Die ZEIT: "Ich war ein Täter", in Auszügen zitiert. Hervorhebungen und ein paar Kommentare von mir:
"Als Pater Godehard 1977 in die Societas Jesu eintrat, »waren wir ein führungsloser Orden«. Damals traten auch mehrere, heute bekannte Täter ein. [Das war also zur Hoch-Zeit der nachkonziliaren Kirche, kurz bevor JPII die Eiszeit brachte, richtig? Der beliebteste Theologe des deutschen Katholizismus hieß damals Hans Küng, sein "Christ sein" hatte sich tausendfach verkauft. Ratzinger war konservativ geworden, und Rahner hatte Küng auch gerade ein "Bis hierher und nicht weiter" entgegengehalten.] Der Hang zum autoritären Regime, der der Gemeinschaft stets innewohnte, war gerade an sein Ende gekommen. Die weltliche Wende von 68 hatte auch die Jesuiten erfasst. Pater Erhard, heute 76 Jahre alt, beschreibt den Wechsel als eine Umstellung von »einer fast aristokratischen Form von Führung« zu einer moderneren. »Dazwischen lag eine Zone der Unsicherheit.«
Gott in allen Dingen suchen, so lautet das Motto der Jesuiten. Wo aber sucht, wer so denkt, das Böse – erst recht, wenn es aus den eigenen Reihen kam? Kaum einer der Patres von heute wünscht sich die Zeit vor dem großen Aufbruch der sechziger Jahre zurück. Doch die Aufklärung der Missbrauchsfälle ist auch die Aufarbeitung der Schattenseiten von 68 im Orden. Missbrauch mag so ewig sein wie die Kirche, aber er hat immer einen zeitspezifischen Ausdruck. Das Böse ist, wie auch das Gute, konkret.
Pater Bernd, einst viele Jahre Provinzial, ist ein Vertreter jener Generation zwischen den Zeiten: als das alte Regime zwar abgeschafft war, ein neues aber noch nicht griff, als die Aristokratie nicht mehr und die Demokratie noch nicht galt. Von sich sagt er: »Ich habe den Wert von Verbindlichkeit erst neu entdeckt – für mich und den Orden.« [Schnellmerker sind sie also nicht unbedingt, die Jesuiten. Auch damals gab es genug Warnungen, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.] Es gab ein Machtvakuum. Es entsprach nicht dem Geist der Zeit [wow, an unverdächtiger Stelle ein Beweis für seine Existenz und seine Dialektik...], verdächtige Patres zu kontrollieren oder harte Konsequenzen gegen Missbraucher durchzusetzen. Der Ordensgründer Ignatius von Loyola hätte in seiner militärisch brutalen Sprache wohl gesagt: Es fehlte damals am Mut zum Befehlen. [Es, es es... Eigentlich heißt das: Den Jesuiten fehlte der Mut zum Befehlen.]
Der Missbrauch war politisch – und im Musterorden von Gottestreue und Kirchengehorsam [So stellt sich die ZEIT und der Kulturprotestantismus wohl bis heute die Jesuiten vor. Sancta simplicitas...] scheint es auf erstaunliche Weise nicht so viel anders zugegangen zu sein als am reformpädagogischen Musterinternat: Die Ablehnung des althergebrachten Regimes, das mit autoritärem Missbrauch einhergegangen war, führte zu einer neuen Lockerheit, die antiautoritären Missbrauch hervorbrachte. [Gesetz des Pendels nennt das P. Kentenich mal, aber den muß man ja nicht kennen. Stattdessen darf man post factum erstaunt sein.] An die Stelle übergroßer Distanz trat übergroße Nähe, an die Stelle der fatalen Schläge das fatale Streicheln. [War das nicht auch die Zeit, in der die Streicheleinheiten aufkamen? - Mal sehen, ob wir von denen noch mal ein Lebenszeichen bekommen...] So habe etwa, heißt es im Orden, der Direktor des Aloisius-Kollegs in Bad Godesberg, Pater S., seine Schule ins Zwielicht einer ästhetisch überhöhten, aber derb missbräuchlichen Atmosphäre des pädagogischen Eros getaucht.
Und wie zum Hohn bestätigt der Orden auf seiner Klausur: Im Rahmen seiner Ausbildung habe der Pater einige Zeit an der Odenwaldschule zugebracht. Damit ist die letzte Mauer zwischen beiden Skandalen durchbrochen, die zwischen konfessionell-katholisch und reformerisch-kulturprotestantisch: Es gab eine Verbindung zwischen beiden Welten des Missbrauchs, sie hieß Pater S., ein Jesuit.
Die Missbraucher mögen profitiert haben vom fehlenden Mut ihrer Oberen zum Befehl. Die machthabenden Vertuscher dagegen konnten sich stützen auf ein Zuviel an Gehorsam ihrer Untergebenen."
Wetten daß davon nicht viel in der Kirchenpresse zu lesen sein wird? Daß ZdK und BdkJ, daß Glück undTänzler davon eisern schweigen werden?
25. April 2010
Die Jesuiten und die Schattenseiten von 68
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2 Kommentare:
Das paßt ja zu den Aussagen des zur Zeit in Würzburg (IMHO zu Unrecht) Beschuldigten Minoriten, der ja in 1970ern Rektor eines Kollegs in Bonn war und meinte, man habe ja damals Distanz abbauen sollen.
Das genaue Zitat war:
"Ich habe einen Jungen bestimmt einmal in den Arm genommen. Gerade in den 70er Jahren sollten die Kirchen ja ihre Körperfeindlichkeit ablegen. Aber Küsse auf den Mund gab es nicht."
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