwärts bringt, dann sollten wir manches bleiben lassen. Aber nicht jeder, der vorbeischaut, hat die gleichen Interessen, manche wollen eine andere Einladung und nicht jeder, der nach Freunden sucht, findet auch welche. Manchmal zahlt sich Absichtslosigkeit mehr aus.

So viel für jetzt.

PS: Ein herzliches Dankeschön allen Lesern – und allen Freundinnen und Freunden, die mir seit 2002 hier begegnet sind!

5 Kommentare:

dilettantus in interrete hat gesagt…

Danke!

Gregor Kollmorgen hat gesagt…

Lieber Scipio,

als bloßer Blog-Leser (sozusagen Blogozesen-Laie) stimme ich Dir völlig zu. Persönliches mitzuteilen kann eine Motivation für das führen eines Blogs sein, aber daß das "Blog eines katholischen Christen mehr wollen muß", das empfinde ich doch als Absolutsetzung eines Anspruchs, den man sicher an sich selber richten kann, aber kaum von anderen verlangen. Vollkomen zurecht sagst Du, daß seelischer Exhibitionismus nun einmal nicht jedermanns Sache ist - nicht ohne Grund ist die öffentliche Beichte schon seit einigen Jahrhunderten entfallen. Natürlich steht es jedem frei dies zu tun, und zweifellos kann dies auch zur Erbauung, Belehrung oder Tröstung anderer dienen und ist dann unter diesem Gesichtspunkt auch verdienstvoll, aber es kann wohl kaum zur religiösen Pflicht erhoben werden. Auch empfinde ich wie Du, daß es nicht jedem - ja eher den wenigsten - gegeben ist, in aufrichtiger und unprätentiöser Weise und zugleich mit Tiefgang öffentlich Lob und Dank für Gottes Gnaden zu formulieren. Wie leicht gleitet das ins Formel- und Clichéhafte ab und wird dadurch, wiewohl unabsichtlich, eher abstoßend als anziehend.
Ebenfalls Deiner Ansicht bin ich, daß einem die Themenwahl doch freistehen muß. Selbst Bernd räumt ja ein, daß es Themenblogs geben darf. Warum soll es dann nicht mixta composita von jedem Mischungsverhältnis geben können? Ich persönlich würde es genau wie Du machen (und korrigiere mich, wenn ich Dich fehlinterpretiere, so lange bin ich in der Blogozese ja noch nicht "inkardiniert") - vorwiegend über sozusagen Sachlich-Objektives schreiben und das Subjektive der eigenen Persönlichkeit (wie es ohnehin zwangsläufig geschieht) durch die Art der Schilderung und Kommentierung einfließen lassen. Daraus ergeben sich - immer für mein Empfinden, ich beanspruche nicht, daß das alle so zu sehen haben - viel interessantere und im Zweifel auch unverstelltere Einblicke in Wesen und Charakter als durch bewußte Selbstbeschreibung und Introspektion. Denn man sollte doch beachten, daß doch, soviel Eigenes man auch preisgeben mag, das alles doch anonym bleibt, solange man sich nicht von Angesicht zu Angesicht begegnet. Insofern halte ich diese ausgerechnet über ein Blog herzustellende freundschaftliche Nähe doch bis zu einem gewissen Grade für ein Chimäre. Wenn sich - wie Du ja auch sagst - eine gewisse Nähe einstellt und dies dann vielleicht in einer tatsächliche Begegnung und sogar Freundschaft mündet - Deo gratias! Aber erzwingen kann man dies sicher nicht.

Herzliche Grüße und Dank für Deinen Blog,
Berolinensis.

FingO hat gesagt…

Schöner Beitrag, Scipio.

Petra hat gesagt…

Lieber Scipio,

vielen Dank für Deinen schönen Beitrag (obwohl ich glaube, dass Du Dich echt nicht rechtfertigen musst), und überhaupt für Deinen Blog und für Dich! Jetzt kennen wir uns schon seit über 2 Jahren virtuell (und haben uns einmal auch schon personlich getroffen), und ich habe in dieser Zeit Dich und den ausgewogenen, geduldigen Ton Deines Blogs immer mehr schätzen gelernt...

dilettantus in interrete hat gesagt…

Also das das mal wieder aktuell wird.....