30. Juni 2003

Kolakowskis Vision

"Es geht uns um die Vision einer Welt, in der die am schwersten zu vereinbarenden Elemente menschlichen Handelns miteinander verbunden sind, kurz, es geht uns um Güte ohne Nachsicht, Mut ohne Fanatismus, Intelligenz ohne Verzweiflung und Hoffnung ohne Verblendung. Alle anderen Früchte des philosophischen Denkens sind unwichtig." (Leszek Kolakowski: Der Priester und der Narr, 1959, zit. aus: ders.: Neue Mini-Traktate über Maxi-Themen, S. 117)
Neuer Google-Toolbar mit BlogThis-Funktion

Google hat einen neue, verbesserte Version des Google Toolbar im Beta-Test: mit BlogThis-Button, Pop-Up Stopper und Autofill.

28. Juni 2003

Walker Percy: Selbstinterview

1977 veröffentlichte Walker Percy ein Selbstinterview unter dem Titel "Questions They Never Asked Me". Leider wurde es nicht in den bei Naumann veröffentlichten Band "Ach, Sie sind katholisch?" mit Essays und einem Interview übernommen. Der Originaltext ist im Band "Signposts in a Strange Land" enthalten.

Die folgende Passage enthält einige meiner Walker Percy-Lieblingspassagen:

"Sind Sie nicht ein Katholik?
Ja.
Halten Sie sich für einen katholischen Schriftsteller?
Da ich Katholik und Schriftsteller bin, scheint zu folgen, daß ich ein katholischer Schriftsteller bin.
Was für eine Sorte Katholik sind Sie?
Ein schlechter.
Nein, ich meine: Sind Sie liberal oder konservativ?
Ich weiß nicht mehr, was diese Worte bedeuten.
Sind Sie ein dogmatischer Katholik oder ein aufgeschlossener Katholik?
Ich weiß auch nicht, was das bedeutet. Meinen Sie, ob ich an das Dogma glaube, das die Katholische Kirche zu glauben vorstellt?
Ja.
Ja.
Wie ist ein solcher Glaube in unserer Zeit möglich?
Was gibt es denn sonst?
Was meinen Sie mit: Was gibt es sonst? Es gibt Humanismus, Atheismus, Agnostizismus, Marxismus, Behaviorismus, Materialismus, Buddhismus, Islam, Sufismus, Astrologie, Okkultismus, Theosophie.
Das meine ich doch.
Von Judentum und Protestantismus ganz zu schweigen.
Nun, die würde ich mit der Katholischen Kirche in diesem ganzen, speziellen Jüdisch-Christlichen Ding unterbringen.
Das verstehe ich nicht. Würden Sie - zum Beispiel - den wissenschaftlichen Humanismus als vernünftige und ehrenwerte Alternative aussschließen?
Ja.
Warum?
Er ist nicht gut genug.
Warum nicht?
Dieses Lieben macht viel zu viel Ärger, ist viel zu seltsam, um an seinem Ende anzukommen und gefragt zu werden, was du dazu sagst, und antworten zu müssen: 'Wissenschaftlicher Humanismus'. Das reicht nicht. Eine armselige Aufführung. Das Leben ist ein Geheimnis, die Liebe ist eine Freude. Deshalb ist es ein Axiom für mich, daß man sich mit nicht weniger zufrieden geben sollte als mit dem unendlichen Geheimnis und der unendlichen Freude, d.h. Gott. Tatsächlich: Das fordere ich. Ich weigere mich, mich mit weniger zufrieden zu geben. Ich verstehe nicht, warum sich jemand mit weniger zufrieden geben sollte als Jakob, der Gott packte (grapped aholt) und ihn nicht eher gehen ließ, bis Gott sich zu erkennen gab und ihn segnete. (...)
Aber ist die Katholische Kirche nicht in einem üblen Durcheinander, tief gespalten, mit einer grauenhaft zugerichteten (barbarized) Liturgie und abnehmenden Berufungen.
Klar. Das ist ein Zeichen ihrer göttlichen Ursprünge, daß sie solche periodischen Katastrophen überlebt.
Sie handeln und reden nicht wie ein Christ. Sollen die Christen einander nicht lieben und gute Werke tun.
Ja.
Sie scheinen mit ihrem Nächsten nicht viel anfangen zu können oder viele gute Werke zu tun?
Stimmt. Ich habe seit Jahren kein gutes Werk getan.
Eigentlich - wenn ich offen sein darf - kommen Sie mir ziemlich negativ in ihrer Einstellung vor, kaltblütig, unnahbar, spöttisch, maßlos, mehr hingezogen zu den schönen Dingen dieser Welt als zu Gott.
Das stimmt.
Sie scheinen sogar eine gewisse Genugtuung aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu ziehen und eher die Drohung des Weltuntergangs zu genießen als den Weltfrieden, den alle Religionen suchen.
Stimmt.
Sie scheinen nicht viel mit ihren Mitchristen anfangen zu können, ganz zu schweigen von den Leuten des Ku-Klux-Klan und der ACLU (American Civil Liberty Union) , den Nordstaatlern und den Südstaatlern, den Frauenemanzipierern und denen, die dagegen sind, den Homosexuellen und den Anti-Homosexuellen, den Republikanern, Demokraten, Hippies, Anti-Hippies und Senioren.
Stimmt - obwohl, als Einzelne genommen, stellt sich heraus, daß sie mehr oder weniger so sind wie ich selbst, nämlich Sünder, und wir kommen gut miteinander aus.
Auch mit den Ku-Kluxern?
Sicher.
Wie erklären Sie sich Ihren Glauben?
Ich kann ihn nur als Geschenk von Gott erklären.
Warum sollte Ihnen Gott ein solches Geschenk machen, wo es andere gibt, die ihn mehr zu verdienen scheinen, weil sie ihrem Nächsten dienen?
Ich weiß nicht. Gott tut seltsame Dinge. Zum Beispiel hat er sich als einen seiner Heiligen in Nord-Syrien einen lokalen Spinner ausgesucht, der 37 Jahre auf der Spitze einer Säule verbrachte.
Wir reden nicht über Heilige.
Stimmt.
Wir reden über das, was Sie ein Geschenk nennen.
Soll ich es Ihnen erklären? Wie soll ich das wissen? Die einzige Antwort, die ich geben kann, ist, daß ich darum bat. Ja eigentlich: ihn verlangte. Für mich war es ein unerträglicher Zustand, mich selbst in diesem Leben und in diesem Zeitalter zu finden, das aus jeder Sicht eine Katastrophe ist, ohne ein Geschenk zu verlangen, daß der Beleidigung entspricht. Deshalb habe ich ihn verlangt. Zweifellos geht es andern anders.
Aber müsste der Glaube nicht irgendeine Beziehung zur Wahrheit, zu den Fakten haben?
Ja. Das ist es, was mich anzog: der ziemlich unverschämte Anspruch des Christentums, wahr zu sein, mit der Implikation, daß andere Religionen mehr oder weniger falsch sind.
Das glauben Sie?
Natürlich."
Blog in Bearbeitung

Ich bin mit dem Layout und dem Template nicht zufrieden und werden in den kommenden Tagen ab und an experimentieren. Bitte nicht erschrecken, wenn Euch fremde Farbkombinationen entgegenspringen.
"Pragmatischer Ökumenismus"

Kardinal Leo Scheffczyk zieht in der Tagespost eine im Resultat erschreckende Bilanz des ÖKT.

"Die Summe des Eucharistiegeheimnisses sei schließlich ganz einfach in das Wort zu fassen: 'Wir treten vor den lebendigen Gott' – vor dem wir aber doch immer stehen. In diesem Konzept sind alle Grenzen des katholischen Eucharistieglaubens niedergelegt, und das katholische 'Allerheiligste' ist allen christlichen Denominationen geöffnet. Natürlich fällt es dem Sprachkönner nicht schwer, in seine relativistischen Ableitungen auch katholische Begriffe hineinzumischen. Sie wirken aber wie verschoben und aus dem Organismus des Glaubens ausgerenkt.

Was dem evangelischen Dialogpartner auf diesem Podium das 'Abendmahl' zuhöchst bedeutete, zeigen die Worte: 'Eucharistie [ist] Mahl des Friedens gegen den Krieg, [ist] Sakrament der Versöhnung gegen Hass und Gewalt, Realsymbol der Einheit gegen alle Form der Ausgrenzung und Apartheid'.

In den hochgestimmten Abschlussbilanzen des Ökumenischen Kirchentags ist oft von einem 'Durchbruch der Ökumene' gesprochen worden. Wenn man von einem „Durchbruch' sprechen will, dann allenfalls im Sinne des Pfarrers der Gethsemanekirche, der bei der Abhaltung des 'Gemeinsamen Abendmahls' die Voraussage machte, dass dies 'ein Modell für die Zukunft' sein könne.

Solche Prognosen machen es aber nicht unwahrscheinlich, dass der Sinn für das Geheimnis noch weiter schwindet und dass 'der Inbegriff des Katholizismus', der 'unendlich feine und gewichtige Punkt, in dem sich alles zusammenfassen lässt' (P. Claudel), sich in den trüben Wassern eines alles vergleichgültigenden Denkens auflöst."

"Denken" kann ich vieles, was an der "Basis" passiert, schon gar nicht mehr nennen - eher Denkfaulheit, die Differenzen nicht aushält und den, der darauf besteht, als Ökumenefeind diffamiert. Oder als einen vereinnahmt, der nur noch nicht gemerkt hat, daß wir doch alle schon immer das selbe glauben.

27. Juni 2003

Da war'n viele Holden, die mitfahren wollten

Ein Tag wie ein Freund.

Schon wieder eine Nachricht, die man/frau nur noch mit schäumend- geistgeschenktem Humor aufnehmen kann: Fast genau ein Jahr nach der berühmten Boots-Priesterinnen-Weihe haben es zwei der geweihten Damen schon zur Vollstufe des Weihesakraments gebracht. (Salzburger Nachrichten)

Wer die beiden und ihr geistliches Hilfspersonal kennen lernen möchte, kann das morgen ab Passau auf einem Donauschiff der Reederei Wurm & Köck tun. Geboten werden "AKTIONEN" (sic!) und "die Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen der Priesterinnen". (Newsletter der Virtuellen Diözese)

"Schwäbische, bayrische Dirndel, juchheirassa, muß der Schiffmann fahren!" Enjoy yourselves.
"Durch Sparen zur notwendigen Erneuerung"

Da laut Pfr. Breitenbach angesichts der innerkirchlichen Finanzkrisen einiges auf den Prüfstand muß, hat Yours Truly schon einen Vorschlag:

Der Gebetgenerator braucht weder Bier noch Bratwurst und ist genauso effektiv.

Beispiel:
"Liebe Gottesperson!

Für alle Gaben,
mit denen wir uns laben,
für Deine Gegenwart an diesem Sommertag,
für alles, was uns gut tun mag,
für Speis und Trank
hab Dank.

Amen."
Schweinfurter Liturgie

Liebe Leserin, lieber Leser, führt Dich die Vorsehung, das Schicksal oder ein Anfall von plötzlicher Lust übermorgen nach Schweinfurt? Dann darfst Du Dich hier schon einmal auf den Gottesdienst vorbereiten.

Das Tagesgebet des 13. Sonntags lautet im Missale Schweinfurtense:

"Gott, wir dürfen das Brot miteinander teilen und den Wein. Aber auch das Bier und die Bratwurst. Wir teilen es miteinander, weil es zum Fest gehört, das wir feiern können. Deine Gäste sind wir und Gastgeber für die vielen, die zu uns kommen. Schenke uns die Erfahrung dieser Gemeinschaft, die bereit ist zusammenzustehen in guten wie in schweren Zeiten mit Jesus Christus, unserem Bruder und Freund. Amen."

Die Degeneration der altehrwürdigen Textform der Oratio stört mich weniger als daß ich jetzt auch Bier und Bratwurst teilen soll. Da geselle ich mich doch glatt zum letzten bösen Menschen Hannes Stein.

Roland Breitenbach, der letzte Schluck und der "Schnuddel" gehen an Dich.
The Royal Society of Chemistry declares

Die Royal Society Chemistry hat sich seit Januar intensiv mit der Zubereitung eines perfekten Tees beschäftigt und macht nun das Rezept George Orwell zum Geburtstagsgeschenk.

[Persönliche Anmerkung: Die Milch vor dem Tee in die Tasse zu gießen, führt nicht nur zu einer idealen Durchmischung, sondern erleichtert auch das anschließende Spülen. Aber das ist vielleicht eine trotz meiner Anglophilie immer noch germanisch-hygienisch infizierte Sichtweise...]

Jetzt warten wir noch auf die Ergebnisse des Experiments, ein frisch verheiratetes Paar einen Monat Met schlürfen zu lassen und damit die positiven Auswirkungen von honey mead auf die honeymoon relationship wissenschaftlich zu überprüfen.

