1. Juni 2006

Tiefpunkt

Wer den "neuen Tiefpunkt" (Heinz Schütte) der "Ordinationsdebatte im deutschen Protestantismus" nachlesen möchte, kann das direkt beim Deutschen Pfarrerblatt tun.

Die Lektüre sei auch allen liberalen Katholiken aus der "Wir-sind-die-eigentliche-Kirche-wie-sie-Jesus-gewollt-hat"-Fraktion an progressive Herz gelegt - denn immerhin wird der bisherige Kleinste Gemeinsame Ökumenische Nenner durch eine evtl. Rezeption noch kleiner. Aber vielleicht sind sie ja schon auf dieser Ebene angelangt?

Der Artikel von Stefan Scholz ist nicht leicht zu lesen, aber enthält doch jede Menge theologischer Perlen (oder soll man sagen: ökumenischer Handgranaten?):
"Die Verkündigung steht einschließlich der Sakramentsverwaltung allen getauften Gemeindegliedern im Rahmen ihrer Möglichkeiten offen.
Begründung: Mit der allgemeinen Öffnung der Verkündigung und Sakramentsverwaltung kann endlich die kasuistische Debatte beendet werden, wer beauftragt oder ordiniert werden soll, bzw. wer eingeschränkt oder uneingeschränkt öffentlich verkündigen darf. Öffentlichkeit ist weder teil- oder begrenzbar, noch lässt sich der aktuelle (post)säkulare Öffentlichkeitsbegriff mit der Öffentlichkeitsvorstellung der Reformationszeit zur Deckung bringen. Denn heute kann bereits eine nichtordinierte Synodalpräsidentin durch ihre Verlautbarungen über die Medien mehr Öffentlichkeit erreichen als ein ordinierter Pfarrer in der Abgeschiedenheit eines ländlichen Sonntagsgottesdienstes. Warum sie dies nicht im Namen der Kirche tut, wie es das VELKD-Papier formuliert, ist mir schlicht nicht nachvollziehbar."

"Die primäre Kompetenz der PfarrerInnen sehe ich in der differenzierten hermeneutisch-theologischen Interpretation der christlichen Zeichensprache, die sich vor allem auf das akademisch-wissenschaftliche Theologiestudium gründet, in der zweiten Ausbildungsphase erprobt und lebenslang modifiziert wird."

11 Kommentare:

Petra hat gesagt…

Ich muss sagen, ich verstehe die Aufregung Schüttes überhaupt nicht. Er tut ja direkt so, als sei die evangelische Ordination gültig...

Scholz (nicht Schulz) ist da viel klarer und ehrlicher, wenn er da schreibt:
Bislang wurde die Ordination vornehmlich als potentielles Brückenglied zwischen den Konfessionen betrachtet. Annäherungen im Amtsverständnis gelten als Vorraussetzung für Fortschritte bei der Kirchengemeinschaft. Solche Verknüpfungsleistungen sind zwar innerhalb des röm.-katholischen Systems stringent, schwer vereinbar allerdings mit dem lutherischen Grundsatz der Kirche als creatura verbi. Die Abschaffung der Ordination könnte also verdeutlichen, dass Lutheraner ihre Vorstellung von Kirche, Gnadenzuteilung und Amt völlig anders konstruieren als röm. Katholiken.

Genau. In der evangelischen Kirche ist die Ordination kein Sakrament, damit ist die Apostolische Sukzession abgebrochen (auch dort, wo zur Reformationszeit auch gültig geweihte Bischöfe in die evangelische Kirche "einstiegen", wie etwa in Schweden). Ergo, die evangelische Ordination ist sowieso nur eine "Amtsübertragung" und kein Sakrament.

Scholz macht einfach nur Nägel mit Köpfen. Sehe ich nicht als Problem für die Ökumene, sondern eher positiv: damit räumt man ein Stück dieses Wischiwaschi, das sich da eingeschlichen hat ("ihr seid zwar eigentlich keine Bischöfe in unserem Sinn, aber wir tun einfach so, als wärt ihr welche") aus dem Weg.

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…

Irgendwas Neues dabei? Wollen wir wirklich dabei das Thema apostolische Sukzession wieder aufwärmen?

Ich beschäftige mich lieber mit anderen Themen, sei's drum ...

Scipio hat gesagt…

Scholz würde sagen: "Welche 'apostolische Sukzession'"?

Na, Matthias, dann brauchst Du hier natürlich nicht weiterzukommentieren.

Petra hat gesagt…

Scholz würde sagen: "Welche 'apostolische Sukzession'"?

Und Scholz hätte Recht.

Matthias, hast Du eigentlich überhaupt die Beiträge und meinen Beitrag gelesen???

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…

Ja, habe ich. Eine Abschaffung der Ordination würde m. E. abgesehen von ökumenischem Konfliktpotenzial eine Beliebigkeit einführen, die ich sonst nur aus dem freikirchl. Bereich kenne.

Aber wie gesagt, ich möchte dezidiert nicht auf das Thema apostolische Sukzession vs. Weihe eingehen. Denn solange hier ein Unterschied gesehen wird, ist auch der ökumenische Dialog zum Scheitern verurteilt.

