21. Mai 2007

Déjà vu

Hermann Ebert in den Stimmen der Zeit, Februar 1966 (S. 104f):
"Noch selten im Laufe seiner Geschichte scheint der Absolutheitsanspruch des Christentums so fragwürdig gewesen zu sein wie heute. Schon die Anerkennung eines höchsten Wesens scheint vielen Menschen trotz besten Willens unmöglich zu sein...

Aber auch dort, ja vielleicht gerade dort, wo an etwas, beziehungsweise an dem Absoluten festgehalten wird, empfindet man den Gedanken besonders schwer vollziehbar, daß sich dieses Absolute an einer bestimmten Stelle unserer Geschichte an einem bestimmten Ort unserer Erde in kontingenter Weise in einem Menschen geoffenbart haben soll...

Das größte Hindernis für die Anerkennung der Möglichkeit einer geschichtlichen Offenbarung des Absoluten im Christentum bildet jedoch der dem Menschen in unserem planetarischen Zeitalter sich immer stärker aufdrängende Pluralismus der Religionen und damit der Erfahrungen eines Absoluten. Daher fällt es dem modernen Menschen schwer, an eine einzige, für alle gültige geschichtliche Offenbarung des absoluten und transzendenten Gottes in Jesus Christus zu glauben."
Jan Heiner Tück in der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio, März/April 2007 (S. 95):
"Die Krise der Kirche, die wir in den entwickelten Ländern des Westens nach wie vor beobachten, ist mit pastoralstrategischen Mitteln allein nicht zu lösen. Es ist eine Krise, die in das Zentrum des christlichen Glaubens hineinreicht. Sie betrifft zunächst das Bekenntnis zu Gott. Der aufgeklärte (oder sich für aufgeklärt haltende) Zeitgenosse - auch intra muros ecclesiae - tut sich schwer mit der Vorstellung, daß Gott in der Geschichte gehandelt haben könnte. Sein Glaube ist von einem latenten Deismus angefressen, der auch die Wahrnehmung der Gestalt Christi nicht unbeeinträchtigt lässt. (...) Daß sich der unendliche Gott in diesem endlichen Menschen ein für alle mal ausgesprochen haben soll, das scheint dann doch ebenso fraglich wie die Überzeugung, daß das Leben und Sterben dieses Einen für alle anderen Bedeutung - Heilsbedeutung - haben soll."
Inhaltlich hat sich an der Diagnose nicht viel geändert, auch wenn sich die Texte mit Hilfe der jeweiligen Modewörter datieren lassen: "planetarisch", "moderner Mensch", "transzendent" in den 60er Jahren, "pastoralstrategisch" und "aufgeklärter Zeitgenosse" vierzig Jahre später.

Und nicht einmal daß Tück mit seinem Editorial das Themenheft "Christus und die Religionen" eröffnet, ist ein Alleinstellungsmerkmal fürs 21. Jahrhundert - wo doch Ebert mit Sixties-Elan die ontologische Struktur des menschlichen Geistes unter Dauerbezug auf Karl Rahner transzendentalphilosophisch/-theologisch analysiert: In den benachbarten Heften der "Stimmen" finden sich genügend Artikel über den jüdisch-christlichen Dialog, das Gespräch zwischen Asien und der Kirche und - aus der Feder von Kardinal Bea - die Konzilserklärung Nostra Aetate. Nicht sehr viel Neues unter der Sonne also, stattdessen die alten Fragen, die sich nur immer wieder neu stellen. Und die Befragten, die sich überlegen müssen, wie sie zum Dominus Iesus stehen und wie sie ihn ihren nichtchristlichen Menschenbrüdern und -schwestern erklären und nahe bringen.

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