3. Juli 2005

Müllkippe der Liturgiereform

Eduard Nagel vom Deutschen Liturgischen Institut in seiner Auf-zwei-Minuten-Kolumne über die Fürbitt-Unkultur:

"In der Kaffeepause berichtet ein Kollege, er spreche bei den Fürbitten den Ruf der Gemeinde oft nicht mit. Entweder sei es zu mühsam, in Sekunden den Inhalt der vorgetragenen Intention in seiner Tragweite zu erfassen und zu entscheiden, ob man dazu wirklich 'Wir bitten dich, erhöre uns' sagen kann und will. Oder aber dieser Inhalt sei von vornherein von solcher Art, dass er sich schämen würde, Gott damit unter die Augen zu treten. Die Fürbitten seien – wie Bußakt und Kyrie – ein Krebsgeschwür, eine Müllkippe der Liturgiereform. Im Gespräch stellt sich heraus, dass alle Beteiligten weitgehend ähnlich empfinden und dies entsprechend praktizieren: Sie hören aufmerksam hin, wenn die Anliegen vorgetragen werden, und entscheiden dann, ob sie den vorgesehenen Ruf mitsprechen. Oft genug bleibe ihnen dann nur das Schweigen. (...)

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit: 'Das Großraumflugzeug A 380 ist zum ersten Mal geflogen. Wir beten für alle Menschen in Wissenschaft und Technik, die ihr Wissen und Können zum Wohl der Menschen einsetzen und nicht einfach nur das technisch Machbare machen wollen.' – Wer vermag in Sekunden zu erfassen, was diese 'alle Menschen in Wissenschaft und Technik' alles tun, wofür zu beten ist? Und warum werden jene nicht einbezogen, 'die ihr Wissen und Können“ nicht „zum Wohl der Menschen einsetzen . ..'? Und was bringt die Unterstellung gegenüber gewissen Wissenschaftlern, dass sie 'einfach nur das technisch Machbare machen wollen', im Zusammenhang dieser Fürbitte? Abgesehen vom Sprachstil – 'das Machbare machen' – wie lange mag ein durchschnittlich begabter, aufmerksamer und gutwilliger Hörer brauchen, um auch nur einigermaßen zu erfassen, für wen und um welches Gut er hier bittend vor Gott eintreten soll, und das innerlich auch zu tun."
Solche Fürbitten - und das dahinter stehende Verständnis von Gottesdienst und Liturgie - fallen freilich nicht vom Himmel, sondern sind 2005 das Ergebnis eines 40 Jahre langen, und offensichtlich auch unheilvollen Wirkens der Multiplikatoren in Diözesen, Universitäten und Pfarreien - und das Produkt einer Liturgietextindustrie mit vielen Beteiligten - Autoren, Lektoren, Verlagsmitarbeiter -, die jede Menge Kirchensteuern und Kollekten frisst.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe sogar erlebt, daß im bereits erreichten 21. Jahrhundert für den Fall des Eisernen Vorhangs, der Europa teilt, und für die Schlagersänger gebetet wurde, weil das Fürbittbuch aus den 60ern (oder frühen 70ern) stammte. Die Andacht war ein wenig hin...

Scipio hat gesagt…

Bei uns fing der Pfarrer letzthin eine vom PGR gewünschte Predigt zum Thema Anbetung mit dem Aufhänger der Marx- und Leninstatuen an, die überall im Osten stünden. Also ebenfalls ganz klar prä-1989.