17. Februar 2011

Auch der beste Gaul stolpert mal

Also, ich bin ja der Meinung, daß Margot Käßmann den Preis der "Europäischen Kulturstiftung Pro Europa" ruhig hätte annehmen sollen.

Die Annahme selbst wäre nämlich der finale Akt ihrer Zivilcourage gewesen und damit in sich selbst hoch performativ.

Man lese sich nur einmal auf der Homepage der Stiftung den wunderbaren Text durch, mit dem die "Aussetzung" [sic!] der Preisverleihung erklärt wird. Es wimmelt da nur so von herrlichen Blüten voller Stammtischlyrik, die in eine modische Kurzhaarfrisur sich stecken zu lassen tatsächlich ein ganz exzeptionelles Maß an Zivilcourage erfordert:

"Für ihr Lebenswerk war sie schon lange als künftige Preisträgerin vorgesehen. Als die Alkohol-Fahrt der Landes-Bischöfin bekannt wurde stellte sich für uns die Frage, ob ihr Fehler ihr Lebenswerk entwürdigt und die Seelsorgerin unwürdig für eine Preisverleihung macht. Dabei war zu bedenken, dass es keinem Menschen dieser Welt möglich ist, absolut rein und ohne jeden Fehler durchs Leben zu gehen. Auch der beste Gaul stolpert bekanntlich einmal."

"Mit ihrem sofortigen Rücktritt zeigte sie Reue und verdient Vergebung. Die Stiftung war der Meinung, dass Gnade nicht nur göttlich ist: Sie ist auch eine Stütze der Gerechtigkeit."

"Viele von uns waren bereits einmal an einer Veranstaltung und sind mit etwas zuviel Alkohol nach Hause gefahren, ohne erwischt zu werden. Deswegen sollten wir nicht selbstgerecht sein und mit dem Finger auf den Balken im Auge der Anderen zeigen."

"Die Altbischöfin hat uns nach Protesten nun gebeten, von einer Preisverleihung abzusehen; die Stiftung hat daraufhin beschlossen, die Preisverleihung auszusetzen und nach einer anderen Gelegenheit zur Würdigung des Lebenswerkes von Frau Dr. Käßmann zu suchen. Wir hoffen, die blinden Kritiker, die nur auf den Fehler starren und dabei das Gute nicht mehr sehen, mögen noch erkennen, dass vergeben göttlich ist. Besonders bei Betrachtung des persönlichen Schicksals der Altbischöfin."

Das alles, vom stolpernden Gaul über die sehr spezielle Gnadentheologie und den eigenen Blutalkohol bis zu den "blinden" Kritikern, die starren und doch nicht sehen, ist so geradeheraus, so unbekümmert dahingesagt, so ganz ohne Stolpern - das ist entweder blutige Satire oder schlichter Ernst. So oder so aber wäre die Annahme eines Preises ein Hoheslied auf die Zivilcourage gewesen. Das zu hören entgeht uns für jetzt. Aber ausgesetzt ist ja zum Glück nicht abgesetzt. Und der beste Gaul bekommt auch mal wieder Futter.

(Mit Dank an Harki)

4 Kommentare:

Gabriel hat gesagt…

Warten wir mal ab, ob "Dr." Guttenberg morgen zurücktritt! Alles andere wäre: senza parole...

Akatair hat gesagt…

Dieses Gremium gibt sogar zu, dass es gar nicht jemanden sucht, um ihn für etwas zu ehren (Zivilcourage nämlich), sondern etwas sucht, mit dem es jemanden ehren kann (nämlich Altbischöfin Käßmann). Vielleicht sollten dann den Preis umbenennen? Die diesjährige Käßmann-Würdigung in der Sparte ....

Braut des Lammes hat gesagt…

Diese Wortwahl ist ja exzellent. Also, "Gaul" hätte ich jetzt niemals angewandt, auf wen auch immer. Warum nicht gleich "Mähre"?

Robert hat gesagt…

Das "mit dem Finger auf den Balken im Auge der Anderen zeigen" ist ja wirklich nicht eben schön. Die Formulierung ist aber doch recht gelungen!