"Vermutlich wird Papst Benedikt bald die Erlaubnis geben, die Eucharistie wieder häufiger im überlieferten oder klassischen oder tridentinischen Ritus zu feiern. Es wäre aber völlig falsch, wenn sich die Katholiken darüber in die Haare kämen, die einen voll Freude über diese Rückkehr, die anderen voll Ärger."- D'accord. Wobei dann nicht die im Unrecht sind, die sich darüber freuen, wohl aber die, die "voll Ärger" polemisieren und protestieren und überhaupt den nächsten rollback befürchten. Im Unrecht und völlig falsch sind weiterhin auch jene, die diesen Schritt als Sieg des alten über den neuen, des ewig-gültigen über den postkonziliar-vergänglichen Ritus ansehen und feiern.
"Der Papst will die alte Liturgie keineswegs allgemein einführen oder dazu verpflichten. Er ist nur der Überzeugung, dass das Verbot dieses klassischen Ritus nach dem Konzil der kirchlichen Tradition widerspricht, denn Riten werden seiner Überzeugung nach zwar fortentwickelt, aber nicht einfach abgeschafft."Das stimmt wohl, aber von den Schriften des Kardinal Joseph Ratzinger her hat BXVI noch andere Intentionen, nämlich die einer heilsamen Rückwirkung des überlieferten auf den neuen Ritus, wie ich es hier einmal anzudeuten versuchte. Mag sein, daß dieser Gedanke den Kontinentalkatholiken aufgrund alter Frontstellungen fern liegt - er findet sich aber in Schriften z.B. englischer Theologen wie Aidan Nichols OP oder Jonathan Robinson.
"Es dreht sich bei dem Ganzen vor allem nicht ums Latein und um die Zelebration mit Rücken zum Volk. Denn beides kann auch im neuen Ritus geschehen."- Kann wohl, passiert aber fast nie. Im Gegenteil, Latein und Zelebration zum (liturgischen) Osten hält die Mehrheit in ihrer Unwissenheit für unvereinbar mit dem neuen Ritus. Ja: zum Osten, ad orientem, nicht "mit Rücken zum Volk", lieber Pater.
"Die genauen Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Ritus sind minimal und fast überhaupt nicht zu erkennen, wenn der neue Ritus – wie erlaubt und gewünscht - auf Latein gefeiert wird und sogar mit dem Rücken zum Volk."- Diesem Satz würden außer den Traditionalisten vor allem nicht die Messreformer aus den 60ern, den 70ern und allen anderen nachkonziliaren Jahrzehnten zustimmen.
"Unser eigentliches Problem jedenfalls in Europa ist meines Erachtens, dass Gläubige heutige Messfeiern manchmal zu banal finden, zu wenig vom Mysterium geprägt – manchmal auch in den Riten zu beliebig."- Manchmal? Manchmal oft! Auf jeden Fall zu oft. Aber wie war das noch eben mit den marginalen Unterschieden zwischen beiden Riten? Woher dann diese Beliebigkeit, trotz aller päpstlichen Ermahnungen, trotz Redemptionis Sacramentum, trotz der Worte der Deutschen Bischofskonferenz zur rechten Feier der Gottesdienste?
"Daher wünschen sich vor allem Christen mit Stilgefühl wieder mehr klassische Verbindlichkeit und das Mysterium. Dahinter steht vermutlich auch eine Sehnsucht nach dem verbindlich hochstehend Europäischem."- Hier klingt es wieder an: das Killerargument: Nur eine aussterbende, überkultivierte Oberschicht mit "Stilgefühl". Aber vielleicht sind es ja wirklich nur noch wenige, die wissen, daß das katholische Christentum und katholische Liturgie Architekten und Baumeister, Komponisten und Dichter, Schriftsteller und bildende Künstler zu Meisterwerken getrieben und beflügelt hat? Vielleicht sind es - und wenn es stimmt, ist es wahrhaft schrecklich - wirklich ein paar kulturelle Eliten, die sich nach Schönheit sehnen? Schönheit, auch liturgische Schönheit als Geburtsrecht eines Katholiken, einer Katholikin?
