18. April 2006

Dänemark und MTV

Mit Dänemark gegen die Muslime, mit den Katholiken gegen MTV – geht das zusammen? Diese Frage musste ja kommen.

Vorab: Spott über die Religion und ihre Vertreter, Gläubige wie Funktionäre, ist erst einmal nichts Außergewöhnliches, eher im Gegenteil. Unheilige Menschen, die in Gesten, Worten, Riten, Gegenständen, die in persona gar das Heilige oder Den HEiligen präsentieren, sind unvermeidlich lächerlich: Spott als Reaktion auf den großen Unterschied zwischen hier und DOrt, zwischen Erde und Himmel, zwischen uns und IHm hat seinen Platz sogar innerhalb der Religion. Die Propheten Israels, die Apostel des neuen Bundes und unser Herr selbst haben den Spott als 'Stilmittel' eingesetzt. Nicht um zu destruieren, sondern um zu korrigieren. Nicht um dem Verspotteten seine Würde als Würdenträger zu nehmen, sondern um sie ihm zurückzugeben als Werkzeug des HEiligen. „the priest’s loved in scorn, how you know he is sacred - der wahre Priester mit Spott geliebt, so weiß man, er ist heilig“ – so Les Murray in seinem Gedicht „Trances“ (1996). Nicht zu schnell also sollten Christen und Andersgläubige die Hand des weltlichen Gesetzes zu Hilfe rufen, wenn sie Blasphemie riechen.

[Und wenn sie es tun, sollten sie wissen, dass keine Hilfe umsonst zu haben ist: sie nimmt auch den in die Pflicht, dem da geholfen wird. Daß die deutschen Kirchen so zahnlos, so staats- und gesellschaftstragend, so wenig prophetisch sind, hängt auch mit der deutschen Variante der Kooperation zwischen Kirche(n) und Staat zusammen. Für das System der Kirchensteuer, des Religionsunterrichts, der theologischen Fakultäten, der öffentlichen Feiertage an Hoch- und Heiligenfesten bezahlt die Kirche mit der Währung der Harmlosigkeit, des Profilverlusts, der Verwechselbarkeit mit anderen öffentlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Aber das ist wieder ein anderes Thema...]

Zurück zu MTV und Dänemark: Wenn Muslime in Dänemark lautstark protestieren oder die Jyllands-Posten abbestellen, dann nehmen sie bei ihren Äußerungen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und eine freie Presse in Anspruch. Wenn in Jakarta oder Teheran die dänischen Botschaften belagert oder angezündet werden, dann soll Kopenhagen unter Druck gesetzt werden, eben dieses Recht einzuschränken.

Wenn ich den Verantwortlichen von MTV meinen Ärger in ihrem supereinfallsreichen Virtuellen Beichtstuhl ablasse oder bei www.antipopetown.de mitunterschreibe, dann bringe ich meine Stimme im - durchaus dissonanten - Konzert der freien Meinungen zu Gehör. Wenn ich meine Geschäftsbeziehungen zu Werbepartnern von MTV einschränke, habe ich von Kampagnen gegen Coca-Cola gelernt und handle als mündiger Konsument. Wenn Mitarbeiter von MTV in Deutschland bedroht, geächtet, gemobbt werden - dann wäre die Freiheit der Meinung, der Medien oder des künstlerischen Ausdrucks in Gefahr. Dann würde ich MTV in seinem "Kampf um die Pressefreiheit" unterstützen - ohne deshalb Popetown auch nur einen Deut gelungener zu finden.

Father Richard John Neuhaus im April-Heft von First Things:

"Ich werde gefragt: 'Wie kommt's, daß Sie jetzt die Verspottung von Religion in den Medien unterstützen?' Die Antwort ist, daß ich das nicht tue. Ich bin für Zensur und meine damit, daß die beste Form von Zensur Selbstzensur ist, was wiederum nur ein anderer Name für Selbstdisziplin ist. Aber wenn Regierungen die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken suchen (...), bin ich im allgemeinen auf der Seite der freien Meinungsäußerung. Nach christlichem Verständnis gehört der Schutz der Freiheit wesentlich zur Würde der menschlichen Person, auch wenn die Person diese Freiheit mißbraucht."
Vielleicht lässt sich MTV ja noch überzeugen, daß es auch "im eigenen Interesse" liegt, "mit allen den kulturellen Quellen schonend umzugehen, aus denen sich das Normbewußtsein und die Solidarität von Bürgern speist."

"Astreine Werbekampagne" - mag sein, lieber Duba (Schön, mal wieder was von Dir zu hören!). Aber lassen wir sie bleiben, heißt es beim nächsten Mal: "Damals hat sich doch auch keiner aufgeregt"! Und schlecht fürs eigene Selbstbewußtsein war es noch jedes Mal, den Schwanz einzuziehen und auf den nächsten Schlag zu warten. (Nein, ich will damit nicht suggerieren, daß die Kirche in der deutschen Öffentlichkeit eine verfolgte Minderheit ist, die gerade in den letzten Jahren etc. etc. Aber wäre Schweigen ein Ausdruck des Hinhaltens der anderen Wange? Oder ein Fall des Lernens von den schlangenschlauen Weltkindern?

Unserem Gebet wird MTV jedenfalls nicht entkommen.

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