Konzilsgeist
Ein nettes Bespiel für den "Konzilsgeist" findet sich m. E. in einem Text von Bernd-Jochen Hilberath, des Nachfolgers von Hans Küng am Tübinger Institut für Ökumenische Forschung.
Es geht in diesem in FAZ veröffentlichten Text um die neuerdings viel diskutierte Frage, was zuerst war und deshalb auch jetzt immer noch "zuerst" kommen muß: Weltkirche oder Ortskirche.
Hilberath zitiert darin Karl Rahner und schreibt:
"Daraus folgert das Konzil die Kollegialität der Bischöfe, die gemeinsam mit dem Papst - und nicht dieser mit der Kurie! - die Kirche leiten. Karl Rahner, einer der einflußreichen Berater, hat die Aussage des Konzils sowohl in ihrem Übergangscharakter wie hinsichtlich ihres Zukunftspotentials in seinem Kommentar zur Stelle (Lexikon für Theologie und Kirche, Ergänzungsband 1, S.242-244) auf den Punkt gebracht: 'Nun ist wohl nüchtern zuzugeben, dass für das Konzil die andere Blickrichtung aus der traditionellen Theologie vorgegeben war und sich fast unvermeidlich auswirken mußte, und dass es fast unmöglich war, im einen und selben Dekret beide Aspekte gleichermaßen als Aufbauprinzip zu verwenden. Immerhin schließt die Konstitution die andere Sichtmöglichkeit nicht aus: man kann von der konkreten Gemeinde ausgehen ... Demgegenüber ist es wenig wichtig, dass diese Sätze wie ein Einsprengsel in der vorgesehenen Thematik wirken und nicht zum Strukturprinzip der ganzen Kirchenkonstitution gemacht wurden.'
'Wenig wichtig', wenn die Auslegung des Konzils, die Umsetzung der Vision in die Wirklichkeit, der zukunftsweisenden Intention der Konzilsväter folgt!"
Das heißt doch:
1. Das Konzil war in der traditionellen theologischen Denkweise befangen. (Rahner)
2. Es hat im fraglichen Dekret nur ein "Aufbauprinzip" wählen können. (Rahner)
3. Es hat daher die traditionelle Sichtweise der Kirche (mit einem Primat der Universal- oder römischen Kirche) als "Aufbauprinzip" gewählt. (Rahner)
4. Eine andere, am Ortskirche orientierte Sichtweise wird zwar nicht ausgeschlossen, wird aber auch nicht zum "Aufbauprinzip" des Textes gemacht und wirkt wie ein Einsprengsel. (Rahner)
5. Diese andere Sichtweise ist aber die eigentliche Vision des Konzils, seine zukunftsweisende Intention. (Hilberath)
6. Deshalb ist der Text, in dem ja die tradionelle Sicht überwiegt, "wenig wichtig". (Hilberath/Scipio)
7. Ja, eigentlich ist der Konzilstext sogar irreführend, weil er seine Hauptbotschaft nicht klar sagt, sondern quasi "sub contrario". (Scipio)
Damit hat sich der Konzilsgeist wieder vom Fleisch des Textes gelöst, desinkarniert also - und sucht seine Heimstatt in den Köpfen der berufenen Exegeten, als da heißen "theologoi".
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