John Lamont referiert in First Things (April 2010) die (mir bisher nicht bekannte) Rational Choice-Schule der angelsächsischen Religionssoziologie und schließt seinen Artikel so:
"Benedict XVI has made some movement toward a revival of Catholic distinctiveness by encouraging traditionalism, but the rational-choice theory does not predict that this will cause a general revival within the Church.
What will be necessary for such a revival is for strict standards to be required, not just permitted. This, however, would be antithetical to the pope's approach, which focuses on gentle persuasion. On a brighter note, Benedict's attempts to clarify the teachings of the Second Vatican Council open possibilities. In the decades since the council, its teachings have been widely understood as mandating an abandonment of Catholic distinctiveness and a virtual surrender to the modern secular world. What is needed now, in contrast, is an interpretation of council teachings that rejects the currently prevailing understanding and upholds traditional Catholic distinctiveness. If such an interpretation is not vigorously enforced as well as promulgated, however, no Catholic revival is to be expected. Instead, the pressures of secularism and competing religions will continue to erode Catholic membership. This is what the supply-side analysis predicts, and its predictions cannot be faulted so far. In short, if the Catholic Church is to thrive, a revival of zeal and reimposition of discipline within it is urgently necessary."
Allermindestens ein Ansatz, der die Enge der deutschen Debatte sprengt - In der es meist nur die Optionen liberal-aufgeklärt-angepasste Volkskirche oder kleine Herde besonders Eifriger gibt.
16. Mai 2010
Religionssoziologisches zur Lage der Kirche
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4 Kommentare:
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Auch wenn ich die Sprengkraft der Lamontschen Zeilen eher im Bereich "Knallfrosch" verorten würde :) - erlaube mir, um diese Frechheit zu rechtfertigen bitte eine Frage und zwei Kommentare:
1.) Wie betrifft Lamonts Texts denn aus Deiner Sicht die (tatsächlich oft falsch gesetzte) Differenz "Volkskirche/Minderheitenkirche"? Ich glaube, dass diese Dichotomie, die Du gesprengt siehst, zwar eng ist, aber weder typisch deutsch noch gesprengt - vielleicht liegt es daran, dass ich nicht verstehe, wie Lamonts Argument diese Unterscheidung betrifft.
2.) Lamont macht (neben dem grundlegend relativisierendenm, der ja leider schon "Soziologie-immanent" ist)!) einige schwerwiegende philosophische Fehler, finde ich, die seine Argumentation zersetzen: Er legt zum Beispiel m.E. die Begriffe "Papst" und "Kirche" zusammen. Und er verwendet viele Begriffe, ohne sie klar zu definieren. Was heisst denn zum Beispiel "strict standards" in diesem Kontext? Achtung der Sakramente, Mundkommunion oder Habitzwang? Das wünsche ich mir besser durchdacht und sauberer erklärt, denn dann müsste Lamont auch seine Argumentation bereinigen und schärfer differenzieren (besonders auch vis-a-vis dem Universalitätsanspruch der Kirche).
3.) Die These, dass ausgerechnet die "Supply-Side Theorie" uns verrät, eine Renaissance der katholischen Kultur sei ohne Grenzen (cultural boundaries, Spielregeln) nicht möglich, überzeugt mich ehrlich gesagt null. Das ist doch ein gesunder Gemeinplatz - und der Vorwurf, Gemeinplätze zu bestätigen ist eine der gängigsten Vorwürfe gegen diese Theorie. (Paul Krugman hat die "Supply-Side Theorie" grundlegender kritisiert, klar).
Am Wochenende habe ich über Papst Pius V. gelesen... den, der dafür sorgte, dass am 07. Oktober 1571 bei Lepanto Europa vor dem Islam gerettet wurde (wieder mal)... SO einen bräuchte es wohl heute. Heuliggesprochen ist er glaube ich auch. Und unter "Reform" wurde damals nicht das Aufweichen von Standards und Disziplin angesehen, sondern deren Durchsetzung. Verlottert war das Volk wohl schon immer.
Ich muss gestehen: Die in meinen Augen überzeugendste Analyse bleibt die von Grisez (in Ultrakurzform hier http://www.twotlj.org/G-1-1-3.html; sie ist übrigens ganz unabhängig von seiner von vielen Seiten abgelehnten Basic Goods-Theorie). Freilich ist sie jetzt auch schon etwas "dated". Aber in dieser Richtung müsste man vielleicht weiterdenken (und leben).
@Paul:
ad 1: Hier - und vielleicht ist es im westlichen oder anderen Ausland genauso, aber das will ich nicht beurteilen - sehe ich eigentlich immer nur eine Diskussion, daß die Kirche, wenn sie "Volkskirche" bleiben will, ihr Profil entschärfen und sich dem annähern sollte, was die "Leute" ohnehin glauben oder tun. Ansonsten würde sie zur Rest- und Minderheitenkirche besonders Eifriger. Lamont (bzw. seinen Soziologen) stellt die Frage anders herum: Wie, wenn höhere Anforderungen und eine bewußt gelebtes "scharfes" Profil letztlich zu einer nachhaltigen Attraktivität der Kirche führen, während der momentane Weg nicht unmittelbar, aber doch auf längere Sicht zu einer Kirche führen würde, zu der nur noch eine Minderheit gehören möchte und die auch gar nicht mehr sagen kann, warum Nicht-Christen/Nicht-Katholiken in sie eintreten sollten? Nicht in seiner Antwort, sondern in seiner Frage sehe ich den Fortschritt. Die Frage ist bei der großen Masse der Diskutanten nicht angekommen, noch nicht.
ad 2: Ich stimme Dir zu. Er (oder vielleicht die Soziologen, auf die er sich beruft) geht von einem Modell der Kirche aus, in dem der CEO die Strategie vorgibt, die dann in den Filialen umgesetzt wird. Stattdessen ist die Kirche aber eher ein Franchise-Unternehmen, das seinen Konzessionsnehmern und Filialleitern relativ viel Freiheit lässt bei der Angebotsgestaltung. (Wer das nicht mit der Freiheit nicht glaubt, möge mir bitte sagen, wann er in seiner Pfarrkirche die letzte Predigt gehört hat, die ihm die Lehre von Humanae Vitae einschärfte...)
Wo ich am meisten stutzte, war eigentlich seine Bemerkung, daß die meisten Belohnungen nur anderswo und mit Aufschub zu haben seien. Genau das akzeptiert bei uns kaum noch jemand. Das Jenseits, der Himmel hat seine Plausibilität verloren, genau so wie die Hölle als Gegenstück ihr Abschreckungspotential, und entsprechend muß die Religion hier und jetzt zeigen, was sie taugt.
ad 3: So ganz wie ein Gemeinplatz kommt mir nicht vor, was uns die Supply-Side-Theorie beweisen bzw. erklären will. Dafür ist es, wie gesagt, zu wenig Allgemeingut. Das typisch Katholische wird als Zierat noch akzeptiert, als Stuck im Bauhaus, aber nicht insoweit es "Stahlträger" (Berger vor Jahren) in sich hat.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie weit die Theorie trägt, und Lamont hat sie sicher zu bruchstückhaft und zu wenig stringent dargestellt.
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