22. Dezember 2002

Gerade gestern in einer Zeitung ein Bericht über den Cafeteria-Katholizismus, der sich sein eigenes Menü zusammenstellt. Ob die Element der jeweiligen Religiösität zueinander oder zum Label passen, sei zweitrangig. Während ein Drittel der kirchentreuen Katholiken mit der Vorstellung einer Wiedergeburt sympathisiere, glaubten nur noch 18,7 % der Getauften an Gott als persönliches Gegenüber, mehr als 40 % hielten die Welt nicht für Seine Schöpfung.
Daran musste ich vorhin denken, als ich in Peter Handkes "In einer stillen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus" las: »Aber auch viele andere Gewächse oder Früchte der eigenen Gegend waren den Bewohnern, und nicht nur denen im Stadtinnern, unbekannt, oder tabu. Als er eines Tages in eine ähnliche Randsiedlung kam wie die an der Herbergsstraße, mit gleichkleinen länglichen Häusern die Steppenhänge hinauf, nur eben an einem anderen Stadtausgang, pflückte er im Vorbeigehen eine Feige von einem Strauch gleich neben einer Tür, worauf dort eine alte Frau herauslief, mit Geschrei, aber nicht, weil er ein Dieb war, sondern der vermeintlich giftigen Feigenart wegen, 'nicht essen!'; sie selber hatte davon ihr Leben lang noch nicht gekostet und wollte ihn nun davor bewahren, an ihren Haustürfeigen zugrunde zu gehen.
Unter ihrem besorgten Blick aß er dann von den Früchten, die so köstlich schmeckten, dass er den ganzen Strauch hätte leer essen mögen, gerade nur zwei, und von den kleinsten. Dieses Nicht-bewandert-Sein selbst der Alteingesessenen mit dem, was vor der eigenen Tür war, mitsamt der Angst davor, begegnete ihm von morgens bis abends.«

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