26. Juni 2003

Passion

Barbara Nicolosi berichtet in ihrem Weblog Church of the Masses von einem Preview von Mel Gibsons Passion.

Sie ist hin und weg, auch geistlich. Ich weiß nicht recht und bin skeptisch. Zu viel gute Absicht macht oft keine große Kunst, und das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Aber es gibt ja auch Ausnahmen. Wir werden sehen.

Meine Liste von zu sehenden Filmen wird immer länger.
Sister Barbie

alias: Nun-In-Box. (via Extreme Catholic)
Der Lagerfeld des Vatikans

heißt Gamarelli. (via Elisabeth, wo mich nur - I'm sorry to say - der Mauszeiger - ähm - nervt?)
Ergänzender Link zur Liturgiedebatte

Leider kann ich den vergessenen Link zum Liturgieartikel von Johannes Schießl in der Münchner Kirchenzeitung nicht im Posting selbst ergänzen. blogger macht Probleme.

Deshalb folgt er jetzt hier.

25. Juni 2003

Ob gelegen oder ungelegen

Hannes Stein macht sich unbeliebt. Nicht bei mir.

Pol Pot, Saddam Hussein & Co.
Der Islam braucht keinen Luther. Sondern höchstens einen Papst.
Meine Wahrheit

"Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand.
So ist es und so soll es sein.
Das ist meine Wahrheit und meine Freude.
Immerfort blickt Dein Auge mich an,
und ich lebe aus Deinem Blick,
Du mein Schöpfer und mein Heil.
Lehre mich in der Stille Deiner Gegenwart,
das Geheimnis zu verstehen, das ich bin.
Und das ich bin durch Dich und vor Dir und für dich."
(Romano Guardini)

Gefunden habe ich das Gebet auf den sehr schönen, exakten und ausführlichen Guardini-Seiten von Helmut Zenz.
Liturgie im Duell: Alt gegen Neu
mitsamt einigen Anmerkungen zur liturgischen Wahrhaftigkeit


Die Münchner Kirchenzeitung bringt einen - nicht ganz unparteiischen - Bericht über die Diskussion in der Katholischen Akademie zwischen Martin Mosebach und dem Liturgiker Philipp Harnoncourt.

"Wahrhaftigkeit [sei] wichtiger als vorgeschriebener Wortlaut", wird Harnoncourt zitiert. Wie wichtig ist Wahrhaftigkeit wirklich? Und wie wichtig ist sie in gemeinsamen Akten, wie die Liturgie einer ist? Können fünf oder fünfzig oder fünfhundert Menschen gleichzeitig wahrhaftig sein?

"Heuchelei ist die Verbeugung des Lasters vor der Tugend", sagt ein Sprichwort. Und in einem gewissen Sinn "heucheln" wir immer in der Liturgie: Wir tun, als ob. Als ob wir genug bekennen und bereuen. Als ob wir wissen, was es bedeutet, GOtt in den Höhen die Ehre zu geben. Als ob das zweischneidig-scharfe Schwert des Wortes Mark und Bein durchfahren würde (wo wir in den Bänken doch ruhig sitzen und apathisch stehen). Als ob wir die Sprache der Engel ohne menschlichen Akzent beherrschten, wenn wir in das dreifach-vollkommene "Heilig" einstimmen. Als ob wir Jesus Christus offen und vorbehaltlos aufnehmen.

Ich würde sagen, daß Liturgie uns Formen an die Hand gibt, wie wir trotz unserer eingeborenen Unwahrhaftigkeit dem begegnenden GOtt angemessen und ohne allzu große Peinlichkeit begegnen können. Gerade weil ich mich nicht mehr sorgen muß, ob meine spontanen Worte und Gesten richtig und hier und jetzt angebracht sind, fällt ein bißchen Unwahrhaftigkeit von mir ab. Gerade weil ich mich nicht mehr um den echten und gar den für andere sichtbaren Ausdruck meiner Person (oder gar ihrer aktuellen Befindlichkeit) kümmern muß - finde ich mich in den objektiven liturgischen Handlungen wieder.

Am lächerlichsten ist es immer dann, wenn vierzigjährige Frauen in Kinder- und Familiengottesdiensten lachend und singend ihr Gut-Drauf-sein (und einen gewissen Exhibitionismus) zur Schau stellen, indem sie ganz authentisch im Altarraum herumalbern. (Vierzigjährige Männer wären noch peinlicher in dieser Situation - aber zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Die meisten bewegen sich ganz wahrhaftig-steif-unbeholfen.)

Ach ja: Die dumme Überschrift "Feste Rubriken oder erfassbares Geheimnis" geht wohl aufs Konto der Redaktion und soll hier lediglich und spaßeshalber mit einem Zitat von Karl Rahner kommentiert werden:

"Damit erweist sich der Begriff des Geheimnisses selbst als ein Geheimnis, da er nicht eigentlich ursprünglich als bloße Negativität vom Verstandenen und Durchschauten her, als Grenzbegriff zum begriffenen Begreifen verstanden werden kann, sondern immer in der transzendentalen Erfahrung des letzten Wesens des Geistes gegeben ist, als das unsagbare, nie überholbare Woraufhin des Geistes selbst, der sich durch diese seine Wesensbezogenheit auf das absolute Geheimnis hin selbst als Geheimnis erweist." (HThG II, Art. Geheimnis)

Oder mit Kardinal Carlo Martini: Geheimnisse werden in der Kirche nicht erfasst, erklärt, gelüftet, sondern - gefeiert.
Die falsche Alternative

Susan Sontag, designierte Friedenspreisträgerin 2003, Poetik-Dozentur-Dozentin und baldige Doctrix h.c der Tübinger Universität, hat sich laut dpa und verschiedenen Tageszeitungen zur kulturellen Kluft zwischen USA und Europa geäußert.

"Besonders in zwei Bereichen gebe es tief greifende kulturelle Unterschiede, sagte Sontag. So seien in Europa viele Menschen sehr weltlich eingestellt. «Die Vereinigten Staaten dagegen sind ein Land voll von religiösem Irrsinn», sagte die Autorin. Dass staatliches Handeln mit religiösen Worten gerechtfertigt werde, sei weithin akzeptiert. Ein zweiter Unterschied bestehe in der Einstellung zur Gewalt. «In den Vereinigten Staaten glauben viele, dass jeder Mensch das Recht hat, Waffen zu besitzen. Zumindest wird das den Menschen so vermittelt», sagte Sontag. Das sei in Europa anders."

