23. März 2004

Leserbrief an die Heimatzeitung

... , 23. März 2004

Leserbrief zu Ihrem Interview „Ohne jede Barmherzigkeit“ – Main-Echo vom 20./21. März 2004

Sehr geehrte Redaktion,

anbei finden Sie einen Leserbrief zum obigen Artikel, den Sie gerne veröffentlichen dürfen:

„Zu meinem großen Schmerz wird der berüchtigte Film 'Die Sünderin' trotz aller Proteste zuständiger Stellen nun auch in Köln, in der Metropole unserer Erzdiözese aufgeführt. [...] Ich erwarte, daß unsere katholischen Männer und Frauen, erst recht unsere gesunde katholische Jugend in berechtigter Empörung und in christlicher Einmütigkeit die Lichtspielhäuser meidet, die unter Mißbrauche des Namens der Kunst eine Aufführung bringen, die auf eine Zersetzung der sittlichen Begriffe unseres christlichen Volkes hinauskommt.“ So warnte 1951 der spätere Konzilsvater Josef Kardinal Frings seine Gläubigen vor Hildegard Knef.

Über 50 Jahre und ein Konzil später hören die deutschen Katholiken ähnliche Warnungen - mit einem Unterschied: Diesmal geht es um einen Film, der die Passion Jesu aus biblischer und christlicher Perspektive zeigen will. Da muß Gefahr im Verzug sein, wenn die Deutsche Bischofskonferenz schon zwei Wochen vor dem Filmstart ein Statement loslässt und kurz danach – mit EKD und dem Zentralrat der Juden in Deutschland - eine großökumenische Stellungnahme nachschiebt! Für wie mündig hält man uns eigentlich nach 40 Jahren nachkonziliarer Erziehung zur Mündigkeit? Nach 9 – 13 Jahren staatlich gefördertem Religionsunterricht, nach diversen Sakramentskatechesen und allsonntäglichen Predigten?

Die lokalen Theologen dürfen im Konzert der Hierarchen nicht fehlen. So hatten die Leser des Main-Echo am 20. März die Gelegenheit, ganz erstaunliche Neu-Interpretationen des Christen-Glaubens zu vernehmen. Jesus, der charismatische Geschichtenerzähler und Knacker „ganz vertrackter Situationen“ – wenn das „das Entscheidende“ ist, sollten wir das uralt-veraltete Credo endlich updaten und die Formulierung „gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes“ ersatzlos streichen. Und den Rosenkranz mit dem Gesätz: „Jesus, der noch jedes Problem gelöst hat“ ergänzen.

Diakon G. Knörzers Formulierung: „Also ich seh’ überhaupt keinen Gott, an keiner Stelle. Es ist ein gottloser Film“ sagt weniger über den Film als über eine Wahrnehmungsstörung des christlichen Geistlichen. Das bekannte Zitat aus Elie Wiesels Buch „Die Nacht“ („‚Wo ist Gott, wo ist er?’ fragte jemand hinter mir. ...Und ich hörte eine Stimme in mir antworten: ‚Wo er ist? Hier ist er ... Er hängt dort am Galgen ...’“) gibt die Richtung an, in die wir auf Golgotha blicken müssen, wenn wir Gott sehen wollen. Übrigens sprechen nicht nur konservative Katholiken, sondern auch der evangelische Theologe Jürgen Moltmann vom „gekreuzigte(n) Gott“ und vom „Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie“. Aber das war 1972 und die Theologie ist eine schnelllebige Wissenschaft. Vielleicht ist ja, was heute „theologisch absolut unzulässig“ ist, auf der nächsten „Reflexionsstufe“ schon wieder erlaubt oder geboten?

Wer das Interview ganz aufmerksam liest, dem wird auch nicht entgangen sein, daß G. Knörzer zwar vom Leben Jesu, nie aber von der „Auferstehung“ spricht: Er redet nur von der „Auferstehungs-“, der „österlichen Geschichte“. – Ist Jesus nun auferweckt, oder erzählen wir uns das nur weiter? Ist die Frage selbst vielleicht schon Ausfluß einer mittelalterlichen „Reflexionsstufe“, die momentan „theologisch absolut unzulässig“ ist?

Wird ein Theologe eigentlich schizophren, wenn er einerseits das Leiden Jesu für ein „kleines Verbindungsglied“ und „die bedeutungslose Seite“ des Christentums hält und dann jeden Sonntag – wie G. Knörzer – mit am Altar steht und die Euchariste mitfeiert, die nach den Worten des Konzils „eingesetzt“ wurde, „um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen“?

Schon allein um das kirchliche Establishment zu ärgern, möchte man alle über-16jährigen auffordern: Schock deine Eltern, deinen Pfarrer, deinen Religionslehrer - Geh in die „Passion Christi“! Bild dir selber deine Meinung!

Mit freundlichen Grüßen,

scipio

Keine Kommentare: