9. Juli 2007

Gedanken zu "Summorum Pontificum"

Über "Summorum Pontificum" wird momentan viel Schlaues geschrieben, dazu von viel berufeneren Leuten als mir. Aber ein paar Anmerkungen gestatte ich mir doch:
  • Mit den ersten beiden Worten schon stellt der Papst die Kontinuität her, bindet sein Schreiben zur Gebrauch des Missale von 1962 ein in die päpstliche "Sorge" um den würdigen Kult - "Hermeneutik der Kontinuität" statt einer des "Bruches", des Abbruches, des Abreißens der Tradition.
  • Tradition geht nicht nur rückwärts, in die Vergangenheit, zum Ursprung, sondern auch in die Zukunft, nach vorne. Für mich klingt dieses Motiv mit an, seit ich den ersten Absatz las. Wie wird es weitergehen? Nicht kurzfristig im Sinne einer "Reform der Reform" des Usus Pauli VI. zum Beispiel, sondern langfristig? Liturgie leistet nicht nur die Rückbindung an die Kirchengeschichte und die Geschichte ihres Ursprungs im Mysterium Paschale, den Drei Tagen von Jesu Leiden und Auferstehen, sondern auch ihre Kontinuität, ihr Ausstrecken nach vorne, hin zum HErrn, der kommen wird, den wir in jeder Heiligen Messe als Kommenden feiern. Warum nicht annehmen, daß der Papst sein Schreiben, guter Theologe, der er ist, in diesem Horizont weiß - nicht beschreibend, sondern handelnd, Weichen stellend. Die "Kirche Christi" soll "der Göttlichen Majestät" den "würdigen Kult" nicht nur heute, morgen, übermorgen darbringen, sondern auch noch in 200 oder 2000 Jahren.
  • Liturgie als Kultur prägende Kraft - daß der Papst ein Thema kurz antippt, das Verfechter der "alten Messe" immer wieder für ihre Sache ins Feld geführt haben, zeigt, daß für ihn Liturgie durchaus eine gesellschaftliche Dimension hat - nicht im Sinn einer politischen Aktivierung und sozialreformerischen Mobilisierung, sondern über die Stärkung des geistlichen Lebens, das Hervorbringen von Heiligen, die Gestaltung der Gottesbeziehung "so viele(r) Völker".
  • Die Anpassung des Gottesdienstes an die "Erfordernisse der Zeit" - was vielen unserer liturgischen Kreativlinge als Begründung für alles Mögliche diente und dient, wird vom Papst hier ohne Problem als Hauptanliegen des 2. Vatikanischen Konzils aufgegriffen und mit dem Begriffspaar "gebotene Achtsamkeit und Ehrfurcht" spezifiziert. Er resümiert die positive und bereitwillige Rezeption der "neuen Messe", ohne ihre Mängel zu erwähnen, der er an anderer Stelle durchaus klar benannt hat: Offensichtlich geht es ihm darum, diesen gewöhnlichen, normalen "Usus" der katholischen Messe in seiner grundsätzlichen "Würde und Harmonie" wahrzunehmen und vorzustellen. Die "Reform der Reform" kann warten - und kommt von allein, wenn "sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten".
  • Im Motu Proprio erwähnt der Papst vor allem jene Gläubigen, die von der "alten Messe" in ihre(r) Kultur und ihre(m) Geist" geprägt wurden. Man könnte bei oberflächlicher Sicht meinen, es handele sich dabei um eine aussterbende Rasse und um eine Frage der Zeit, bis sich der alte "Usus" von alleine erledigt hat. In seinem Begleitbrief erwähnt der Papst explizit "die jungen Menschen", die "diese liturgische Form entdecken, sich von ihr angezogen fühlen und hier eine ihnen besonders gemäße Form der Begegnung mit dem Mysterium der heiligen Eucharistie finden".
  • Die Einheit des römischen Ritus in seinen zwei Anwendungsformen, in seinen zweierlei Arten des "Usus" - der Papst betont diese Einheit immer wieder, nicht umsonst: Denn ansonsten wäre der neue "Usus" ohne Wurzeln, ein neu geschaffener Ritus - und die Schismatiker hätten recht. Nur wer den alten und den neuen Usus gleichermaßen anerkennt, ist katholisch. Das verlangt einiges von beiden Seiten, von denen, die den alten "Usus" lieben wie von denen, die den neuen "Usus" als das Gelbe des liturgischen Eis sehen. Da wird Gebet nötig sein, denke ich...
  • Die 12 Artikel geben den liturgischen Kasuisten einiges zum Kauen - auch hier müssen wir hoffen und selber alles tun, daß in ihrer Anwendung der Geist von "Summorum Pontificum" (wie ihn das Begleitschreiben explizit macht) nicht verfälscht wird, von den einen wie den andern. Man kann die falschen Zwischentöne schon hören, von den einen wie den andern, den geweihten wie den ungeweihten. Reibungslos wird wohl nicht viel gehen - und doch geht es um "innere Versöhnung in der Kirche", um die "volle communio", der alle und vor allem die Bischöfe als die lokalen Garanten der liturgischen Ordnung mit "Liebe und pastorale(r) Klugheit" zu dienen habben.
So viel einmal für jetzt.

Wieder einmal sollte die ganze Kirche dem HErrn für diesen Papst danken, für seine Festigkeit, seine "pastorale Klugheit", seine Fähigkeit, Brücken zu bauen, seine klare Sicht der Lage und seinen Mut, auch unerwartete und riskante Schritte zu gehen - im Vertrauen auf den verheißenen Advokat, den Beistand, den GEist. Und vor allem sollten wir ihn in diesem Einsatz nicht allein lassen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe hier eine m.E. gute Hörfunksendung zum Thema "Alter/Neuer Ritus" gefunden. Die Sendung stammt vom 20. März 2007 und wurde in SWR2 ausgestrahlt.

Faszination Hochamt - Der neue Streit um die alte katholische Messe, Moderation: Ursula Nusser, Gesprächsteilnehmer: Prof. Dr. Ansgar Franz - Liturgiewissenschaftler, Universität Mainz, Dr. Meinrad Walter - Musikwissenschaftler und Theologe, Freiburg, Hans Zender - Dirigent und Komponist, Freiburg

Bei podster.de unter

http://www.podster.de/episode/291684
oder direkt bei SWR unter

http://mp3.swr.de/swr2/forum/swr2_forum_20070320_katholische-messe.6444m.mp3

Gruß
Maddin

Anonym hat gesagt…

Interessante Gedanke auf http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=35:


So gesehen ist vergangene Woche es ein kluger Schachzug von Papst Benedikt XVI. gewesen, jetzt die lateinische Liturgie wieder zuzulassen und damit binnenkatholischen Wettbewerb zu ermöglichen. Klug war es gewiss auch, diesen Wettbewerb durch direktdemokratische Elemente steuern zu lassen. Eine „stabile Gruppe“ von katholischen Christen kann künftig einen für den tridentinischen Ritus „geeigneten“ Priester verlangen und sich damit von den anderen absetzen. Direktdemokratische Prozesse stärken nicht nur Loyalitäten, sie sorgen auch auf effiziente Weise dafür, dass Anbieter und Nachfrager zusammen kommen. Steigt jetzt die Nachfrage nach tridentinischen Messen, wird es bald auch mehr geeignete Priester geben.

Scipio hat gesagt…

Interessanter Ansatz!

Wer wissen will, wie die momentanen Monopolisten reagieren, kann das bei ihren Pressesprechern nachlesen, z.B. beim Chefredakteur des Würzburger Katholischen Sonntagsblatts oder bei seinem Freiburger Kollegen.