U.S.-Bashing aus dem Mund intellektueller Amerikanerinnen ist natürlich politisch korrekt. Aber der erste Gegensatz, den sie (oder die dpa) uns da kurz und prägnant präsentiert, stimmt so leider doch nicht. Es gibt in den U.S. of A., soweit ich sehen kann, nicht nur und nicht einmal überwiegend religiösen Irrsinn - außer man sieht Religion prinzipiell als Irrsinn an. Eine Vorstellung, die mehr europäisch als amerikanisch ist und die vielleicht die subtile Message des Berichts darstellt.

Die Feststellung von Susan Sontag scheint mir eher auf ein unterschiedliches Verständnis von Religionsfreiheit hinzudeuten: Wir Europäer sehen darin vor allem die Freiheit, ohne Religion zu leben. Für Amerikaner besteht sie daran, daß jeder in seiner Religion und Konfession leben soll und darf. Entsprechend haben europäische Christen eher einen Habitus der Dauerzerknirschung angenommen, der sich für irgendwelche religiös fundierten Zumutungen erst einmal entschuldigt - statt ihre Religion genauso frisch, fromm, fröhlich, frei zu leben wie die Nicht-Religiösen - gesegnet seien sie! - die ihre.

24. Juni 2003

Doch kein Humanist

"Humorist und Humanist" - im vorigen Posting - mag gut klingen, ist aber Quatsch:

Denn 1. was ist Humanismus überhaupt? und 2. war Muggeridge zu enttäuscht (oder zu realistisch?), um dem Menschen all das Gute zuzutrauen, was sich im liberal-aufgeklärten Verständnis mit dem Begriff Humanismus verbindet.

Vielleicht war auch für ihn die "Erbsünde" wie für Chesterton der einzige Teil der christlichen Lehre, der sich beweisen läßt? ("Certain new theologians dispute original sin, which is the only part of Christian theology which can really be proved. Some followers of the Reverend R.J.Campbell, in their almost too fastidious spirituality, admit divine sinlessness, which they cannot see even in their dreams. But they essentially deny human sin, which they can see in the street." - Chesterton: Orthodoxy)

Statt seiner Neigung zum Zynismus als einer möglichen Antwort nachzugeben, entschied er sich für den Glauben inclusive der närrischen Komponenten. Belege gefällig?

23. Juni 2003

St. Mugg

Noch einer dieser unwahrscheinlichen Konvertiten, der dieses Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert: Malcolm Muggeridge, Journalist und Publizist, Sozialist, und Außenseiter, Humorist und Humanist, Biograph Mutter Teresas und Jesu Christi. Der Spectator bringt einen schönen Artikel über diesen typischen Menschen des 20. Jahrhunderts, der konsequent dagegen rebellierte.

"Some who liked his scepticism were shocked by Muggeridge’s late conversion to Roman Catholicism. Like much else it was a return to early sympathies. At Cambridge, conversion to Christianity had sent him out in 1925 as a missionary teacher to India. He was deeply influenced by the people there, and at that time read Chesterton’s biography of Francis of Assisi. It captured his imagination. ‘Wordy or 'creedy' religion,’ he wrote to his liberal Anglican friend Alec Vidler, ‘kills the living beauty of God.’

He had no interest in theology, but the attractions of India and Franciscan simplicity coincided in Mother Teresa of Calcutta. He detected a miracle while making a television documentary on her in 1968. But he was even more impressed by her embracing the poorest poor as ‘Christ in his distressing disguise’.

The lesson was reinforced by a man called Fr Paul Bidone who worked with ‘retarded’ children in London. When in 1982 Muggeridge and his wife were received into the Church, Fr Bidone brought some of the youngsters with him. Muggeridge feared their ‘fidgeting, moving about, emitting strange sounds’. In the event what ‘might otherwise have been a respectable, quiet ceremony was transformed into an unforgettable spiritual experience’. Subversion had introduced the transcendent."

Durch den Mund der Kleinen und Unmündigen ... Auch heute noch. Ja. selbst schon erlebt.

22. Juni 2003

Kaum Bemerktes

Fast unbemerkt geblieben sind diese beiden Dokumente aus dem Haus der Deutschen Bischofskonferenz:
  • "Missionarisch Kirche sein: Offene Kirchen - Brennende Kerzen - Deutende Worte" vom 28. April 2003
  • "Räume der Stille: Gedanken zur Bewahrung eines bedrohten Gutes in unseren Kirchen" vom 14. Februar 2003
Download wie üblich über www.dbk.de.

20. Juni 2003

Vorläufige Absolution für die Theologiestudenten:

Sie klauen doch nicht mehr Bücher als die Kollegen aus anderen Fakultäten. Sagt die UB Münster in der Zeit.

19. Juni 2003

Heute abend zu lesen

Botho Strauß in der Zeit über den vergessenen Dichter Konrad Weiß.

"Erratische Brocken" sind immer o.k., noch dazu wenn sie Sprachkünstler, Mystiker und Katholiken sind. (Auch die Einzelkomponenten lohnen oft schon...)

Memorabilia de Festo Sanctissimi Corporis Christi

  • Der Vogel in unserer großen, weiten Pfarrkirche, der rechtzeitig zur Wandlung in zwei Meter Höhe den Altar überquerte und danach die versammelten Gläubigen für den Rest der Messe ablenkte.
  • Der - ungewollte, aber typische - Klerikalismus des anwesenden Gemeindereferenten, der sich mit seinem vorgesetzten Pfarrer (und nicht mit dem Volk) inzensieren ließ und der seine Knie/Stehordnung der des anwesenden Klerus anglich. (Für Scipio gibt es nach wie vor nur drei Weihestufen. Alle anderen sind Laien - sofern sie nicht gerade Gottgeweihte sind.)
  • Während der Prozession eine im Vergleich zu den Vorjahren leichte Besserung im Schwätzverhalten der mitwallenden Weiblichkeit - jedenfalls nach Aussage einer 15jährigen Fahnenträgerin.
True or False?

Den philosophischen Übungsparcour, GOtt betreffend, habe ich ohne Blessuren bestanden, wie es scheint. (via Old Oligarch)

Medal of Honour

18. Juni 2003

Kardinal Ratzinger zu EdE

Nachdem ich den Artikel heute gelesen habe, muß ich wieder einmal die alte Wahrheit bestätigen: Eine der angenehmsten Folgen päpstlicher Enzykliken sind in diesen Jahren die begleitenden Kommentare des Gran Cardenal Joseph Ratzinger.

In der Tagespost nimmt er in seiner direkten Art Stellung zu einigen Standardvorwürfen gegen "Ecclesia de Eucharistia".
Gewisser Trost für Teenager-Eltern

"Wenn ein junger Mann, der bisher gewohnheitsmäßig zur Kirche ging, aufrichtig erkennt, daß er eigentlich nicht glaubt, und deswegen nicht mehr in den Gottesdienst geht, so ist er - vorausgesetzt, dieser Entschluß ist seine ehrliche Überzeugung und nicht nur ein Versuch, seine Eltern zu ärgern - dem Geist Christi wahrscheinlich näher als je zuvor." (C.S.Lewis: Mere Christianity / Christentum schlechthin)
Bluegrass Gospel

Nach fünf Tagen intensiven Hörens habe ich Dr. Ralph Stanleys Bluegrass Gospel-Klassiker in meine Amazon.de-Liste aufgenommen.
Sommerabend zu zweit

Biergarten
Drei Radler.
Drei Brezel.
Ein halbes Hähnchen.
Der Mystik-Koffer

"Der 'Welt-Mystik-Koffer' des Bischöflichen Hilfswerks Missio beinhaltet Gegenstände aus Ländern der Weltkirche. In ihrem religiösen Kontext können durch methodische Vorschläge spirituelle Erfahrungen gemacht werden." (So der Osnabrücker Kirchenbote)

Was den deutschen Männern ihre Werkzeugkiste, ist den Deutschen Dritte-Welt-Beauftragten der Mystik-Koffer. Do it yourself - die Handwerker erobern die Kirche. Entrückung garantiert. Nur für den "religiösen Kontext" müssen wir noch selber sorgen.

Vielleicht könnte Catholicism Wow mal einen Katholische-Mystik-Koffer anbieten: Skapulier, Rosenkranz, Bußgürtel, eine Packung Wasa, die "Nachfolge Christi", die "Innere Burg" der Großen Teresa, ein Ball für das Mitspielen mit der Kleinen Therese, ein jumpin' Juan de la Cruz, der einem beim Öffnen entgegenspringt. Noch Vorschläge?

17. Juni 2003

Andra moi ennepe ...

Bloomsday war gestern - jetzt haben wir genau ein Jahr Zeit, um uns auf den hundertsten Bloomsday vorzubereiten, z.B. mit dem Ulysses for Dummies.

Erzähle mir, Muse, vom Mann, dem vielgereisten ...

16. Juni 2003

In memoriam HC

Vor zwei Jahren, während eines Pfarrfestes, brachte ich einem der Nachbarn einen Kuchenteller vorbei, als kleine Entschädigung für zwei laute Abende und turbulente Tage.

Über eine Stunde saß ich damals bei diesem alten Ehepaar und hörte die Lebensgeschichte des 90jährigen Mannes: In Galizien geboren, verschlug es seine Familie nach dem 1. Weltkrieg ins Deutsche Reich. Schon früh begeisterte er sich für die nationalsozialistische "Sache" und wurde Mitglied der SA - mit einer zweistelligen Mitgliedsnummer. Nach dem "Röhm-Putsch" landete für kurze Zeit im Gefängnis, zog dann zu seinen Eltern nach Nordbayern und stand unter dauernder polizeilicher Unterwachung.

Ein paar Jahre später landete er endgültig im KZ - zuerst in Dachau, dann in Mauthausen. Nur noch 40 kg schwer, überlebte er den Mauthausener Todesmarsch im April 1945. Im Lager hatte er sich zum evangelischen Glauben seiner Kindheit bekehrt und wirkte in seiner Nachkriegsheimat eifrig mit beim Aufbau evangelischer Gemeinden für die vielen Flüchtlinge aus dem Osten.

Inzwischen gebrechlich und alt geworden, strahlte der alte Mann immer noch eine kindliche Freude am Glauben aus. Wenn ich je einem Menschen begegnet bin, der tief innen, von ganzem Herzen dankbar und demütig war, dann ihm. Hier war nicht nur ein Zeitzeuge, sondern ein Gotteszeuge des 20. Jahrhunderts, mit dem ganzen Elend seiner Zeit im Gepäck und (dennoch?) voll der Gegenwart des ANderen. GOttes.

Am vergangenen Samstag starb er mit 91 Jahren. Die Arme GOttes standen ihm offen, das weiß ich. Und ich und viele andere sind dankbar, daß er bei uns war.

Wie Alexander Solschenizyn in Matrjonas Hof schreibt: "Wir alle haben neben ihr gelebt und nicht begriffen, daß sie jene Gerechte war, ohne die, wie das Sprichwort sagt, kein Dorf bestehen kann. Und keine Stadt. Und nicht unser ganzes Land."
Mein unverwechselbares Ich

Als Kinder unserer Zeit streben wir Getaufte ebenfalls wie der Rest unserer Kultur noch größtmöglicher Entfaltung unserer Persönlichkeit, nach gesteigerter Individualität, nach bereichernder, kreativer Selbstverwirklichung. C.S. Lewis hat ein paar hilfreiche Bemerkungen dazu gemacht:

"Die Individualität einer menschlichen Persönlichkeit kann man nicht zerstören, indem man ihr zuviel Christus zuführt. (...)

In meinem normalen Dasein bin ich nicht halb soviel Person, wie ich mir gerne vormache: Der Hauptteil meines sogenannten 'Ich' ist leicht zu analysieren. Erst wenn ich mich zu Christus hinwende, wenn ich mich selbst aufgebe, fange ich an, meine eigene Persönlichkeit zu besitzen.

Zu Beginn sagte ich, in Gott gibt es Persönlichkeiten. Ich gehe jetzt noch weiter. Nirgendwo anders gibt es wirkliche Persönlichkeiten. Bevor wir ihm nicht unser Selbst gebracht haben, haben wir kein wirkliches Selbst. Gleichheit findet sich am meisten unter 'natürlichen' Menschen, nicht unter denen, die sich Christus ergeben. Wie eintönig ähnlich sind doch all die großen Tyrannen und Eroberer gewesen - wie großartig verschieden sind die Heiligen.

Es muß aber ein echtes Aufgeben unseres Selbst sein. Wir müssen es sozusagen 'blindlings' wegwerfen. Christus wird uns tatsächlich eine wirkliche Persönlichkeit geben: Wir dürfen aber nicht mit dieser Absicht zu ihm gehen. Solange es unsere eigene Persönlichkeit ist, die uns zu schaffen macht, sind wir überhaupt nicht auf dem Weg zu ihm. Der erste Schritt ist der Versuch, das eigene Selbst vollkommen zu vergessen." (Mere Christianity / Christentum schlechthin)

13. Juni 2003

Alles Gute, Herr Bischof!

