29. Januar 2007

Schönheit, Zufriedenheit und die Religionen

Martin Mosebach in der Tagespost über mehr als nur (s)ein Thema:

"Tagespost: Goethe schreibt Muslimen ein unverklemmtes Verhältnis zur Tradition zu und lässt Hafis sagen: „Weil in glücklichem Gedächtnis/ Des Korans geweiht Vermächtnis/ Unverändert ich bewahre.“ Sind traditionsbewusste Gläubige zufriedener mit ihrer Religion?

Mosebach: Zufriedenheit ist, glaube ich, kein typischer Gemütszustand des traditionsbewussten Gläubigen. Beunruhigung und Unglück über die eigene Unvollkommenheit, Sehnsucht nach der Erlösung aus den irdischen Fesseln, Leiden an Gottes Ferne und Glück über Gottes Nähe – das sind die Elemente, aus denen sich die Gemütszustände traditioneller Frömmigkeit mischen.

(...)

Tagespost: In Ihrem indischen Reisetagebuch vom 18. 9.2006 schreiben Sie: 'Die inzwischen der ganzen Welt bekannte Frage des Kaisers Manuel Paläologos, was Mohammed der Welt denn Neues gebracht habe, könnte beim Anblick von Qutb Minar die Antwort erhalten: ,Auf jeden Fall große Architektur.‘ Ist Schönheit nicht auch ein wichtiges religiöses Argument?' Und die anderen Argumente?

Mosebach: Man tue nicht so, als ob die Schönheit ganz selbstverständlich ein religiöses Argument wäre – im Westen, zumal im protestantisch geprägten Deutschland jedenfalls nicht. Schönheit wird in den religiösen Milieus Deutschlands mit stumpfem Widerwillen betrachtet oder hämisch denunziert. Wenn die religiöse Wahrheit, dass Schönheit eine Eigenschaft und Wirkungsform Gottes ist, in unserer Sphäre wirklich begriffen worden wäre, hätten die Verwüstung der Liturgie, die Schändung unzähliger Kirchen bis jüngst die des Freiburger Münsters und die Katastrophe der neuen religiösen Musik niemals stattfinden können. Ich vermag die makellose Schönheit der roten Moschee oder des Grabes von Humayun in Dehli nur als Zeugnisse göttlicher Inspiration zu begreifen. Welche Konsequenz ergibt sich daraus theologisch? Die Antwort auf diese Frage interessiert mich offen gestanden nicht besonders. Dazu ist mein Eindruck von dieser evident gottgewirkten Schönheit zu stark."

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