Petra hat gesagt…

Apostolische Sukzession vs. Weihe gibt es nicht. Es gibt
Apostolische Sukzession+Weihe (RK, Orth.)
oder
Beauftragungsordination (evang.). (Auf anglikanische u. a. Zugänge gehe ich jetzt nicht ein.)

Dass diese Beauftragung durch die Gesamtheit der Kirche für einen Dienst am Heiligen geschieht und damit selber etwas Heiliges ist (auch wenn kein Sakrament), könnte der eine evangelische Weg sein (und steht wohl dem lutherischen Verständnis näher).

Aber mit der Einführung der Frauenordination fast überall (außer bei den guten Lutheranern von der SELK und einigen anderen wenigen) hat die evangelische Kirche ja gezeigt, dass sie offenbar immer mehr von der Sicht der Ordination als "heilige Beauftragung" abrückt, hin zu einem Zugang "allgemeines Priestertum=Ordinationsamt" im Scholz'schen Sinne. Das ist aber zuerst einmal ein innerevangelisches Problem, nicht so sehr ein ökumenisches m. E.

Ich finde, Scholz hat allerdings auch im innerevangelischen Sinn Recht, wenn er die hochkirchlichen, "klerikalisierenden" Bestrebungen einerseits und die gleichzeitig existierende, sich immer mehr "verallgemeinernde" evangelische Ordinationstheologie andererseits miteinander kontrastiert.

Scipio hat gesagt…

Im Sinne einer Konsensökumene ist der Scholzsche Ansatz natürlich schlecht: Würde sein Vorschlag offiziell übernommen (und nicht nur praktisch weithin gelebt), wäre in puncto Amt der Konsens irgendwo bei null.

Im Sinne einer Ehrlichkeitsökumene wäre es ein großer Fortschritt, und das ist es, was Petra meint: Dann könnten sich Ökumeneträumer keine falsche Hoffnungen mehr machen und die bestehenden Unterschiede klein reden (oder mit den so großen Fortschritten an der "Basis" verniedlichen). Dann würde bestimmt klarer, daß es hier nicht um "Hochtheologie" geht, die keiner mehr kapiert, sondern um ganz wesentliche und einfache Dinge. Da geht es um das, was Kirche _ist_, um "Ontologie". Und die lässt sich mit je aktueller Bedürfnisbefriedigung (siehe N. Pusch) zwar kurz mal überspielen, aber das rächt sich irgendwann böse. (Man könnte sagen: Jetzt ist so eine Zeit des Erwachens...)

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…

@Petra: Völlig richtig, ein Fehler meinerseits - ich meinte Weihe vs. Ordination. Alles Weitere ggf. später.

Ich verstehe aber nicht, das sei hier noch angefügt, was die Frauenordinatinon für ein Problem darstellt. Warum spricht das gegen eine "heilige Beauftragung"? M. E. ist auch die Ordination nicht das gleiche wie das allgemeine Priestertum aller Gläubigen.

@scipio: Ich mache mir keinerlei Illusionen, was Ökumene angeht. Die Gründe, warum da nichts mehr geht, habe ich schon zur Genüge genannt. Aber wer die Ökumene aufgibt, handelt leider auch nicht mehr im Sinne Jesu Christi. Das hat nichts mit Ökumeneträumerei zu tun, oder Harmonieeiapopeia.

mr94 hat gesagt…

Die Ökumene wird die Kirche schon deshalb niemals aufgeben, weil die Ökumene die ganze bewohnte Welt ist.

Frauenordination ist ein entschiedener Schritt in Richtung Beliebigkeit und Verfügbarkeit - beides kann nicht im Sinne Christi sein. Ob Sakrament oder nicht.

Bei dieser Frage übrigens - der Frage nach dem Sakrament der Weihe - betonen gutwillige Lutheraner und andere Protestanten gern den unterschiedlichen Begriff des Sakramentes. Und weisen zum Beispiel darauf hin, dass Luther keinesfalls Buße, Ehe und dergleichen abschaffen wollte.

Auf jeden Fall ist klar: Die Aufgabe der Ordination führt auf direktem Wege zu freikirchlichen Verhältnissen. (Aber das wird dem staatskirchlich organisierten und am Tropf der Kirchensteuer hängenden Protestantismus in Deutschland ohnehin nicht erspart bleiben.)

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…

Die Ansicht, dass die Aufgabe der Ordination wohl eher zu freikirchlichen Verhältnissen führt, kann ich teilen, wobei noch über die weiteren Implikationen nachgedacht werden könnte.

Die Äußerung danach in Klammern nehme ich lediglich zur Kenntnis, wobei ich nicht verstehe, was denn das Herumorakeln bringen soll. Übrigens: was ist der Unterschied zur römisch-katholischen Kirche, die ja auch am Tropf der Kirchensteuer hängt?

Die Zeit wird es zeigen. Und solange bekenne ich meinen Glauben auf meine Weise und tue mein Bestes, um Zeuge Jesu Christi in dieser Welt zu sein. Wobei ich auch daran wohl oft genug scheitere.

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…

Richtig. Die Ökumene ist die ganze bewohnte Welt, und nicht nur die römisch-katholische Sicht darauf.