Retroaktives Gebet und mehr
Ein besonderes Lektüreerlebnis bringt jedes Jahr das Abschlußheft des British Medical Journal: In typisch britischer Manier werden dort im weitesten Sinn medizinische Fragen behandelt, von denen wir Kontinentaleuropäer nicht einmal wußten, daß man sie stellen kann.
In der Ausgabe vom 20. Dezember finden sich u. a. eine retrospektive Studie von Furness et al, die den Zusammenhang von Autofarbe und Personenschäden bei Verkehrsunfällen untersucht, eine Analyse der Mortalität von Überlebenden des Titanic-Untergangs (Hanley et al) und eine Studie zum Einfluß der Geschwisterposition auf die Fußballposition (Perkin): Spielen die älteren Brüder ihr ganzes Leben lang im Sturm, während die Kleinen später immer noch ins Tor müssen?
Im Zusammenhang dieses Weblogs besonders erwähnenswert ist der Aufsatz von Brian Olshansky und Larry Dossey: Retroactive Prayer: a preposterous hypothesis?. Sie diskutieren eine frühere Studie von Leonard Leibovici, der in einer Doppelblindstudie den Einfluß von nachträglichem (bis zu 10 Jahre später!) fürbittendem Gebet auf bestimmte klinische Parameter von Sepsis-Patienten untersucht hatte.
Leibovici selbst erklärte seine Studie in der folgenden Diskussion zu einer "non-study": Nicht um die Wirksamkeit rückwirkenden Gebetes sei es ihm gegangen, sondern um die Frage: "Would you believe in a study that looks methodologically correct but tests something that is completely out of people's frame (or model) of the physical world - for example, retroactive intervention or badly distilled water for asthma?"
Olshansky und Dossey stellen jetzt die großen Fragen: nach Zeit und Raum und ihren Dimensionen, nach dem Bewußtsein und der geographischen und zeitlichen Reichweite seiner Wirksamkeit - und nach den Grenzen der Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit.
Auch wenn bei GOtt nichts unmöglich ist: hier dehnen wir jedenfalls unser (christliches) Verständnis der "normalen" Welt bis an die Grenzen - dahin, wo uns schwindelig wird.
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