17. Oktober 2005

Aus Lorenz Jägers Bücherkiste

"Benedikt XVI. heißt der Papst in diesem 1973 erschienenen Buch. Es ist nicht der einzige seherische Zug in Jean Raspails Roman 'Das Heerlager der Heiligen'. Und Raspail ist nicht irgendwer: ein bedeutender Reiseschriftsteller der fünfziger Jahre, bekannt geworden durch seine Schilderungen des südamerikanischen Feuerland und der Inkas; Romancier, ausgezeichnet von der Académie Française, glühender Monarchist und insofern schon ein Unzeitgemäßer - vielleicht war es diese Distanz zum Geist der Zeit, die ihn vor mehr als dreißig Jahren manches von dem vorhersehen ließ, was in diesen Tagen zur dramatischen Aktualität geworden ist, da wir die Berichte und Bilder (mit Ausnahme der schlimmeren) aus Ceuta und Melilla zur Kenntnis nehmen müssen. Raspails Thema war der Ansturm des armen, bevölkerungsstarken Südens auf den reichen, an sich selbst irre gewordenen Norden. (...)

Raspails Roman ist grotesk-apokalyptisch bis zur Obszönität, er schwelgt im Häßlichen, Grausamen, und vielleicht war dies der Preis für die visionäre Kraft. Der Autor verlängerte, wie Orwell in der negativen Utopie '1984', die Linien seiner Gegenwart. Die traurigste Rolle spielen die Kerenskis der multikulturellen Gesellschaft - jene, die an Dialog glauben, aber gleich vom ersten Ansturm am Strand überrannt werden. Zu diesen Gutgläubigen gehören im Roman auch die Vertreter der Kirche, deren nachkonziliare Entwicklung Raspail mit Erbitterung sah. Benedikt XVI. ist hier Brasilianer. Die Schätze des Vatikans hat er - wie Paul VI. die Papstkrone - verkaufen lassen, um den Armen zu helfen. Überall herrscht die neue Religion der Ökumene - für Raspail die Lehre des Antichrist. Man trifft sich zum Hungerstreik für die Migranten in einer Abtei, deren Leiter Dom Vincent Laréole eigens zu diesem Zweck von einem buddhistischen Kongreß in Kioto zurückgekehrt ist. Eine deutsche Ausgabe des Romans, der in Frankreich ein Bestseller war, erschien 1985, leider in einem obskuren Verlag. Sie ist seit langem vergriffen." (FAZ.NET)

Über das ZVAB ist z. Zt. kein Exemplar mehr zu bekommen.

2 Kommentare:

Scipio hat gesagt…

Im Original wohl schon, wie sich bei Amazon France zeigt. Nützt mir wegen eines Sprachfehlers leider wenig.

Petra hat gesagt…

Bin auch aufmerksam auf das Buch geworden - auf amazon.fr bekommt man's tatsächlich, allerdings recht teuer (20 Euro). Vielleicht kauf ich's mir ja trotzdem - und kann dann Auszüge in deutscher Übersetzung posten... :-)