2. Januar 2007

More is better, Standby, Multitasking oder was?
Ein sehr laienhafter Versuch über die "tätige Teilnahme"


Martin hat das Thema der "actuosa participatio", der "tätigen Teilnahme" oder in der Vollform von Art. 14 der Liturgiekonstitution: der "vollen, bewußten und tätigen Teilnahme" "aller Gläubigen" "an den liturgischen Feiern, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk (...) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist", vor ein paar Wochen wieder aufgegriffen und jeder von uns Gottesdienstbesuchern hat mindestens allsonntäglich immer neu damit zu tun.

Wir wissen, daß die tätige Teilnahme beileibe keine Erfindung des Konzils ist und wohl auch keine der Liturgischen Bewegung. Erstmalig wurde der Begriff vom hl. Papst Pius X. gebraucht in einem offiziellen Dokument gebraucht, und Romano Guardini hat sie schon 1929 in einem - wohl liturgisch noch nicht runderneuerten - Ostergottesdienst in Monreale live erlebt.

Aber wie kann diese Teilnahme denn nun ganz praktisch aussehen?

Zu kurz springt imho das landläufige und auch in mittleren kirchlichen Beamtenkreisen verbreitete Denken des "The more, the better", und zwar in den Varianten "Je mehr Leute etwas tun, desto aktiver nimmt die Gottesdienstgemeinde teil" und "Je mehr verschiedene Dinge der Einzelne tut, desto aktiver nimmt er teil": Wenn fünf Leute je eine Fürbitte vorlesen, wäre das sozusagen fünfmal mehr tätige Teilnahme als wenn einer allein das tut. Die Gegenrechnung besteht ganz schlicht darin, daß sich die Aufmerksamkeit der anderen - sagen wir: 100-200 - Gottesdienstbesucher nicht nur einmal wieder von der Rocklänge, der neuen Brille oder dem Sprachfehler des Vorbeters auf die Bitte an sich wenden muß, sondern das nun genau fünfmal tun muß und bestimmt einige Male kläglich scheitert. Hier geht also innere Aufmerksamkeit verloren auf Kosten äußerer Aktivität (die auch nicht automatisch mit innerer Aufmerksamkeit des Lektors oder Vorbeters einhergeht).

Ein anderes Beispiel: Das Dritte Kinderhochgebet enthält dreifach die Akklamation "V: Gott, du bist gut. - A: Wir loben dich, wir danken dir." (Beiseite lassen wir die Frage, wer hier V: ist und auch die interessante Frage, ob eine simple, banale Sprache kindgemäß ist...) Nehmen die antwortenden "Alle" aktiver teil als bei den Kinderhochgebeten 1 und 2, oder gar den anderen Hochgebeten? Ermöglichen Priester, die die vorgegebenen Hochgebeten unerlaubterweise mit Akklamationen versehen, ihrer Gemeinde eine aktivere Teilnahme am Gottesdienst - im Sinne des Konzils?

"Aktive Teilnahme" kann aber unmöglich auch darin bestehen, durchgehend vom Eingangslied bis zum Schlußakkord aufmerksam dem Wort der Liturgie incl. der Gemeindegesänge zu folgen. Das haben vor 30 Jahren schon die kleinen Ministranten erkannt, als sie mich als ihren Gruppenführer fragten, ob es denn schlimm sei, wenn sie während des Hochgebetes „nebenraus“ dächten und nicht aufmerksam bei der Sache seien. Die Einführung der Volkssprache in die Liturgie – zum Zwecke der besseren Verständlichkeit und besseren Aneignung der Inhalte – fordert als ihr Gegenstück von den Teilnehmern doch auch ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit. Oder nicht? Da, wo sich der einzelne Beter in der „alten“ Messe auf mangelnde Lateinkenntnisse zurückziehen konnte, bleibt ihm diese Ausrede nun nicht mehr. Doch eine gute Stunde verschiedenen Gebeten (incl des durchaus langen Hochgebets), bis zu drei Lesungen, einer Predigt und 15 Liedstrophen zu folgen – nicht nur mit der Zunge, sondern mit dem Herzen – das kann keiner.

Was also bleibt uns? Ich vermute, dass manche in einen liturgischen Standby-Modus gehen: Der Priester zelebriert weiter, die liturgischen Helfer erfüllen ihre Dienste, die sangesfreudigen Gemeindemitglieder singen laut weiter, doch selber geht man in eine Art Ruhezustand, an dem die äußeren Aktivitäten abperlen und aus dem man rechtzeitig zum Schlußlied wieder hochfährt. Evtl. sind aktive Phasen auch zur Wandlung und/oder zur Kommunion möglich. Erfahrene Gottesdienstbesucher schaffen es sicher, das Vaterunser mechanisch mitzubeten, ohne den Standby-Modus zu unterbrechen. Im Sinn des Konzils und der Liturgie ist das natürlich nicht.

