3. November 2003

Balthasar und Metz zum Leiden Jesu

Ralf fragte in seinem Kommentar zum Post Aktuelle Communio, wie Hans Urs von Balthasar (HUvB) und Johann Baptist Metz (JBM) zum Glaubenssatz stehen, daß die "göttliche Natur Jesu am Kreuz nicht gelitten habe".

Ich weiß nicht, ob HUvB irgendwo direkt sagt, daß die göttliche Natur Jesu am Kreuz gelitten oder nicht gelitten habe. In der "Theologie der drei Tage"(TddT) und in der "Theodramatik"(TD) finde ich jedenfalls keine entsprechenden Sätze. Er geht vielmehr den Ereignissen der Heiligen Drei Tage nach und sieht in ihnen das Ereignis und die endgültige Offenbarung der Liebe Gottes und ebenso den Ort, wo Jesus Christus an unserer Stelle Leiden und Tod auf sich nimmt, die Weltschuld und unsere Sünde sühnt und damit Erlösung und Versöhnung bewirkt.

Aus seiner Sicht von Passion und Kreuz folgt für ihn: "mit den Verlorenen solidarisch werden heißt mehr als nur äußerlich-stellvertretend für sie sterben, ... mehr auch als nur ihr gemeinsames unvermeidliches Todesschicksal auf sich nehmen, mehr auch als bloß den allem Sünderleben seit Adam je schon konstitutiv-immanenten Tod bewußt auf sich laden und ihn personal zu einem Akt des Gehorsams und der Hingabe an Gott verantwortlich gestalten ... Es geht über all dies ... hinaus um ein völlig einmaliges Tragen der Gesamtschuld der Welt durch den völlig einmaligen Sohn des Vaters ..."(TddT, 133f). Nicht nur ein vorbildlicher Gehorsam, sondern ein Gehorsam, der in den Schmerz, den Tod, die Gottverlassenheit geht. Nicht nur Hingabe an Gottes Willen, sondern eine Hingabe, die sich von menschlicher Empörung, menschlichem Unverständnis, menschlicher Sünde töten und quälen läßt. Ohne Rückbehalt. Aber so, daß in seinem Leiden alles menschliche Leiden, in seinem Tod aller menschliche Tod "einbehalten" sind.

Dabei schließt er sich Ferdinand Ulrich an: "Nur weil Schmerz und Tod Gott selbst innerlich sind, und zwar als flüssige Form der Liebe, kann er Tod und Schmerz durch seinen Tod und seine Auferstehung besiegen ... Schmerz und Tod sind nicht kraft einer ewigen Gleich-Gültigkeit seines Wesens überholt, sondern deshalb, weil sie von Gott her, kraft seiner absoluten Freiwilligkeit, ewig Sprache (bis zum Todesschrei, Verstummen, Totsein) seiner Herrlichkeit sind." (TD IV, 221f)

HUVB prüft sehr genau die verschiedenen theologischen Entwürfe der Kirchenväter und der Neuzeit, und versucht, den heilsökonomischen Schmerz Gottes trinitätsimmanent grundzulegen: im vollen Bewußtsein der Analogie menschlichen Sprechens ("Ähnlichkeit bei immer größerer Unähnlichkeit"); festhaltend an der Unveränderlichkeit Gottes, die er allerdings mit den Vätern als unveränderliche Liebe versteht, eine Liebe, die so unveränderlich ist, daß sie sich nicht zurückzieht vor dem Leiden. (Origenes: "Also ist der Vater selbst nicht leidensunfähig. Wenn man ihn bittet, erbarmt er sich und leidet mit. Er leidet an der Liebe und begibt sich in Empfindungen, welche er gemäß der Größe seiner Natur an sich nicht haben kann, und erträgt wegen uns menschliche Affekte."(Hom. in Ez., 6, 6))

"Fragt man aber, ob Leiden in Gott sei, so lautet die Antwort: in Gott ist der Ansatzpunkt für das, was Leiden werden kann, wenn die Vorsichtslosigkeit, mit der der Vater sich (und alles Seinige) weggibt - was zur wesenhaft göttlichen Vorsichtlosigkeit der totalen Selbstverdankung und des Sich-verschwenden-lassens des Sohnes und zu der des ihm mitgegebenen Geistes führt - auf eine Freiheit stößßt, die diese Vorsichtslosigkeit nicht beantwortet, sondern in die Vorsicht des Bei-sich-selber-beginnen-Wollens verwandelt."(TD III, 305)

JBM kenne ich zu wenig, um wirklich seine Meinung darstellen zu können. Aber die Bemerkungen und Zitate im Communio-Heft und das, was ich kenne, geben mir folgendes Bild:

Erstens scheut er als Rahner-Schüler, der er ist, vor jeder Spekulation über das Innenleben Gottes zurück. Zweitens befragt er die theologische Rede vom leidenden Gott auf ihre Beruhigungs-, Alibi-, Verharmlosungsfunktion hin (z.B. im Plädoyer für mehr Theodizee-Empfindlichkeit in der Theologie. In: W. Oelmüller (Hrsg.): Worüber man nicht schweigen kann).

Und dann erst kommt der dritte Schritt: "Wie aber kann ohne Rede vom leidenden Gott die Theologie vom Schöpfegott angesichts der himmelschreienden Zustände seiner Schöpfung den Apathieverdacht fernhalten? Steht nicht bei Johannes lapidar: 'Gott ist Liebe'? Wie wäre diesem biblischen Satz anders Rechnung zu tragen als mit der Rede von einem leidenden, von einem mit seiner vom Leid durchkreuzten Schöpfung leidenden Gott?"(ebd., 136)

Das sind keine rhetorischen Fragen, denn er antwortet mit einem Aufschub, mit dem Hinweis auf den Verheißungsvermerk, den "alle Gottesprädikate in den biblischen Traditionen ... tragen ... Videbimus." (ebd., 136f.)

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