25. Juni 2003

Liturgie im Duell: Alt gegen Neu
mitsamt einigen Anmerkungen zur liturgischen Wahrhaftigkeit


Die Münchner Kirchenzeitung bringt einen - nicht ganz unparteiischen - Bericht über die Diskussion in der Katholischen Akademie zwischen Martin Mosebach und dem Liturgiker Philipp Harnoncourt.

"Wahrhaftigkeit [sei] wichtiger als vorgeschriebener Wortlaut", wird Harnoncourt zitiert. Wie wichtig ist Wahrhaftigkeit wirklich? Und wie wichtig ist sie in gemeinsamen Akten, wie die Liturgie einer ist? Können fünf oder fünfzig oder fünfhundert Menschen gleichzeitig wahrhaftig sein?

"Heuchelei ist die Verbeugung des Lasters vor der Tugend", sagt ein Sprichwort. Und in einem gewissen Sinn "heucheln" wir immer in der Liturgie: Wir tun, als ob. Als ob wir genug bekennen und bereuen. Als ob wir wissen, was es bedeutet, GOtt in den Höhen die Ehre zu geben. Als ob das zweischneidig-scharfe Schwert des Wortes Mark und Bein durchfahren würde (wo wir in den Bänken doch ruhig sitzen und apathisch stehen). Als ob wir die Sprache der Engel ohne menschlichen Akzent beherrschten, wenn wir in das dreifach-vollkommene "Heilig" einstimmen. Als ob wir Jesus Christus offen und vorbehaltlos aufnehmen.

Ich würde sagen, daß Liturgie uns Formen an die Hand gibt, wie wir trotz unserer eingeborenen Unwahrhaftigkeit dem begegnenden GOtt angemessen und ohne allzu große Peinlichkeit begegnen können. Gerade weil ich mich nicht mehr sorgen muß, ob meine spontanen Worte und Gesten richtig und hier und jetzt angebracht sind, fällt ein bißchen Unwahrhaftigkeit von mir ab. Gerade weil ich mich nicht mehr um den echten und gar den für andere sichtbaren Ausdruck meiner Person (oder gar ihrer aktuellen Befindlichkeit) kümmern muß - finde ich mich in den objektiven liturgischen Handlungen wieder.

Am lächerlichsten ist es immer dann, wenn vierzigjährige Frauen in Kinder- und Familiengottesdiensten lachend und singend ihr Gut-Drauf-sein (und einen gewissen Exhibitionismus) zur Schau stellen, indem sie ganz authentisch im Altarraum herumalbern. (Vierzigjährige Männer wären noch peinlicher in dieser Situation - aber zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Die meisten bewegen sich ganz wahrhaftig-steif-unbeholfen.)

Ach ja: Die dumme Überschrift "Feste Rubriken oder erfassbares Geheimnis" geht wohl aufs Konto der Redaktion und soll hier lediglich und spaßeshalber mit einem Zitat von Karl Rahner kommentiert werden:

"Damit erweist sich der Begriff des Geheimnisses selbst als ein Geheimnis, da er nicht eigentlich ursprünglich als bloße Negativität vom Verstandenen und Durchschauten her, als Grenzbegriff zum begriffenen Begreifen verstanden werden kann, sondern immer in der transzendentalen Erfahrung des letzten Wesens des Geistes gegeben ist, als das unsagbare, nie überholbare Woraufhin des Geistes selbst, der sich durch diese seine Wesensbezogenheit auf das absolute Geheimnis hin selbst als Geheimnis erweist." (HThG II, Art. Geheimnis)

Oder mit Kardinal Carlo Martini: Geheimnisse werden in der Kirche nicht erfasst, erklärt, gelüftet, sondern - gefeiert.

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