Robert Zollitsch soll dem Vernehmen nach Erzbischof von Freiburg werden. Der Vatikan muß die Wahl des Domkapitels allerdings noch bestätigen.

Dann gäbe es nach Kardinal Josef Wendel und Heinrich Tenhumberg wieder einen Schönstätter als Bischof in Deutschland. Das muß nicht unbedingt den konservativen Flügel im Episkopat stärken, auf jeden Fall aber den "geistlichen".
Warum nicht?

Michael Ragg vom deutschen Zweig von „Kirche in Not“ stellt fest: Er habe auf dem ÖKT mehr T-Shirts mit dem Bild Che Guevaras gesehen als in zwei Wochen auf Kuba.

Das ist ja gerade das Schöne: Endlich wird einmal auf alle Ab- und Ausgrenzungen verzichtet. Eingeladen sind alle und im Zweifelsfall ist es immer gut, miteinander geredet zu haben.

Der Che hätte das genau wie Vladimir Iljitsch wohl reichlich naiv gefunden.

Das nächste Evolutionsstadium

Ich doppelklicke, also bin ich.
POST STOP SPOTs

Auch ganz nett: Schilderwald.
Demokratischer Neokolonialismus

Demokratischer Neokolonialismus - das könnte es zum "Unwort des Jahres" schaffen.

Richard Herzinger schlägt ihn trotzdem vor, denn sonst haben schon mal die "offenen Gesellschaften des Westens" keine Zukunft. Von den Menschenrechten ganz zu schweigen.

Sicher keine erschöpfende Behandlung des ganzen Themas, aber lesenswert wie das meiste von Herzinger.(Die Zeit)

10. Juni 2003

Hans Apel und der ÖKT

Die Evangelische Kirche sei in einer Identitätskrise, sagt Hans Apel, der vom Typ her ja eher zur Untertreibung neigt.

Für die Römisch-katholische Kirche deutscher Nation kein Grund zur Schadenfreude, sondern Anlaß zum Gebet und zu Selbstkritik.
Europas Christenheit

Time's Europa-Ausgabe zum Zustand der Christenheit auf dem "Kontinent", mit einem weiteren Link zum Artikel: "Holy, Holy, Holistic - Why are Germany's convents and monasteries marketing themselves as New Age spiritual retreats?"

Wäre das eine Lösung?

Roland Breitenbach schrieb am 24. Juli 2002:

"Unter Konvention versteht man eine Übereinkunft, ein Abkommen. Vor 15 Jahren haben die Vereinten Nationen eine Vereinbarung der Staaten auf den Weg gebracht, die sich 'gegen die Folter und andere Strafen und grausame, unmenschliche und abwertende Behandlungen' einsetzt. Jetzt endlich hat auch der Vatikan als 130. Staat eine entsprechende Urkunde in New York hinterlegt.

Da stellt sich schon die Frage, warum das so lange gedauert hat, bis der Zwergstaat die moralische Unterstützung der Kirche für den Kampf der UNO gegen die Folter zum Ausdruck brachte? Sollten es Skrupel aus der Vergangenheit gewesen sein, die daran hinderten, die Konvention zu unterschreiben? Schließlich hat die kirchliche Inquisition große Erfahrungen mit 'grausamen, unmenschlichen und abwertenden Behandlungen'.

Mir klingt das Jesuswort in den Ohren: 'Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein' (Mt 20,26 f).

Gut, die Hexenfeuer brennen nicht mehr und die Folterkammern wurden zu makabren Museen, aber wie steht es mit den 'abwertenden Behandlungen' in der Kirche? Gehören da nicht auch Redeverbote dazu? Oder Prozesse, die hinter dem Rücken des Betroffenen und ohne Möglichkeit einer Verteidigung von Angesicht zu Angesicht geführt werden?

Seit dem 26. Juni 02 ist das nun ganz anders. Wer von der Kirche abwertend behandelt wird, kann bei der Weltorganisation klagen."

Lasst den "Zwergstaat" erzittern vor dem Goliath der finanz- und stimmgewaltigen deutschen Katholiken, der Defensores Oecumenitatis Verae! Schreibt Petitionen an Kofi Annan! Klagt nicht, sondern klagt an! Freie Berufsausübung und freie Abendmahlwahl für Pfr. Kroll! Aufwertung für Gotthold Hasenhüttl!
Schluß mit der Gewissensfolter! Weg mit dem Glaubensbekenntnis oder einer normierten Interpretation desselben! Beendet die Ausgrenzungen und schmeißt die M-Bischöfe samt Kurie und Papst raus aus der gereinigten und politisch korrekten Kirche!
GKC-Autobiographie - Flos tertia

"Der einzige Weg, sich sogar an einem Unkraut zu freuen, ist, sich sogar eines Unkrauts unwürdig zu fühlen." (S. 352)

Oder wie P. Kentenich sagen würde: "Weg mit den Selbstverständlichkeiten!"
GKC-Autobiographie - Flos secunda

"Wenn ein Katholik von der Beichte kommt, schreitet er wirklich, nach der Glaubenslehre, wieder in die Morgendämmerung seines eigenen Anfangens hinaus und blickt mit neuen Augen über die Welt zu einem Kristallpalast, der wirklich von Kristall ist. Er glaubt, daß in jener düsteren Ecke und in der kurzen rituellen Handlung Gott ihn wirklich nach seinem Ebenbild wieder neugeschaffen hat. Er ist jetzt ein neuer Versuch des Schöpfers. Er ist ebenso sehr ein neuer Versuch wie damals, als er wirklich erst fünf Jahre alt war. Er steht, wie gesagt, im weißen Licht am würdigen Anfang eines Menschenlebens. Die aufgehäufte Zeit kann ihn nicht länger schrecken. Er mag grau und gichtbrüchig sein, doch er ist erst fünf Minuten alt." (S. 350)
GKC-Autobiographie - Flos prima

Chesterton ist immer für ein paar Zitate gut. So soll denn auch seine Autobiographie nicht fruchtlos gelesen sein.

Anläßlich der Diskussion um ein Kriegerdenkmal in seinem Wohnort Beaconsfield:

"Ich wünsche das Kreuz nicht als Kompromiß oder Konzession an schwächere Brüder, als Zugabe und Nebenprodukt. Ich will es als Wappen und Ruhm. Ich habe den Wunsch, daß an unserem Rühmen im Kreuz so wenig ein Zweifel bestehen soll wie bei irgendeiner alten Kreuzfahrerschar, die das Kreuz gegen den Halbmond aufpflanzte. Und wenn jemand meine Empfindungen über etwas kennenlernen will, das ich selten und mit Widerstreben berühre - über die Beziehung zu der Kirche, die ich verließ, und zu der Kirche, der ich mich anschloß -, so ist hier die Antwort so kompakt und konkret wie ein steinernes Bild.