Ein anderer Modus ist seit der Meßreform aus der Übung gekommen, von dem uns jedoch zu Abschreckungszwecken immer noch erzählt wird: das liturgische Multitasking. Hierbei laufen parallel verschiedene Aktivitäten ab, einmal beim Priester mitsamt liturgischen Helfern, der die Messe feiert, und dann beim Volk, das sich eigenen Gebeten hingibt, vor allem, so heißt es, dem Rosenkranzgebet. Diese Aktivitäten kommen einander nicht in die Quere, da sie auf verschiedene Resourcen zugreifen. Man nimmt es eher selten wahr heutzutage – schon für die diesbezügliche Ermahnung von Paul VI. in „Marialis Cultus“ (1974) konnte ich damals in meiner Umgebung keinen Sitz im Leben mehr wahrnehmen.

Grundlegend für eine „tätige Teilnahme“ ist imho, dass eines klar ist: Nicht ich mache hier Liturgie, nicht die Gemeinde, auch nicht der Priester; sondern wir alle, jeder in seiner Funktion, nehmen teil an einem Geschehen, das uns vorausgeht und uns übersteigt. Es ist die himmlische, ewige Liturgie, wie sie uns in der Geheimen Offenbarung des Johannes mehrfach beschrieben wird und auf die sich die Gebete der Messe durchaus explizit immer wieder beziehen, und wie sie sich in den Ereignissen der Drei Heiligen Tage von Jesu Leiden und Auferstehung irdisch realisiert hat. (Zum Wiederlesen für mich selbst an dieser Stelle: Scott Hahns "The Lamb's Supper" / "Das Mahl des Lammes")

Dann aber ist die eigentliche Aufgabe, diesem Geschehen „gleichzeitig“ zu werden. Das Geschehen wird hörbar in den Lesungen, in der Präfation, im Sanctus, im Hochgebet – und sichtbar in Leib und Blut Christi und den verschiedenen Symbolen und Handlungen. Wir können es riechen im Weihrauch, wir können es betasten in der eucharistischen Materie, aber auch in den Händen des Nachbarn beim Friedensgruß.

Für mich ist dieses „Gleichzeitigwerden“ eher ein Assoziieren der liturgischen Worte und Taten, ein Horchen auf das, was in mir wach wird, wenn ich sehe, höre, berühre, rieche, schmecke, schaue, ein inneres Nachgehen, ein allmählich vorwärts schreitendes Bedenken, das immer wieder bewußt „auftaucht“ in die aktuell vor mir sich vollziehende liturgische Handlung, dort mitgeht – und sich dann auch wieder Zeit nimmt zum eigenen,persönlichen Eindringen, das dann dem momentanen Geschehen nicht mehr bewußt folgt. Ich interagiere mit dem liturgischen Geschehen – und das liturgische Geschehen interagiert mit mir. Ich bin Teil des ganzen, gehe den Weg vom ersten Kreuzzeichen zum letzten Amen - ohne voll zu verschmelzen, sondern indem ich mich ein- und aus- und ein- und aus- und ein-schalte.

Ich finde kein Bild, um das einigermaßen passend zu beschreiben; dafür ist es zu spät heute. Nennen wir es einmal und nur für jetzt: liturgisches Grid-Computing: Ich stelle mich, meine Sinne, meine Vorstellungskraft, meine Aufmerksamkeit der Liturgie zur Verfügung und lasse mir von ihr die Themen vorgeben, die ich in Gebet, Gesten, Singen, Schauen, Essen … abarbeite. Und bin damit einer von vielen, die gleichzeitig in diesem Grid aktiv sind und zur umfassenden Liturgie beitragen, zum Geschehen, von dem uns das Evangelium in den Passions- und Ostergeschichten berichtet und von dem wir mit dem Seher Johannes etwas ahnen dürfen.

(Und damit sei für heute Schluß!)

1 Kommentar:

Norbert hat gesagt…

Also von aktiver Teilnahme am Gottesdienstgeschehen konnte nur in Ausnahmen in der alten Messe die Rede sein. Der Priester las die Messe, oft unverständlich gemurmelt, die Meßdiener leierten die Gebete, die sie teilweise selbst nicht verstanden.

Meine zahlreichen Verwandten beteten halt den Rosenkranz, sie waren halt keine Akademiker, und in meinem ersten Jahr als Meßdiener habe ich das Stufengebet (leider) ohne es zuverstehen, da kein Lateiner, heruntergerattert.

Also bitte - seid ehrlich - in der alten Messe war die tätige Teilnahme wirklich die Ausnahme.