11. Dezember 2003

Ceterum Censeo

Aus der Weihnachtskarte eines Großverlags:

"Heute haben wir die Verantwortung für die Kinder, die morgen die Dinge in die Hand nehmen werden. An den Weihnachtstagen und zum neuen Jahr wird überall, in allen Ländern - fast unabhängig von Religion und anderen Einflüssen - daran gedacht, was alles besser sein könnte. Wir sollten alle gemeinsam daran arbeiten, dass es auch gelingt."

Daran arbeite ich doch gerne mit. Allerdings nur nach der Anmerkung, daß die Formulierung "fast unabhängig von Religion und anderen Einflüssen" sehr mißverständlich ist.

Oberflächlich verstanden, suggeriert sie nämlich, daß sich die Bereiche der Religion (und der unspezifizierten anderen Einflüsse) recht säuberlich abtrennen lassen von unserem Wunsch und unserem praktischen Streben nach Weltverbesserung und -veränderung. Es gibt aber kein entsprechendes Ethos unabhängig von unserem Verständnis der Welt und unserer selbst; daß und wie wir etwas zum Besseren wenden wollen, ergibt sich immer auch, ja: vor allem aus dem, was wir für das Gute halten. Für den Großteil der lebenden 6,3 Milliarden Menschen spielt ihre Religion eine wichtige Rolle in der Bestimmung des Guten. (So wie eben auch ein "Weltethos" nicht unter Laborbedingungen entwickelt und verbreitet werden kann, sondern immer in einem lokalen/persönlichen Ethos verwurzelt sein, zu ihm passen, aus ihm hervorgehen muß.)

Aber so penibel wollte der Verlag seinen Satz nicht verstanden wissen. Und deshalb stelle ich die Karte doch in meinem Büro auf...

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