Wo es gerade auf die Mitternacht zugeht und so mancher noch nicht schlafen kann, kann ich den Text, den ich gerade für jemanden lieben abgeschrieben habe, passenderweise auch für alle Blogleser hier posten. Er stammt aus Botho Strauß' Nachwort zu George Steiners "Von realer Gegenwart" und liefert einen guten Grund für Schlaflosigkeit:
"In der Feier der Eucharistie wird die Begrenzung, das Ende des Zeichens (und seines Bedeutens) genau festgelegt: der geweihte Priester wandelt Weizenbrot und Rebenwein in die Substanz des Leibs und des Bluts Christi. Damit hört die Substanz der beiden Nahrungselemente auf, und nur ihre äußeren Formen bleiben. Im Gegensatz zur rationalen Sprachtheorie ersetzt das eine (das Zeichen, das Brot) nicht das fehlende andere (den realen Leib), sondern übernimmt seine Andersheit. Dementsprechend müsste es in einer sakralen Poetik heißen: Das Wort Baum ist der Baum, da jedes Wort wesensmäßig Gottes Wort ist und es mithin keinen pneumatischen Unterschied zwischen dem Schöpfer des Worts und dem Schöpfer des Dings geben kann.
Gegenwärtig beim Abendmahl ist der reale Leib des Christus passus (d.i. im Zustand seines Todesopfers) unter der Gestalt des Brots. Das Gedenken im Sinne des Stiftungsbefehlts ("Solches tuet aber zu meinem Gedächtnis") wird dann zur Feier der Gleichzeitigkeit, es ist nicht gemeint ein Sich-Erinnern-an-Etwas.
Pascal wunderte sich, daß jemand nachts schlafen könne, wenn ihm einfiele, daß Christus für ihn am Kreuz gestorben sei. Für Kierkegaard war Christus so gegenwärtig, daß die 2000 Jahre seit seinem Tod wie ungültig daneben schienen. In der hebräischen Tradition führt der rituelle Nachvollzug eines einmaligen historischen Geschehens (die "Wachenacht") den Gläubigen in die Zeitraumvergessenheit: "In jedem Zeitalter ist jeder verpflichtet, sich so anzusehen, als sei er selbst aus Ägypten ausgezogen."
2 Kommentare:
ich könnte wahrscheinlich weniger gut schlafen, wenn Jesus NICHT für mich am Kreuz gestorben wäre...
gegenwärtig ist aber nicht nur der geopferte Leib des Herrn (passus) sondern auch der durch die Auferstehung verherrlichte und erhöhte Leib des Herrn, darum heißt es ja im röm Kanon unmittelbar auf den Einsetzungsbericht "memores igitur mortis et resurectionis sed et in caelos gloriosae ascensionis offerimus praeclari majestati tuae de tuis donis ac datis hostiam puram usw....
die einseitige Interpretation der Eucharistie als Gleichsetzung mit dem Tod Jesu ist eine Engführung;
"passio" wird häufig vom hebr. "pascha" hergeleitet und bezeichnet damit das gesamte Paschamysterium: Tod, Sieg über den Tod und Erhöhung und in logischer Fortsetzung die bereits hereinbrechende Wiederkunft (so in der Anaphora des Hl.Johannes Chrysostomus- aufgegriffen etw in Canon III :sed et praestolantes alterum eius adventum....)
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