"Es gibt noch eine dritte Markierung auf dem Bekehrungsweg des hl. Augustinus. Nach seiner Priesterweihe hatte er sich Urlaub erbeten, um die heiligen Schriften gründlicher studieren zu können. Seine erste Predigtreihe nach dieser Besinnungspause handelte von der Bergpredigt, in der er den neu von Christus gezeigten Weg des rechten Lebens, »des vollkommenen Lebens« auslegte – als die Wanderung auf dem heiligen Berg von Gottes Wort. In diesen Predigten ist noch der ganze Enthusiasmus des neu gefundenen und gelebten Glaubens zu spüren: die feste Überzeugung, daß der Getaufte, der ganz der Botschaft Christi gemäß lebe, eben »vollkommen« im Sinne der Bergpredigt sein könne.
Ungefähr 20 Jahre später hat Augustinus ein Buch unter dem Titel Retractationes geschrieben, in dem er seine bisherigen Werke kritisch sichtete und da Verbesserungen vornahm, wo er inzwischen Neues gelernt hatte. Da bemerkt er zum Vollkommenheitsideal seiner Predigten über die Bergpredigt: Inzwischen habe ich erkannt, daß nur einer wirklich vollkommen ist und daß nur in einem die Worte der Bergpredigt ganz erfüllt sind: in Jesus Christus selbst.
Die ganze Kirche aber – wir alle, die Apostel eingeschlossen – müssen jeden Tag beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern (vgl. Retr. I,19,1–3). Augustinus hatte eine letzte Demut gelernt – nicht nur die Demut, sein großes Denken dem einfachen Glauben der Kirche einzufügen, nicht nur die Demut, seine großen Einsichten in die Einfachheit der Verkündigung zu übersetzen, sondern auch die Demut anzuerkennen, daß er und die ganze pilgernde Kirche immerfort der barmherzigen und täglich vergebenden Güte Gottes bedürfen und daß wir dann Christus, dem einzig Vollkommenen, am meisten ähnlich werden, wenn wir wie er zu Menschen der Barmherzigkeit werden."
25. Mai 2007
Menschen der Barmherzigkeit
Der Papst erzählt von seinem Lieblingsheiligen (Predigt am 22. April in Pavia - via Zenit.org:
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