29. Juli 2007

Ein Lied für die Himmelstreppe

Meine Urlaubslektüre ist dieses Jahr das wunderbare, erstaunliche, faszinierende Gedichtepos "Fredy Neptune" von Les Murray. Er führt seinen Helden, einen Ende des 19. Jahrhunderts geborenen Deutschaustralier, durch eine wahnwitzige Odyssee und über alle Kriegs- und Friedensschauplätze des 20. Jahrhunderts. Nach 14 Versen ist Fredy schon von Dungog über New York, Messina auf einem deutschen Schlachtschiff per Konstantinopel ins Schwarze Meer unterwegs und erlebt in Trabzon die Verbrennung armenischer Frauen auf offener Straße. Danach ist er nie mehr der alte, bekommt Lepra und durchlebt den Rest seiner rasanten Fahrt, ohne körperlichen Schmerz oder überhaupt etwas spüren zu können, begegnet in Hollywood Marlene Dietrich und in Berlin Adolf H., ist überall der Fremde und kehrt am Ende doch wieder heim...

Für uns Liebhaber der neuen und alten römischen Liturgie sind seine gelegentlichen Begegnungen mit eben derselben interessant: In einer davon schleppt Fredy einen verwundeten Kameraden durch den Dschungel einer indonesischen Insel, schließt sich einem Trupp Marines an und trifft auf ein Bergdorf voll Eingeborener.
"Zwei junge Kerle boten Ern zu tragen an, daß ich verschnaufen konnte,
weil ich bloß noch so taumelte. Sie packten ihn in eine Hängematte
unter einem Bambusstab, Rohrreifen ringsum, die ihn stützten,
und weiter ging es, meilentief hinab in eine Schlucht
und über eine Flut auf kippeligen Felsenbrocken und geraden Weges wieder
hoch in den Himmel und die Träger sangen Pange lingua gloriosi
in perfektem Takt, Corporis mysterium, das 'ne gewundene Melodie hat,
die grade richtig ist, wenn man zum Himmel aufsteigt..."
Wo es nichts zu preisen gibt, wo ein verwundeter Leib rauf und runter, durch Schluchten und MG-Geknatter, durch den "Teepott eines irren Riesen" (L. Murray) geschleppt wird - da singen Pidginsprecher einen lateinischen Hymnus, da offeriert Thomas von Aquin ein Lied für die Stairways to heaven.

Ite, missa est.

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