Ein Bischof bei der Arbeit
Oscar Romero, der salvadorianische Märtyrerbischof, kreuzte mein Leben bisher eher als Fingerpuppe auf dem moralischen Zeigefinger von Dritte-Welt-Aktivisten und Bofffans - vor allem damals, als ich noch jünger war. Romero-Häuser, Romero-Kreise, Romero-Kaffee - das alles und noch mehr muß es in den 80ern gegeben haben.
Der Hype ist inzwischen abgeklungen. El Salvador ist nach langem Bürgerkrieg einigermaßen befriedet und demokratisiert (ohne daß sich allzu viel an der Armut und Ungerechtigkeit geändert hätte), und Erzbischof Romero ziert zwischen Martin Luther King und Dietrich Bonhoeffer die Westminster Abbey als einer der Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Und wenn einem die Vorsehung dann das Tagebuch von Erzbischof Romero aufs Lesepult legt, lässt auch ein obstinat konservativer Katholik seine Vorurteile links liegen und liest.
Er begegnet dabei einem sehr frommen, sehr katholischen, sehr liebenswürdigen Bischof - allerdings weniger beim Beten, sondern bei der alltäglichen Verwirklichung der "Option für die Armen". Die auf Band gesprochenen Texte sind eher Tagesrückblicke als ruhige, theoretische Reflexion und geben Rechenschaft über die Aktivitäten und Geschehnisse. Treffen mit Priestern und Gemeinden, Beratungen mit dem Generalvikar und anderen Bischöfen, Begegnungen und Verhandlunge mit Militärs, Politikern, Rebellen: "Gebe der Herr, daß die Gemüter sich beruhigen und wieder Friede herrsche" - so lautet ein typisches Stoßgebet Erzbischof Romeros, oder "Gebe Gott mir stets das rechte Wort ein, damit ich alle gerecht beurteile."
Das Bemühen, zu verstehen, zu versöhnen, zusammenzuführen, ist unübersehbar - genauso wie die zunehmende Entmutigung nach einem erst hoffnungsvoll beurteilten Militärputsch, der die Willkür von Militäreinheiten und Todesschwadronen gewähren lässt.
In der eigenen Bischofskonferenz weitgehend allein gelassen, in Rom gesegnet und umarmt, doch nicht unbedingt und vorbehaltlos ermutigt, verzweifelt Romero nicht an seiner, unserer Kirche und ihren Vertretern, sondern geht mit Gottvertrauen seinen eingeschlagenen Weg zu Ende, bis ihn in einer Messe der tödliche Schuß trifft.
"Wir wissen, daß niemand für immer stirbt und daß diejenigen, die ihre Aufgabe mit tiefem Glauben, mit Hoffnung und Liebe erfüllt haben, die Krone erhalten werden. In diesem Sinne beten wir für Dona Sarita [die Verstorbene, derer in der Messe gedacht wurde] und für uns selbst..." So die letzten Worte von Bischof Romero.
Ein solcher großer Bruder in der Familie macht stolz und demütig zugleich: Denn wenn er sich die "Option fürdie Armen" so viel kosten ließ, warum dann nicht auch wir? Und er war ja nicht der einzige...
(Rede von O. A. Romero zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Katholischen Universität Löwen)
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