Ich will nicht einer Kirche angehören, in der mir erlaubt wird, ein Kruzifix zu haben. Ich empfinde das gleiche im Hinblick auf die umstrittene Frage der Verehrung der allerseligsten Jungfrau. Wenn Leute diesen Kult nicht mögen, haben sie ganz recht, keine Katholiken zu sein. Aber bei Leuten, die Katholiken sind oder sich Katholiken nennen, wünsche ich, daß man diese Idee nicht nur mag, sondern liebt und glühend liebt und darüber hinaus stolz verkündet. Ich habe den Wunsch, daß sie das sein möge, was die Protestanten sie mit vollem Recht nennen: das Wahrzeichen und Kennzeichen eines Papisten.

Ich wünsche, daß es mir erlaubt sei, über das Vorhandensein der Begeisterung begeistert zu sein, und nicht, daß meine glühende Begeisterung nur als etwas Exzentrisches an meiner Person kühl geduldet wird." (S. 260f)

8. Juni 2003

Es ist doch noch vor Neun!

Der Geist kommt unvermutet, überraschend. Unverfügbar. Der Geist des Vaters ist es, und wenn er auch die Sinne verwirren mag: unseren menschlichen Geist führt er zur Klarheit: Jesus ist der Herr, er wurde von den Gesetzlosen ans Kreuz gebracht und lag drei Tage tot. Gott hat Ihn auferweckt und Ihn zu Seiner Rechten gesetzt.

Ich würde den Geist gerne für mich beanspruchen: Nicht nur für Momente, Entscheidungen, Verfügungen, die mir sein Wirken zeigen - sondern auch prospektiv: Wenn ich das und jenes tue, dann leitet mich der Geist. Wenn ich mit andern in guter Absicht zusammen bin, dann ist das Ergebnis unseres Denkens und Redens sein Werk.

Solange wir aber im "Hienieden" leben, in der zweideutigen Welt der Menschen, in der unsere Taten nie nur gut, unsere Worte nie nur wahr, unsere Liebe nie nur selbstlos sind: Solange können wir ihn und sein Brausen, Wehen, Säuseln nie in Flaschen abziehen. Solange können wir den Termin nicht in unsere Kalender eintragen, an dem er kommen wird. Und nicht einmal im Nachhinein können wir uns unserer Interpretation sicher sein. Wir wissen weder, ob er vor oder nach der dritten Stunde kommen wird. Tat er es einmal um 7.53 Uhr - woher wissen wir, wann seine nächste Stunde sein wird?

6. Juni 2003

Da werden unsere Hits ja runtergehen -

- wenn Google seine Absicht wahrmacht: Keine Blogs mehr in den Search Results. (Ebenfalls: Old Oligarch)
Radical Orthodoxy goes Matrix

Catherine Pickstock geht als Trinity in die Matrix - jedenfalls beim Alten Oligarchen am 3. Juni.

"Trinity: I can't stand here and watch Neo die in a sea of intertextuality! I'm going in.

Keymaker: Derrida is an incredibly complex system. How can you possibly hack him in time!?"

Ach ja: Pickstock a.k.a. "Catherine von Cambridge" a.k.a. "John Henry Newman of our time" (John Cardinal O'Connor) ist die anglikanische Autorin von After Writing, eines für philosophische Anfänger fast unverständlichen Buches, das mittels des vorkonziliaren Missale Romanum die postmoderne Philosophie sozusagen erst rechts überholt und dann - liturgisch aufhebt.


4. Juni 2003

Es geht auch anders - anderswo

Wir sind einfach zu verschieden - wir alten Abendländer und die neuen jenseits des großen Wassers. Wer's nicht glaubt, lese die Rezension des Buches "The New Faithful: Why Young Adults Are Embracing Christian Orthodoxy" aus dem Crisis Magazine.

"Carroll tells the story of a 'small but committed core' of young Christians who want nothing more than to be authentic members of their churches, young people who are increasingly opting for “time-tested approaches to metaphysical questions (...) These young adults are 'committed to a religious worldview that grounds their lives and shapes their morality They are not lukewarm believers or passionate dissenters. When they are embracing a faith tradition or deepening their commitment to it, they want to do so wholeheartedly or not at all.' In other words, they are exactly the kind of young people you want in your church—particularly when you think about its future. (...) A more recent survey of Catholics found that 'the three core elements of faith of today’s young Catholics are belief in God’s presence in the sacraments (including the presence of Jesus Christ in the Eucharist), concern for helping the poor, and devotion to Mary as the mother of God.' Another survey found that young priests today are 'increasingly conservative on theological questions' and (in Carroll’s words) 'have more in common with conservative elderly priests than with the more liberal middle-aged baby boomers who directly preceded them.' This new generation of priests has not been bred in the culture of theological dissent. Good news—especially if they are able to benefit from the lessons of that culture’s failure.”

Daß diese Hingabe an den rechten Glauben auch ihre Kehrseite hat, bleibt nicht unerwähnt: Mentalität des heiligen Rests, Rigidität und Erstarrung, Wiederholung der vorkonziliaren Fehler.
Matrix - gib mir mehr davon!

Für alle Matrix-Geschädigten gibt es kostenlosen Ersatz. Matrix-xp (Via: a jolt of reality)
Einladung, die Brille zu wechseln

Jungs und Mädels, setzt doch mal eure Dritte-Welt-Brille auf! Meint ihr, eure Glaubensgenossen rund um die Welt, in ganz anderen, durchaus bedrängenden ökumenischen Situationen verstehen, was ihr da tut? Die Filipinos, die Lateinamerikaner, die Russen und die Sudanesen? Wir glauben doch an den selben Gott, Jesus hat uns doch alle zum gleichen Mahl eingeladen und wir interpretieren es zwar verschieden, aber doch gemeinsam genug, daß wir die Tische zusammenrücken können - sagt ihr. Das nimmt euch keiner ab. Sorry.

Gut, daß ihr mit den Orthodoxen - das sind die mit den langen Bärten, goldenen Kuppeln, Russland und drumrum - nicht so viel zu tun haben wollt. Die sind bestimmt auch ganz baff.

(Schweigen wir, so wie Erich von Gotthold Hasenhüttl und Bernhard Kroll, von den unseligen Figuren, die sich Konvertiten nennen: John Henry Newman z.B., oder Gerard Manley Hopkins, GKC, Thomas Merton, Doris Day, Walker Percy. Heute könnten sie bleiben, wo sie waren, und doch unser ALLES haben.)
I am blogging and enjoying it

Mark Shea, Autor des Catholic and Enjoying It-Blogs gibt für das Magazin Crisis einen schönen Überblick über den Stand des katholischen Bloggertums in den U.S. of A.

