31. März 2006

Sie leiden nur einen Sommer
Das Paradox der katholische Kirchenreformer in einem ökumenischen Zeitalter


Stellt Euch vor:

Ihr lebt im 21. Jahrhundert, einem Zeitalter, in dem die christlichen Konfessionen ganz offiziell und der Intention nach endgültig die Kriegsbeile vergraben haben. Natürlich sind sie sich in ihrem Verständnis wichtiger Glaubensfragen nicht einig, aber sie arbeiten dran.

Immerhin aber gehen sich in Westeuropa weder die Hirten noch die Gläubigen an die Gurgel. Im Gegenteil: Man bemüht sich, das Besondere der anderen Konfessionen zu sehen, ihre Stärken, ihr Charisma. Wenn die Kircheneinheit einmal kommt, dann wird sie - das ahnt und weiß jeder - nicht in einem Überstülpen der einen Art Christsein über die andere erfolgen. "Versöhnte Verschiedenheit" ist das Schlagwort, und eben keine "Rückkehrökumene". Selbst wenn in einigen Punkten nur eine Art Rückkehr möglich sein mag - die Stile in Liturgie, Spiritualität, Alltag, Kirchenverfassung müssen nicht verschwinden: Obstsalat statt Apfelbrei.

Nun ist es bis zur Einheit noch ein weiter Weg, da mache man sich nichts vor. Umso schöner, daß heute zum Beispiel ein Konfessionswechsel nicht mit Exil oder Verbrennung bestraft wird, sondern als Gewissensentscheidung respektiert und geachtet wird: Muß ich dem Ruf des Herzens nicht folgen können? Muß ich Katholik bleiben, wenn ich meine geistliche Heimat - nach reiflichem Überlegen - nicht eher bei den Evangelischen finde? Daß ich zufällig als römischer Katholik geboren bin, kann doch nicht heißen, daß mein Weg zu Jesus nicht über die alt- (oder auf schweizerisch: christ-)katholische Kirche führen kann oder gar: sollte? Oder?

Passt zu dieser ökumenischen Großwetterlage noch der Typ Kirchenreformer, den wir Konzilskinder - ich z.B. als Jahrgang 1960 - seit unserer Kindheit kennen? Namen sind Schall und Rauch: vorgestern Küng und Drewermann, gestern Breitenbach und die "Wir-sind-Kirche"-und-wissen-wo's-lang-gehen-muss-Leute, heute ein Bamberger Sabo in der sorgsam gehegten Aufmupf-Kultur der Deutsch-Schweiz. Gemeinsam haben sie bei allen Unterschieden auch eines: Von der Heilsnotwendigkeit der eigenen, römisch-katholischen Kirche (rkK) sind sie nicht überzeugt - "extra ecclesiam etiam salus - Heil gibt es auch außerhalb der Kirche".

Umso erstaunlicher ist der Eifer, mit dem sie sich daran machen, die rkK zu verbessern: Wenn es doch weder für sie noch uns so darauf ankommt, wo wir Christen sind, wenn wir es nur nach der Stimme GOttes in unserem Herzen sind - muß dann die rkK protestantisiert werden? Wenn es woanders Synodalverfassungen gibt, eine "Liturgy light" - ohne all die Festlegungen der "Allgemeinen Einführung in das Römische Meßbuch" - oder gar eine einladende Sexualmoral - gleichermaßen einladend für frühreife Jugendliche, Homosexuelle, Transgendered Persons und gar Polygame? Wenn doch keiner mehr Katholik bleiben muß: warum muß er dann unbedingt wie ein Mennonit, ein Reformierter, ein Liberallutheraner oder ein "moderner, zeitgemäßer Christ des aufgeklärten 21. Jahrhunderts" Katholik bleiben können?

Wie kommen sie dazu, einerseits darauf zu verzichten, anderen Konfessionen vorzuschreiben, wie Glaube und Glaubensleben zu funktionieren hat - und genau das in der eigenen Kirche tun? Was gibt ihnen die Überzeugung von der Richtigkeit ihres Protestes nach innen, und nimmt sie ihnen, wo es um andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften geht?

Ich kann mir nicht helfen, aber ich denke immer mehr, daß es ihnen doch - Menschen wie wir alle - weniger ums Reich Gottes geht als um freien Zugang zu den Kopierern, um gesicherte Existenzen als Professoren, hauptamtliche Pfarrer oder Buchautoren, um Selbstdarstellung und um Macht oder mindestens Präsenz auf den Bildschirmen der Kirchenredaktionen. All das ist per se nichts Schlechtes, man möge das nicht mißverstehen. Ich selber trage Schlimmeres in der Mördergrube meines Herzens. Aber genau deswegen weiß ich, daß wir alle kaum etwas aus reinen und lauteren Motiven tun: Immer wieder schleichen sich ins Beste, Selbstloseste, Gottgefälligste die Würmer ein.

Seien wir also ganz kritisch, wenn sich jetzt wieder einer unter großem Medienrummel in die Reihe der Opferlämmer einreiht: Es könnte ihm um etwas anderes gehen als um die Wahrheit oder das bessere Christsein. Opfer gefallen sich manchmal recht gut, und freuen sich über ihre Wichtigkeit. Warum auch nicht? - Eintagsfliegen sind auch nicht besonders depressiv.

Jeder gönnt ihnen ihr kurzes Glück. Allerdings fragt morgen auch keiner mehr nach denen von heute. Und manchmal gehen sie ganz schön auf die Nerven, wenn sie uns um die Nase schwirren oder in die Ohren krabbeln.

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