4. Mai 2004

Gottesdienst mal anders

Setting:
eine kleine altkatholische Gemeinde in unserer Nähe, zu der vor allem jüngere ehemalige R-Katholiken mit ihren Familien gehören, die aus den üblichen Gründen (autoritäre Leitung, verkrustete Strukturen, überholte Moral, mittelalterliche Theologie etc) mit der R-Katholischen Kirche nicht mehr zurecht kamen. Die Alt-Katholische Kirche bietet hier eine angenehme Alternative: Katholisch sein ohne all die einengenden Strukturen, modern sein und doch in der "alten Kirche des 1. Jahrtausends" verwurzelt.

Anlaß:
Gemeindegottesdienst mit Taufe.

Mitwirkende:
zwei altkatholische Priester, der eine davon ehemals r-katholisch und jetzt mit Frau und Kindern; die altkatholische, recht familiäre Gemeinde mit vielen Kindern und Jugendlichen; r-katholische Verwandte des Täuflings, darunter ich, und andere Freunde der Familie.

Die Liturgie:
Nach dem gemeinsamen Kreuzzeichen gab es eine kurze Einführung, ein Gloria-Ersatzlied (dieses wie alle anderen Lieder war ein Neues Geistliches Lied (NGL), wurde durch 4 Gitarren begleitet und komplett durchgesungen) und statt Lesung eine zur Taufe passende (?) Geschichte. (Inhalt: Ein Mann begegnet einem Einsiedler, von dem ein wundersames Licht ausgeht und die ganze Natur ringsum erleuchtet. Auf die Frage des Mannes, wie das gehen könne, erzählt der Einsiedler von seinem Vorgänger, der ihm eine Flamme aus seiner Brust eingepflanzt habe und die er selber jetzt in sich wirken lasse. Eine solche Flamme - das Göttliche in uns - sollten wir Anwesende heute und alle Tage dem kleinen Täufling einpflanzen - er selber solle sich von unserer Liebe getragen wissen.)

Dann kam das Evangelium (Jo 21) in der Kinderbibelvariante und die Taufe, die die üblichen Zeichen (Wasser, Kreuzzeichen, Kerze, Chrisam) beinhaltete, in einer zum Rest passenden Interpretation. Anschließend betete die Gemeinde ein vom Priester formuliertes und mit Glaubensbekenntnis" tituliertes Gebet. ("Jesus, Du bist ein Mensch, von dem ich fasziniert bin, von dem ich nicht mehr loskomme, auch wenn ich oft an Dir zweifle. Ich frage mich immer wieder, was es eigentlich ist, was mich so an Dir festhält (...) dass in Dir das Göttliche im Menschen wieder spürbar wurde. - Amen")

Nach einer kurzen und unrituellen Gabenbereitung stellte sich die Gemeinde zum Sanctus (=Loblied) und Hochgebet um den Altar. Dieses war erwartungsgemäß umgangssprachlich formuliert und brachte interessanterweise die Epiklese ("Sende herab Deinen Geist, dass sie uns werden ...") nach den Einsetzungsworten.

Netterweise durften zwei Kinder beim "Durch ihn und mit ihm" Kelch und Patene halten. Der Friedensgruß nach dem Vaterunser war komplett: jede(r) wünschte jeder/m den Frieden - ein Gewusel rund um den Altar. Die Einladung zur Kommunion nahmen bis auf Yours Truly und die Kleinkinder alle Anwesenden an. Für die Kommunion unter beiderlei Gestalten wurde der Kelch mit den Worten gereicht: "Jesus begegnet dir im Wein", gekoppelt mit einem freundlichen Blick des Zelebranten. Dann tauchte ein/e jede/r die erhaltene Hostie ein.

Was mit dem übrigen Wein und den restlichen Hostien geschah, vergaß ich ganz zu beobachten - aber wahrscheinlich wurden sie von den beiden Priestern verzehrt. Von beidem gab es noch reichlich, und die Kirche war keine altkatholische...

Nach einigen weiteren NGL und dem Segen endete die Eucharistiefeier.

Bemerkenswert war ganz allgemein die geschlechtsneutrale Sprache ("Christinnen und Christen"), die Abwesenheit von Stille, das Verschwinden von Ritus und Ritualen bis auf einige grundlegende Zeichen, die Minimalisierung der Gebetshaltungen (durchgehend Sitzen, Stehen bei Taufe und Hochgebet), eine auffällige Ungezwungenheit und Spontaneität, und die Rolle der Priester als Mischung aus Animateur, Ansager und Gebetsleiter.

Mein Fazit war, daß hier für viele der Teilnehmer eine Utopie wahr wurde, nämlich ein ganz und gar menschengemäßer und menschengemachter Gottesdienst. Konsequent waren lehrhafte oder gar dogmatische Elemente verschwunden - nicht ganz erstaunlich für eine Kirche, die ja gerade in diesem Punkt ihren Weg begann. Daß wir es dabei nicht mehr mit "Altkatholiken" zu tun haben, die "die die neuen Glaubenssätze (Dogmen) von der Unfehlbarkeit des Papstes und seinem Jurisdiktionsprimat aus ihrem Gewissen heraus nicht annehmen konnten, sondern beim alten Glauben blieben", sondern mit Katholiken des neuen Stils, die die Berufung auf die altchristliche Vielfalt zum Vorwand nehmen, ein Oberflächenchristentum zu entwickeln und zu praktizieren - auf dieser Klärung zu bestehen, wäre beckmesserisch.

Vielleicht sollte die R-Katholische Kirche doch froh sein, daß es "Redemptionis Sacramentum" gibt...

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