10. Mai 2004

Raissa Maritains Freundschaften

Ich lese gerade "Die großen Freundschaften", die Erinnerungen von Raissa Maritain. Die Frau des großen katholischen Philosophen Jacques Maritain erzählt von den Freunden, die sie und ihren Mann bei der Suche nach der Wahrheit begleitet haben. Es sind große Namen dabei wie Charles Peguy, Georges Rouault und natürlich Leon Bloy. Ihm verdanken sie die Begegnung mit der Schönheit, der Wahrheit und dem Anspruch des Christentums. Bloy selber fand in Jacques und Raissa zwei junge Menschen, die ihn, den "undankbaren Bettler", der mit seiner Familie jahrzehntelang buchstäblich am Hungertuch nagte, verstanden, beistanden und hinter seinen Zornesausbrüchen immer den wehmütig und tief Liebenden sahen.

"Die Offenbarungen der Anna Katharina Emmerich [die ihnen Bloy hatte zukommen lassen] vermittelten uns ein dichtes, lebendiges, erschütterndes und doch vertrautes Bild vom Katholizismus. Sie lehrten uns zahllose Dinge über die Geschichte, die Dogmen, die Theologie, die Liturgie und die Mystik des Katholizismus, von denen wir bis dahin nichts wußten. Die Nüchternheit eines Katechismus hätte uns damals bestimmt nichts verständlich gemacht. Unsere Unwissenheit bedurfte gerade der gewissermaßen bildhaften Darstellung der Kirche in den vier Dimensionen der Höhe und der Länge, der Breite und der Tiefe. Gleichzeitig wurde uns auch der heroische Katholizismus gezeigt: die Heiligkeit in ihren schrecklichen Prüfungen, in ihrer Demut und göttlichen Liebe, in ihrer Askese und der Seligkeit, in der sie sich vollendet, in ihrer reinen Harmonie, ihrer Macht und ihrer Schönheit.

Wir erfuhren, daß die Heiligkeit im Unsichtbaren alle lebenden Glieder der Kirche miteinander vereint und daß diese Gemeinschaft der Heiligen das Band und das Leben ihres mystischen Leibes ist und ihr, ungeachtet der Unvollkommenheiten und der Gebrechen einiger oder der Mehrzahl der Glieder der sichtbaren Kirche, den Stempel der Heiligkeit aufdrückt - der Kirche, deren Haupt Christus, deren Seele der Heilige Geist ist, deren Glieder aber, wie alle Menschen seit dem Sündenfall, als Sünder geboren werden. Die Kirche ist überall, wo sich eine heilige Seele findet, die auf der Erde kämpft, im Fegfeuer leidet und glorreich und selig ins ewige Leben eingeht." (Heidelberg: Kerle, 1954, S. 139)

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