27. August 2011

Konrad Weiß: Der Bau der Kirche

Die alte Kirche ist ein Bau der Narben,
ein Sein wie Wunde, bis sie steinern ward,
bis Stein an Stein wie Ohnmacht offenbart
der tote Bau und hat doch solche Art,
daß aller Stein wie Schollen tritt in Farben.

Doch stirbt ein Glanz verzehrend durch die Räume,
je mehr das Ostlicht öffnet die Gestalt
und ist nun planlos an den Ort gemalt,
und dunkler wird des Lichtes Aufenthalt
und wie beschädigt Erde, Meer und Bäume.

So kann die Gegenwart nicht sein und enden;
es wendet sich der Bau wie innen wund
und stirbt im Licht und wird des Tods gesund,
der wie ein Blut tritt aus des Heiligen Mund,
die Engel aber stehen an den Wenden.

(Zur Epistel von Allerheiligen)

2 Kommentare:

mp hat gesagt…

Lieber Scipio,
koennen Sie mir sagen, ob es eine Deutung zu diesem Gedicht gibt? (Ich wuerde es gerne im Religionsunterricht an meiner Schule verwenden).
Dazu sollte ich es allerdings erst verstehen. Sehen Sie in der Beschreibung des Kirchenbaus auch eine Allegorie auf den Kreuzestod und hieraus erwachsend auf die Vollendung der Schöpfung?

Wo alledings der Bezug zu Allerheiligen liegt, will sich mir noch nicht recht erschließen: Sind die Steine der Kirche zugleich ihre Glieder, also eben wir selber, und eben hierdurch an den geschilderten Geschehen mittelbar beteiligt?

Vielen lieben Dank fuer Ihre Hilfe,

M.Purschke

Scipio hat gesagt…

Liebe(r) M. Purschke,

ich kenne keine Deutung, aber ich habe auch keinen Zugang zu entsprechender Literatur. in den Anmerkungen der "Gesammelten Gedichte" gibt es dazu keine Anmerkungen. Bleibt also der Bezug zur Epistel des Allerheiligentages.

Vielleicht liegen Sie mit Ihrem Ansatz gar nicht so daneben!