17. Juni 2005

Wochenendlektüre

Auf den Seiten der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio gibt es im Volltext den berühmten Artikel, mit dem Hans Urs von Balthasar der damals, 1972, neuen Zeitschrift das Programm gab. Der wird nicht nur Ralf gefallen, sondern - jede Wette! - auch Petra, Erich, Martin und den anderen aus St. Blogus.

"Wer um die Weite der Communio weiß, ist auch am härtesten angefordert. Er braucht kein brillanter Denker zu sein, der (etwa aufgrund Hegelscher Dialektik) sich auf jeden Standpunkt versetzen und ihn distinguierend an seinen Platz zurückverweisen kann: der Mann, der alles versteht. Aber er muß der Mann sein, der auch die Situation, die er denkerisch, sogar menschlich nicht oder kaum mehr begreift, noch durchsteht. Der letzte Horizont der Gemeinsamkeit ist ihm ja nicht verfügbar. Nicht das absolute Wissen, sondern die absolute Liebe umgreift die beiden. In ihr sind sie, die sich nicht mehr verstehen, vielleicht nicht mehr riechen können, allem zu Trotz versöhnt.

Im Leib des Gekreuzigten hat Gott «die Feindschaft getötet» (Eph 2,16), so daß es strenggenommen christlich gar keine Feindesliebe mehr gibt: der vermeintliche Feind weiß nicht, daß er (in der einzigen als Wahrheit endgültigen Sphäre) als Feind überholt ist. Nun kann zwar auch ein Buddhist oder ein Stoiker diesen Satz wörtlich unterschreiben. Aber der Unterschied liegt in der Haltung des Herzens. Buddhist und Stoiker trainieren sich in die Sphäre der Leid- und Haßlosigkeit hinein: die Widersprüche, die gegen sie anprallen, erreichen sie nicht, sie kommunizieren mit dem Feind in einem überpersönlichen Absoluten.

Der Christ aber muß sein Herz auftun und sich im Innersten betreffen, herausfordern, verwunden lassen. Gott ist in Christus an den Ort des einsamsten Sünders gegangen, um mit ihm in der Gottverlassenheit zu kommunizieren. Christliche Gemeinschaft ist in der Eucharistie gestiftet, die den Abstieg zur Hölle (meiner und deiner) voraussetzt. Da ist keine Flucht in eine abstrakte Einheit erlaubt. Da ist der Mut gefordert, vorzudringen bis zur wohlbestückten Festung des andern, und im Wissen, daß sie im letzten schon erobert und übergeben ist, sich – mit einem geistigen Fallschirm – in ihr Innerstes einzulassen. Das kann den andern zum grausamsten Widerstand reizen. Er muß durchgestanden werden.

Das kann aber nur in der vollkommenen Demut des Glaubens an die vorgängige Tat der Liebe Gottes geschehen, ohne irgendeinen Triumphalismus selbst der Liebe. Zu einem solchen wird gar keine Zeit bleiben, denn ich muß mich ja mit der Verschlossenheit des andern solidarisieren, und ihm so beweisen, daß es auch im Einsamsten Gemeinschaft, im Abgekehrtesten Zuwendung gibt.

Communio wird gestiftet am Karsamstag, nach dem Verlassenheitsschrei, vor der Sprengung des Grabes: im wortlosen, transdialogischen Schweigen des Mitseins im Allein. «Allein mit dem Alleinen», hatte Plotin gesagt; es vertieft sich auf befremdende Weise – sowohl vertikal wie horizontal – im Letzten, woher das Christliche sich begründet."

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