26. Oktober 2008

Herr S.

Wenn man nach den eigenen Vorbildern gefragt wird, nach Menschen, die einen positiv geprägt haben, dann denkt man an die big shots oder die besonderen Menschen, denen man im Leben begegnet ist.

Nicht so prominent, aber in summa nicht weniger prägend, sind die vielen Menschen, mit denen man nur hin und wieder zu tun hatte und die auf den ersten Blick nicht hervorstechen.

Nehmen wir z.B. Herrn S.: Das ganze, große Dorf kennt ihn: Aus einer einheimischen Familie stammend, 1919 geboren, im Zweiten Großen Krieg vermutlich kaum zu Hause, nach dem Krieg Heirat und Familiengründung, vier Kinder, die alle was geworden sind, Metzgermeister und Kirchenorganist. Ein bescheidener Mann, der sich nicht in den Vordergrund drängt. Einer, der seine Pflicht erfüllt - was für seine Organistentätigkeit heißt: Frühmessen, Abendmessen, wenig Sonntagmessen (weil dann die "richtigen" Organisten spielen, die mit Ambitionen oder Studium), Hochzeiten, Taufen, Begräbnismessen. Kurzfristig einspringen, auch vor Geschäftsschluß, kurzfristig verzichten, wenn ein besserer auftaucht. Über vierzig Jahre lang. Auch im Alter noch, wenn Konzentration und Gedächtnis nachlassen und man öfters daneben greift (und es selber merkt): gebraucht werden und sich brauchen lassen.

Wichtiger aber als all das ist noch seine Person: Offen, unkompliziert, verschmitzt, humorvoll, freundlich, zurückhaltend, zuvorkommend, selbstbewusst. Arbeitsam und fleißig - was auch sonst, wenn man einen eigenen Metzgerladen hat. Seinen Mann stehend unter Männern, korrekt-charmant zu Frauen (sagt die meinige). Als die Stimme im Alter nachlässt, sprechen die Augen umso mehr, freuen sich und funkeln.

Gestern am frühen Morgen ist Herr S. nach kurzer Krankheit gestorben. Zur Trauer um einen guten Menschen kommt Dankbarkeit und Freude.

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