8. März 2011

In der Kirche leben (8)

Weiter mit einem Abschnitt aus Henri de Lubacs Betrachtung über die Kirche, genauer aus dem Kapitel über den "Mensch der Kirche". Was wiederum mehr auf die Theologen zu zielen scheint, gilt mutatis mutandis für uns alle.

"Er [der Mensch in der Kirche; scipio] hält sich abseits von jedem Klan und jeder Intrige, widersteht den leidenschaftlichen Wallungen, denen Theologenkreise leicht verfallen, ist wachsam, aber schöpft nicht grundsätzlich Verdacht. Er begreift, daß der katholische Geist, straff und biegsam zugleich, 'mehr zur Liebe als zum Streit neigt', im Gegensatz zu allem 'Sektengeist' oder dem eines Klüngels, ob er nun der Autorität der großen Kirche auszuweichen oder sie im Gegenteil für sich einzufangen versucht. Jede sinnvolle Initiative, jede genehmigte Gründung, jedes neue Zentrum geistlichen Lebens wird ihm Anlaß zu Danksagung. Dem 'bittern Eifer und Wortgezänk' ist er abhold, er weiß, daß unter dem Deckmantel theoretischer Diskussionen der böse Geist, der auf jede Art Zwietracht zu säen versteht, die Kirche ganz besonders verwirrt. Er fürchtet übertriebene Strenge, die den Geist der Einheit, wo er vorhanden ist, verschleiert, er widerstrebt aber nicht jeder Meinungsverschiedenheit, dort wo sie zulässig ist. 'Wenn nur die Einheit der Liebe im katholischen Glauben gewahrt wird', hält er solche vielmehr für notwendig, denn 'die Mannigfaltigkeit in den Denkarten der Menschen' ist unaufhebbar, sogar wohltätig, ut innotescat ... per Ecclesiam multiformis Sapientia Dei [auf daß durch die Kirche die vielgestaltige Weisheit GOttes bekannt werde; scipio]. Ist es nicht klar, daß bereits 'die Theologie Pauli nicht identisch ist mit der eines Johannes?' Er zerlegt sie freilich auch nicht aufgrund einer beschränkten oberflächlichen Logik in Gegensätze und Widersprüche, sieht vielmehr, wie 'im Band der Liebe' die Richtungen sich ergänzen und ineinanderschmelzen 'wie die Farben am Hals der Taube'. Nach eigenem Geschmack alles über den selben Leisten schlagen zu wollen, könnte nur einer, der die Schönheit der Braut nicht kennt." (Die Kirche.- Einsiedeln: Johannes, 1968, S. 226-227)

Zum vorigen Abschnitt hier.

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