22. Juni 2009

Dylan propheta, magister, philosophus

Propheta

Daß der amerikanische Präsident bei Gelegenheit zum aggressiven Fliegenfänger mutiert, hat sich herumgesprochen.



Weniger bekannt ist, daß Bob Dylan genau das in seinem Tombstone Blues 1965 schon prophezeit hat. Dort heißt es nämlich:

"Well, John the Baptist after torturing a thief
Looks up at his hero the Commander-in-Chief
Saying, “Tell me great hero, but please make it brief
Is there a hole for me to get sick in?”

The Commander-in-Chief answers him while chasing a fly
Saying, “Death to all those who would whimper and cry”
And dropping a bar bell he points to the sky
Saving, “The sun’s not yellow it’s chicken”.


RightWingBob hat das mit Leserhilfe jetzt publik gemacht.

Magister:

Im Rolling Stone vom Juni 2009 findet sich die Übersetzung eines neuen Interviews von Douglas Brinkley mit dem Barden. Sie enthält unter anderem diese denkwürdige Passage:

"Als ich ihn auf seine Begabung anspreche, sich vom hektischen Treiben der Welt abzukoppeln, zitiert er Scipio: 'Scipio, der große Bezwinger Hannibals, sagt: 'Ich bin nie in besserer Gesellschaft, als wenn ich allein bin.' Für Dylan ist das eine Volksweisheit, nach der man leben kann. Eine Weisheit, die auch Hank Williams verstand. 'Einsamkeit ist wichtig für einen Menschen', sagt er zu mir, ganz der Lehrer. 'Man muss etwas über sich lernen und Dinge herausfinden, und das geht gut so. Zu viel davon ist natürlich nicht gut. Man kann alles missbrauchen.'"

Philosophus

Ein Stück weiter im Artikel schreibt Brinkley:

"Weil Ostern ist, will ich ihn nach der Bedeutung der Bibel für sein Leben fragen. 'Klar', sagt er, 'auch die anderen ersten Bücher, die ich las, waren biblische Sachen. 'Onkel Toms Hütte' und 'Ben Hur'. Das waren die Bücher, in denen ich die Religion fand. Später las ich immer wieder Plutarch. Und Cicero, Tacitus und Marcus Aurelius... Ich habe es mit der Moral. Es wird ja viel darüber geredet. Manche sagen, man kann Moral nicht per Gesetz verordnen. Vielleicht nicht. Aber Moral hat inzwischen einen schlechten Ruf. Bei den Römern setzte sie sich aus vier Dingen zusammen: Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Mut. Das sind die Elemente, die die Tiefe der Moral eines Menschen bestimmen. Und daraus ergeben sich die Verhaltensmuster, nach denen man in allen Situationen reagiert. Ich betrachte Moral nicht als etwas Religiöses.'"

Ein bißchen ins Unreine, wo Weisheit nicht das selbe meint wie Klugheit, und Tapferkeit etwas anderes als Mut, aber wir sehen: Bob Dylan ist ein Tugendethiker in irgendwie aristotelischer Tradition: Es ist der tugendhafte Mensch, der gut handelt. Und das steht allen offen, dafür muß man kein Katholik sein, nicht einmal Christ.

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