8. Dezember 2005

Der einzig normale Mensch

Entscheidender als das 2. Vatikanische Konzil, das vor vierzig Jahren zu Ende ging, hat jenes andere Ereignis die Geschichte die Menschheit geprägt, das die Kirche morgen ebenfalls feiert: den Lebensbeginn des einzig normalen Menschen auf dieser Erde seit Adam und Eva.

Wer wie wir verkrüppelt, hinkend, leicht beschränkt, egoistisch, arrogant, ängstlich, lieblos durchs Leben geht, der bringt es nie fertig mit ganzem Herzen "Ja" zu sagen. Nur wer nicht weniger, sondern mehr Mensch ist als Sie, geneigter Leser, und ich - der allein kann in den überraschenden und unbegreiflichen Willen GOttes springen, der kann "JA" sagen statt "Vielleicht" oder "Nur wenn..." oder "Gerne, aber nur auf Widerruf". Nur wer nicht an sich denkt, weiß, was er tut, wenn er sich der "teuren Gnade" GOttes leibhaftig zur Verfügung stellt.

Nicht die Weisen und Klugen hat GOtt vor der Erbschuld und ihren Folgen bewahrt, sondern ein Mädchen aus der unteren Mittelklasse des Volkes Israel. Auf dieses Mädchen, das zur Frau des durchbohrten Herzens und zur Mutter eines ganzen Volkes wurde, müssten jährlich Lobreden und Predigten gehalten werden; zu ihren Ehren sollten die Professoren zu Symposien zusammenkommen und die Gläubigen Pfarrfeste feiern; an ihr müssten die Philosophen den Bauplan des Menschen erforschen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Peter sagte mir, dass ich hier über die Immakulata schreiben soll. Daher ausnahmsweise ein Repost meines Kommentars:
Das Geheimnis der Immakulata, die den gebiert, der ihre Erbsünde im Keim erstickt, hat immer dann seine Ausprägung gefunden, als sich Häresien in die Kirche einschlichen, die Gottes Barmherzigkeit nivellierten.

Im 4. Jahrhundert war das der Pelagianismus, der verkündete, dass jeder Mensch von sich aus fähig ist, sich vom Joch der Sünde zu befreien. Der hl. Augustinus hält dem entgegen, dass alle Menschen von der Sünde befallen sind, ohne jedoch Maria als Zeichen der Barmherzigkeit Gottes vorzustellen. In Maria zeigt sich, dass der Mensch zur Freiheit berufen ist und dass Gott ihn in diese Freiheit führt, ohne eigenen Verdienst.

Im 19. Jahrhundert geht es um die Auseinandersetzung mit dem Jansenismus, der dem Menschen die Erlangung eben dieser Freiheit grundsätzlich abspricht. Der Rigorismus erreicht seinen Höhepunkt mit der Absolutionsverweigerung in der Beichte und dem allgemeinen Ausschluss von der Eucharistie (so noch passiert in einem kleinen Seminar in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts). Die Lehre von der Immakulata wirkt auch hier wieder zeichenhaft, da so klar wird, dass Gottes Gnade jede Sünde überwindet und die Heiligmachung schon auf Erden beginnt. Die Botschaft: Gott wendet sich dem Menschen zu wird ganz eindrucksvoll vermittelt in den Erscheinungen von Lourdes, die ja mit dem Fest der Immakulata eng verknüpf sind.

Scipio hat gesagt…

Ich mag mich aber nicht fetzen, schon gar nicht um eine Frau. ;-)

Ich stimme den sehr verschiedenen Kommentaren von Benedikt und Peter (sowie Peters Posting) logischerweise voll zu.

Daher nur zu Geronimos Verdacht auf Abwertung der vielen bei gleichzeitiger Aufwertung der einen: Unter einem "pastoralen" Gesichtspunkt stimme ich Dir, Geronimo zu: Auf Leute, die tatsächlich (und nicht nur so dahergesagt) unter einem Minderwertigkeitskomplex und mangelndem Selbstwertgefühl leiden, mögen meine Sätze tatsächlich so wirken.

Aber geschrieben sind sie aus meinem Erleben heraus: Ich schaue in mich und schaue zurück auf mein Leben, und sehe, daß ich bei allem guten Willen immer wieder scheitere. Nein, ich bin nicht skrupulös, nein, ich glaube nicht, daß man wegen jeden Versagens beichten muß (sondern nur wegen Sünden) - aber ich weiß, was in mir ist. Das ist eben nicht nur klares Quellwasser, sondern immer auch aufwirbelter Bodensatz. Dafür kann ich nichts, das weiß ich genau. Aber das macht mich auch geneigt zu Taten und Unterlassungen, zu denen ich etwas kann.

Meine Immaculata-Theologie besteht darin, meinen Zustand für unnormal zu halten, und demgegenüber die Immaculata nicht für göttlich oder übermenschlich, sondern schlicht und einfach: für menschlich. Sie ist so, wie wir alle wären, wenn wir nicht in der Ahnenlinie Adams und Evas stünden. Nicht mehr und nicht weniger.

Das zu erkennen, macht mich nicht schlechter und nicht besser, nicht sündiger oder heiliger. Ich sehe aber den Unterschied zwischen ihr und mir - den mit Hilfe der Gnade behebbaren und den hienieden unbehebbaren.

Petra hat gesagt…

Ich glaube, es steckt eine gewisse Gefahr darin, wenn man wie Geronimo Maria als jemand "ganz anderes" hinstellt, der nichts mehr mit uns zu tun hat.

Das erinnert mich stark an jene Wortmeldung, die ich mal gehört habe, wo einer gesagt hat, die Heiligen seien ihm keine Vorbilder, sondern eher die "ganz normalen Menschen". Dabei wird übersehen, dass die Heiligen genauso "ganz normale Menschen" sind wie wir - man schaue sich doch nur die Apostel an...!

Bei einem Heiligenbild, bei dem diese quasi als unfehlbare Halbgötter angesehen werden, wird verwischt, wie Gott auf vielerlei Weise in Menschen wirken kann und wie uns diese Menschen als Vorbild und Inspiration dienen können.

So ensteht dann auch die paradoxe Situation, dass viele Leute den Gottmenschen Jesus eher als persönliches Vorbild betrachten als "Ganz-Menschen" wie die Heiligen oder Maria....

Ich finde, Deine Formulierung mit dem "normalen Menschen" hat's schon sehr gut getroffen, Scipio... :-)