15. Oktober 2005

The Stripping of the Altars

Von meiner USA-Reise in der letzten Woche habe ich außer drei sehr empfehlenswerten Musikscheiben (Mountain Soul / White Gospel: Ralph Stanley: Shine On; 21st Century Bluegrass: Uncle Earl: She Waits for Night; Countryesk-ruhiges Songwriting: Over the Rhine: Drunkard's Prayer) einen dicken und mit 19,00 $ überdies preiswerten Schmöker mitheimgebracht, der nicht nur in jeden gutkatholischen Haushalt gehört ;-), sondern überdies spannend zu lesende, seriöse Geschichtsschreibung ist:

Eamon Duffy beschreibt in seinem bereits 1992 veröffentlichten "The Stripping of the Altars" den Zustand der "traditional religion in England" in der Zeit von ca. 1400 - 1580. Das Ergebnis seiner 600+ Seiten: Der englische Katholizismus war lebensvoll, wurde getragen von engagierten Laien (wie man heute sagen würde), bot der "religious imagination" eine reiche, bunte, von Heiligen, Symbolen, Sakramenten, Mitchristen und dem HErrn bevölkerte Welt, war keineswegs erschöpft und ausgelaugt.
"Die traditionelle Religion wies keine besonderen Anzeichen von Erschöpfung oder Verfall auf und zeigte sich tatsächlich in einer ganzen Menge von Wegen, von der Vervielfachung religiöser Bücher in der Volkssprache bis zu Anpassungen innerhalb der nationalen und regionalen Heiligenverehrung, sehr wohl fähig, auf neue Ansprüche und neue Bedingungen einzugehen. Ebenso scheint es mir nicht, daß Tendenzen einer "Privatisierung" der Religion, wachsende religiöse Kultiviertheit und Bildung der Laienschaft oder zunehmende Betätigung der Laien in Gilden und Pfarreien die Tenzenz zum Protestantismus in sich trugen, den einige Historiker ausgemacht haben. Daß es in der Religion des Spätmittelalters vieles gab, was später in einem reformierten Rahmen entwickelt wurde, ist offensichtlich, aber es gab praktisch nichts in der Eigenart der Religion im spätmittelalterlichen England, was nur oder wenigstens am besten im Protestantismus hätte entwickelt werden können. (...) Letzten Endes war die Reformation ein gewaltsamer Abbruch, nicht die natürliche Erfüllung des meisten, was in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit und religiösen Praxis stark war." (4; eigene Übersetzung)

"Dieses Buch war getragen von einer Überzeugung, daß die Reformation, wie sie von den gewöhnlichen Leuten erfahren wurde, keine unkomplizierte Befreiung der Vorstellungskraft war, keine Wiederherstellung des wahren Christentums nach einer Periode der Degeneration und Verdorbenheit, sondern, zum Guten oder Schlechten, ein großer kultureller Hiatus, der einen Graben zog, tief und trennend, zwischen dem englischen Volk und seiner Vergangenheit. Innerhalb von drei Generationen wurde ein Millenium des Glanzes - die Welten eines Gregor, Beda, Anselm, Franziskus, Dominikus, Bernhard, Dante, alles, was Geist und Herz der Christenheit für tausend Jahre begründet und genährt hatte - zu fremdem Territorium, zu dunklen Zeitaltern der 'Papisterei'. Der Protestantismus des 16. Jahrhunderts war gebaut auf einer Reihe von hehrer Bejahungen - der Herrschaft der Gnade Gottes im Heilswerk, der freien Verfügbarkeit ebendieser Gnade für alle, die sie suchen, die Selbstoffenbarung Gottes in seinem heiligen Wort. Aber schnell verkrampfte er sich um eine Reihe von Negationen und Zurückweisungen." (xvi, aus dem Vorwort von 2005)
Im Vorwort zur Neuauflage reflektiert Duffy sein eigenes Engagement, seine eigene Betroffenheit, die in seinem Werk spürbar sind, und nimmt an seiner Wurzel das große "Entblößen der Altäre" wahr, das im letzten Jahrhundert auch seine Heimat Irland heimsuchte und das er, damals junger Mann, als "imaginative and symbolic revolution" erlebte.

Keine Kommentare: