3. Oktober 2003

Recht hat er.

Bischof Reinhard Marx (Trier) am 25. September in Fulda:

"... die Kirche ist auch nicht nur ein Untersuchungsobjekt der Geschichtswissenschaft und der Soziologie. Sie ist das Volk Gottes, das immer wieder den eigenen Weg im Licht des Evangeliums betrachtet und so bereit wird zur ständigen Erneuerung. Für uns als Kirche gilt es, in jeder Zeit neu die Herausforderung anzunehmen, mitten in der Welt das Evangelium vom auferstandenen Herrn Jesus Christus zu bezeugen. Und deshalb verbietet sich ein nostalgisches Zurückschauen in vergangene, scheinbar bessere Zeiten, genauso aber auch der Traum von einer Zukunftskirche, die mehr eine Flucht aus den gegenwärtigen Problemen ist als eine Hilfe zur Veränderung und Erneuerung. Wir sind hineingestellt in diese Zeitstunde und sollten das mit ganzem Herzen annehmen und bejahen. Das ist der notwendige Ausgangspunkt aller Neuorientierung. Vor allem hilft es nichts, die Gegenwart zu verteufeln, die moderne Welt als einen Irrweg hinzustellen und damit letztlich auch den universalen Anspruch des Evangeliums aufzugeben, der ganzen Schöpfung und allen Menschen das Wort Gottes zu verkünden.

Das bedeutet nicht, die Augen zu verschließen vor einer größer werdenden Differenz von Kirche und Gesellschaft. Das zeigen alle Untersuchungen, auch der jüngste Trendmonitor des Allensbacher Instituts für Demoskopie bestätigt diese Entwicklung der "beschleunigten Moderne" und es kann ja auch gar nicht anders sein. In einer Welt, in der die Freiheit des Einzelnen sich immer mehr erweitert und damit die Gesellschaft individualistischer wird und kaum noch ein gemeinsamer Wertehorizont gefunden werden kann, ist es für die Kirche immer schwieriger, deutlich zu machen, dass Glauben auch heißt, einer konkreten Gemeinschaft verlässlich und für immer anzugehören. Genauso schwer ist es, zu akzeptieren, dass der Glaube nicht nur persönliche Meinung ist, sondern einen Wahrheitsanspruch hat, der über mein eigenes Verstehen hinausgeht. Und: Im Glauben bekenne ich mich zu einer neuen Lebensweise, die sich oft genug unterscheiden muss von dem, was vordergründig für das Glück gehalten wird. Für mich ist die Kernfrage deshalb: Können wir auf der einen Seite profiliert und froh katholisch sein und gleichzeitig auf der anderen Seite mit Zuversicht in dieser Gesellschaft als moderne Menschen leben?

Wie aber kann die größer werdende Spannung ausgehalten werden? Wie können wir die Kraft des Glaubens neu erschließen? Ich bin überzeugt: Eine geistliche Erneuerung und ein Neuaufbruch in der Evangelisierung kann nur gelingen, wenn wir deutlich machen: Der Glaube an den dreifaltigen Gott, gelebt und gefeiert in dieser sichtbaren Kirche, ist die stärkste Alternative, das größte Abenteuer für Geist und Herz des Menschen. Nicht indem wir die Welt anklagen, sondern indem wir ihr zeigen, was stärker ist, können wir unseren Weg in die Zukunft gehen. Im Grunde ist das auch der viel beschworene Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils: Das Konzil wollte nichts abschaffen, wollte keine Relativierung der Glaubenswahrheiten und der katholischen Grundüberzeugung, aber es wollte – so hat es Papst Johannes XXIII. in seiner beeindruckenden Eröffnungspredigt gesagt – in besserer und überzeugenderer Weise den Schatz des Glaubens allen Menschen zugänglich machen.

Wenn wir doch in unserer Liturgie, in unserem gemeinsamen Zeugnis der Liebe, in unserer Freude am Gebet erfahrbar machen könnten, dass der christliche Glaube wirklich der große Schatz ist, für den es sich lohnt, alles zu verkaufen, die wertvolle Perle, die den ganzen Einsatz lohnt – wie es im Text aus dem Matthäusevangelium Jesus gesagt hat – dann wäre das möglich, was ich im Bistum Trier oft die "mentale Wende" nenne: Der Umbruch in unseren Köpfen und unseren Herzen, die neue Erkenntnis, wie reich wir beschenkt sind, wie wunderbar es ist, Christ zu sein!"

(Via Deutsche Bischofskonferenz (DBK))

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