Alles beim Alten
"Hier ist zum Glück alles noch treu und brav beim Alten." - So resümierte der 70jährige Pfarrer sein Wirken in der Lokalzeitung.
Abgesehen davon, daß das (glücklicherweise) nicht stimmt, reizt ein solcher Satz geradezu zur Gemeinplatz-Exegese a la Léon Bloy.
"Zum Glück" - das deutet auf eine Einschätzung der Vergangenheit als eines goldenen Zeitalters, einer harmonischen Ära vor dem Fall - eine Vergangenheit, die des guten Pfarrers Einschätzung nach in den Mauern seiner Gemeinde noch existiert, ja der er mit seinem seelsorglichen Wirken überleben half. Ein Stück Paradies auf Erden, mag man auch überm Tor manchmal die Spitze des Engelsschwertes aufblitzen sehen.
Aber da meldet sich der kleine Zweifler, der ein bißchen was von Kant weiß: Wo sich nichts ändert - lebt da überhaupt noch etwas? Gibt es die ewige Ruhe, den dauerhaften Frieden nicht doch nur - auf dem Friedhof? Bleibt nicht erst 10 cm unter dem Grabschmuck alles beim Alten?
Nein, würde der gute alte Léon jetzt hineinpoltern: Der Satz ist vom Teufel. Denn nur in seinem Reich, tief unten, wo die letzte Glut längst verglüht ist und nur noch Verzweiflung, Langeweile, Ödnis herrscht - dort bleibt auf immer und ewig alles beim Alten. Wer dort landet, der ist wirklich und wahrhaftig beim Alten - dem Ältesten der Engel, dem Ausgebrannten, Hohlen, dem Erwartungslosen, dem ohne Zukunft. Dem ohne Hoffnung.
So tief wollte der Geistliche freilich nicht schürfen. Um Gottes Willen - schütteln würde es ihn beim Gedanken ans teuflische, ewig-alte Loch. Nicht in die Tiefe zog ihn sein Satz - auf der Höhe der Zeit ist er stets geblieben. Denn er gehört nicht zu den Konzilsverweigerern und zeigt im vertrauten Kreis seine Sympathie für die unvermeidliche Zukunft: Priesterweihe für Frauen - warum nicht? Kommunion für Zweitverheiratete - klar! Redemptionis Sacramentum - Teufelswerk sturer Römer.
Wollte er nicht immer nur das eine: Ruhe - Frieden - Harmonie? Leiste dem Zeitgeist keinen Widerstand - und du wirst die ewige Ruhe finden. Nicht jeder ist zum Paulus geboren. Es muß auch die leisen Verkünder der Botschaft geben, die ihre Lippen fast nicht bewegen. Einverstanden sein mit dem, was geschieht - und siehe, es wird alles beim Alten bleiben: im Garten deiner Seele und im Garten der Kirche, der dir anvertraut ist.
Bloß kommt irgendwann der Moment, wo nichts mehr geht. Wo der göttliche Croupier sein letztes "Rien ne vas plus" spricht. Wohl dem unnützen Knecht, der seine Talente dann gesetzt hat.
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