Wenn er resümiert: "... it is still a good thing for a greater diversity of voices to be heard giving a variety of perspectives beyond What Dan Rather Thinks You Are Smart Enough to Understand. For the first time in history, journalism is not the wholly-owned subsidiary of a few rich people. Anybody who can write well, has an interesting perspective, or access to sources, can make his voice heard by a global audience", dann sind wir weniger gut Schreibenden ohne richtig eigenen Blick auf die Welt außer dem aus dem Fenster auch nicht ausgeschlossen.

Bis die Profis bei uns mit dem Bloggen beginnen, mache ich auf jeden Fall weiter.

3. Juni 2003

Ecce GKC

Herrliche (Selbst)Portraits des großen Gilbert Keith Chesterton stellte Gerard Serafin anläßlich des Geburtstages von GKC zusammen.

Eines, das er wahrscheinlich nicht kennt, stammt von Horst Janssen und findet sich auf der Seite von Matthias Wörther:

Hier.
Oblaten für alle, Gemeinschaft für (alle - 1)

Da hoffe ich doch mal, daß nicht stimmt, was der Tagespiegel am Tag darauf berichtete:

"In einem Punkt wich Hasenhüttl dann doch von dem vorgedruckten Programm ab: Bei der Einsetzung des Abendmahls schloss er den 'Bischof von Rom, Johannes Paul', von der Gemeinschaft derer aus, die in diesem Abendmahl zur Einheit finden sollten."

Mit 69 darf man schon mal was vergessen.
Rita, Hasenhüttl und das Maximum

Klaus Bergers Fazit des ÖKT läßt sich heute in der Welt lesen.

Gut katholisch empfiehlt er Gotthold Hasenhüttl der hl. Rita, der Spezialistin für "aussichtslose Fälle".

Von seiner "Ökumene des Maximums", die Berger letzthin auch in einem Artikel in der FAZ ansprach, hören wir hoffentlich noch mehr: Denn eine Ökumene des Minimalkonsenses - und auf die bewegen wir uns ja an vielen Stellen der Basis zu - ebnet die geschenkten Charismen der Kirchen und "kirchlichen Gemeinschaften" ein. Dann fallen nicht nur katholischerseits die vielen liebestollen Antworten auf das WORT untern Tisch, die über die Jahrhunderte gegeben wurden, die besorgten und genauen Formeln und Formulierungen, mit denen das überbordende WORT vor Verdünnung geschützt wurde und wird.

2. Juni 2003

Ehrt ihn!

Noch einmal E.E. Cummings:

"Do not hate or fear the artist in yourselves...Honor and love him...do not try to possess him. Trust him as nobly as you trust tomorrow. Only the artist in yourself is more truthful than the night."
Ein Gedicht für den Morgen -

- wenn er so wird wie der heutige (Und wenn nicht: Sind wir nicht wieder wach und finden uns inmitten eines lebendigen Getümmels? Wie könnten wir Aus-dem-Nichts-und-der-Nacht-Gehobene zweifeln am unvorstellbaren Du - und an uns?):

i thank You God for most this amazing
day: for the leaping greenly spirits of trees
and a blue true dream of sky; and for everything
which is natural which is infinite which is yes

(i who have died am alive again today,
and this is the sun's birthday; this is the birth
day of life and of love and wings: and of the gay
great happening illimitably earth)

how should tasting touching hearing seeing
breathing any--lifted from the no
of all nothing--human merely being
doubt unimaginable You?

(now the ears of my ears awake and
now the eyes of my eyes are opened)

--e.e. cummings: xaipe, no 65

1. Juni 2003

Home, sweet home

Heute saß ich wieder mitten drin, in der Kirche Jesu Christi: auf 250 m über Normalnull, am Waldrand, zwischen Menschen, die ich schon Jahrzehnte kenne und die mich schon meine 4 Lebensjahrzehnte durch kennen. Jeder mittendrin in seiner Lebensgeschichte.

Gemeinsam hörten wir die 2.000 Jahre alten Worte aus dem Johannesevangelium und dem 1. Johannesbrief, verneigten uns bei der Wandlung, stellten uns auf zum Empfang des Leibes Christi - und saßen anschließend in der Junisonne beim Frühschoppen.

(Kleine Anmerkung zum Verneigen: Das Knien auf offener Straße bzw. offenem Feld ist aus der Mode gekommen. Kann sein: 1. Postvatikanische Liberalisierung, oder 2. Aufrücken aus dem Kleinbürgertum in die Mittelschicht mit entsprechender Kleiderordnung.)
Bunte Mischung

"Die Kirche ist, wie die Sonne, für alle da. Für Gerechte und Ungerechte, Sympathen und Unsympathen, Dumme und Gescheite; für Sentimentale ebenso wie Unterkühlte, für Neurotiker, Psychopathen, Sonderlinge, für Heuchler und solche wie Natanael, 'an denen kein Falsch ist' (Joh 1, 47); für Feiglinge und Helden, Großherzige und Kleinliche. Für zwanghafte Legalisten, hysterisch Verwahrloste, Infantile, Süchtige und Perverse. Auch für kopf- und herzlose Bürokraten, für Fanatiker und auch für eine Minderheit von gesunden, ausgeglichenen, reifen, seelisch und geistig begabten, liebesfähigen Naturen.

Die lange Liste ist nötig, um klarzumachen, was man eigentlich von einer Kirche, die aus allen Menschensorten ohne Ansehen der Person, von den Gassen und Zäunen wie wahllos zusammengerufen ist und deren Führungspersonal aus diesem bunten Vorrat stammt, erwarten kann - wenn nicht ständig Wunder der Verzauberung stattfinden, die uns niemand versprochen hat. Heilige, Erleuchtete und Leuchtende sind uns versprochen. Wer sie sucht, kann sie finden. Wer sie nicht sucht, wird sie nicht einmal entdecken, wenn sie jahrelang neben ihm gehen, weil er sie vielleicht nicht wahrhaben will oder kann." (Albert Görres, in: Tiefenpychologische Deutung des Glaubens, 134)
Ich bin nicht allein

Gegenüber, auf der anderen Seite von Aschaff, Autobahn und Eisenbahn sitzt der Schreiber des "Weblogs der kreativen Ungewißheit". Wofür der GEO-URL nicht alles gut ist.