Jan Roß schaut sich Joseph Kardinal Ratzinger erfreulich differenziert und unvoreingenommen an. Den Artikel möchte man so manchen aus der deutschen Kirchenbasis zu lesen geben. (Die Zeit: Der leise Absolutist)
"In einem durchaus verehrungsvollen Beitrag zu Wojtylas zwanzigstem Thronjubiläum hat er durchblicken lassen, dass ihm bei der päpstlichen Subjektivität nicht ganz wohl ist. Es geht um »Wir« und »Ich«, darum, dass Johannes Paul II. den Pluralis Majestatis seiner Vorgänger in seinen Schriften und Reden abgeschafft hat und im eigenen Namen spricht, persönlich. Da ist, meint Ratzinger, nicht einfach ein Zopf abgeschnitten worden. Sondern das feierliche »Wir« bedeutete etwas – dass da nicht ein Einzelner redete, sondern die Kirche selbst, ein Ganzes, das größer ist als jedes seiner Glieder, auch größer als ein Papst. »Auf gewisse Weise«, bemerkt Ratzinger, »ist es kein harmloses Phänomen, wenn das ›Ich‹ an die Stelle des ›Wir‹ tritt.« Das »Wir« steht nicht für Hochmut, sondern für Selbstdisziplin – eine Selbstdisziplin, so mag man das bei Ratzinger Ungesagte weiterdenken, die er auf seinem Weg von der Gelehrtenfreiheit ins Kirchenamt bewiesen hat und die er bei Johannes Paul II. trotz aller Loyalität gelegentlich vermissen mag.
Insofern hat es seinen tiefen Sinn, wenn gegen Ende dieses Pontifikats der Blick noch einmal auf Ratzinger fällt. Unter Johannes Paul II. ist der Katholizismus in ungeheurem Maße mit dem Papsttum identifiziert worden, und das Papsttum mit Karol Wojtyla, der charismatischen Führungsfigur. Ratzinger dagegen steht für die Kirche als Institution. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir wissen, wie es um diese Institution ohne den Zauberer an ihrer Spitze bestellt ist."
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