3. Oktober 2004

Literaturgeschichte

Selten genug sitzen Vater und Tochter allein beim Abendessen. Unerhört, daß sie dabei über deutsche Literatur sich unterhalten. Die Tochter hatte eine Liste mit Referatethemen für den Deutschunterricht: Barock, Goethe, Schiller, dann die neueren: Brecht, Borchert, Frisch, Böll, Lenz, Grass, Dürrenmatt , Walser, konkrete Poesie, und als Krönung die DDR-Literatur vor und nach 1970. Absolut kein "Burner" darunter, meinte die Tochter. Der Vater versuchte halbherzig dagegen zu halten; der Blick in den Glaser machte allerdings für die Tochter den ursprünglichen Favoriten Lenz obsolet. Das Argument, daß Bölls Bücher einen eher begrenzten Umfang hätten, gab letztlich den Ausschlag.

Zum Schluß ließ die Tochter zu, daß der Vater wie schon gelegentlich versuchte, ihr Lyrik schmackhaft zu machen. Über vorgetragene Beispiele konkreter Lyrik konnte sie jedoch nur den Kopf schütteln. Erst Robert Gernhards "Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs" entlockten ihr ein herzhaftes Lachen.

Als die Mutter heimkam, erzählte sie ihr davon. Und fügte an: "Aber nicht daß du denkst, daß ich jetzt Gedichte mag."

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