"Damals wusste man: eine katholische Messe wird von Lissabon bis St. Petersburg überall gleich gefeiert. Man war vor Überraschungen sicher."- Überraschungen, die auf das Konto der aktuellen Laune, der Individualtheologie des Zelebranten, des Lektors, der lokalen Liturgiekreise gehen. Überrschungen, die uns das Konzil ersparen wollte.
"Aber geben wir es zu: Millionen haben damals nur brav und auch gläubig teilgenommen, aber fast nichts verstanden und daher Rosenkranz gebetet. Nur deutsche Intellektuelle hatten den Schott, den es in anderen Ländern nicht gab."- Ich besuche nachher meinen Vater, 1934 geboren, Hauptschulabschluß, Papiermacherlehre, Pfadfinder, musikalisch interessiert, dichterisch begabt, aber leider nicht in einer begüterten oder gebildeten bürgerlichen Familie groß geworden, sondern als Sohn eines Industriearbeiters, eines Invaliden aus dem Ersten Weltkrieg. Ich werde ihm sagen, daß er ein "deutscher Intellektueller" war, denn einen Schott hatte er!!!!!
"Der Wunsch, die Messe aktiv und verstehend mitzufeiern, ist gut und wichtig. Daher kommt es meines Erachtens heute nur darauf an, dass wir Priester wieder lernen, das Mysterium richtig zu feiern, sodass Glaube, Herz und Verstand gleichzeitig angesprochen werden."- D'accord. [Nachtrag am 29.1.: Nicht d'accord, denn ich hatte das "nur" überlesen. Inzwischen sind so viele falsche Erwartungen geweckt worden, so viele (imho) schlechte Gewohnheiten eingerissen, daß die "Reform der Reform" oder wie P. von Gemmingen wahrscheinlich sagen würde: "die rechte Implementierung der Reform" von den Priestern allein nicht geschultert werden kann. Und schon gar nicht in überschaubarer Zeit.]
"Wenn wir dann freilich einen Blick in die wachsenden Kirchen Afrikas und Asiens werfen, dann ist die Frage nach der richtigen Messfeier in Europa nur ein Nachhutgefecht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass in den jungen Kirchen sich jemand nach dem alten Ritus sehnt."- Kann ich nicht beurteilen, der Pater vom Radio Vatikan wird's schon wissen. Aber mit Philip Jenkins bin ich für Überraschungen offen, besonders für solche, die auch P. von Gemmingen SJ überraschen...
Naja, liebe Leute, mit der Liturgie jedenfalls haben sie's nicht so, die Jesuiten.
3 Kommentare:
Danke für den Kommentar zum schwachen Wochenkommentar, den ich im Radio hörte. So muß ich ihn nicht selber schreiben. Bin vollkommen einverstanden. Ein Lutheraner.
zum Schlußsatz:
das hätte mich auch völlig überrascht. Jungmann war glaube ich nur irrtümlich Jesuit;-))
Dazu passend aus einem Bericht über eine Liturgietagung der SJ 2002:
"Mehrere Referenten erinnerten daran, dass Liturgie eine gemeinsame Form des Gebets und keine Bühne für die Frömmigkeit einzelner Teilnehmer, etwa des Zelebranten oder der Gemeindemitglieder, ist. Der Jesuitenpater Robert Taft stellte fest, dass die liturgische Realität innerhalb der Gesellschaft Jesu sehr zu wünschen übrig lasse, obwohl der Orden hervorragende Liturgiker hervorgebracht habe. Ignatius von Loyola habe Wert darauf gelegt, dass kein gemeinsames Stundengebet stattfinde, um den Ordensmitgliedern Freiräume für die Seelsorge zu schaffen. Taft äußerte seinen Unmut über die „weitgehend privatisierte eucharistische Praxis“ unter den Jesuiten, von denen viele die heilige Messe für sich zelebrierten. Private Vorlieben seien kein ausreichender Grund für den Verzicht auf die Feier der heiligen Messe mit der Gemeinde." (Tagespost
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