30. Dezember 2004

Morituri TE salutant

Was ist es, das die Flutkatastrophe zu diesem einmaligen Schreckensereignis macht - auch für uns Deutsche, uns Nicht-Betroffene? Die riesige Zahl der Todesopfer? Das Ausmaß der Zerstörung und des menschlichen Leids? Die Plötzlichkeit des Geschehens? Das timing am 2. Weihnachtstag, mitten in die allgemeine Feststimmung? Die Blindheit, mit der "die Natur" zuschlägt? Oder ist es das Erlebnis des Ausgeliefertseins an ein Schicksal, das so gar nicht gütig oder sinnvoll sich zeigt?

Wir hätten es gern heimelig auf dieser Erde, aber damit ist es nichts. Nicht nur nach solchen Katastrophen, sondern grundsätzlich und immer. Die "Natur", das Leben, die Vorsehung, das Schicksal, der Allmächtige Gott - sie sind nicht gerecht. Nicht so, wie wir Gerechtigkeit verstehen.

"Gibt es Gott?", "Wie konnte Gott das zulassen?" - unvermeidlich werden die uralten Fragen wieder lauter gestellt. Uralte, nie verstummte Fragen, nie ein für allemal und endgültig beantwortete Fragen. Wäre die Antwort so offensichtlich oder so naheliegend ein "Nein, es gibt ihn nicht", wie es jetzt wieder scheint - dann hätte es in der menschlichen Katastrophengeschichte nie ein "Ja" geben dürfen.

Mein "Ja", mein "Nein" - beide kosten mich nichts. Nicht in diesem Augenblick, in dem ich satt in einem warmen Zimmer sitze, inmitten einer gesunden und intakten Familie, mit einem festen Einkommen, in einem der sichersten, reichsten, ungefährdetsten Länder der Erde. Aber die Opfer dieser Tage - nicht nur in Südasien, nicht nur im Irak, nicht nur drüben im Krankenhaus auf der anderen Talseite -, die Opfer früherer Tage und die Opfer von morgen und übermorgen geben ihre Antwort, schreien oder flüstern ihr "Ja", ihr "Nein", ihr "Vielleicht", ihr "Ich weiß es nicht". Und einmal werde ich zu ihnen gehören.

Ich hoffe, hoffe inständig, daß ER mir dann begegnet wie ER allen anderen Opfern begegnen möge. Und daß dann, wenigstens dann alle unsere Leiden, unsere Sorgen, unsere Schmerzen, unser Tod ihren Sinn finden und aufgehoben sind in IHM.

(Für jetzt schließe ich mich Daniel an - und Ihr alle am besten auch.)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hast mal wieder sehr treffende Worte gefunden. Danke dafür. Dir & Deiner Familie ein gesegnetes Jahr 2005 - wir lesen uns!

Daniel
(dunkelblau.blogg.de)