31. März 2003

Pecunia non olet*

Unter dem Titel "Hussein and the Sacred Heart" bringt Leon J. Podles im Touchstone-Blog folgende Story aus einem AP-Bericht:

"Saddam's bond with Detroit started in 1979, when the Rev. Jacob Yasso of Chaldean Sacred Heart congratulated Saddam on his presidency. In return, Yasso said, his church received $250,000.

'He was very kind person, very generous, very cooperative with the West. Lately, what's happened, I don't know,' Yasso, 70, said Wednesday. 'Money and power changed the person.'

Detroit Mayor Kwame Kilpatrick did not immediately return a phone message seeking comment.

Yasso said that at the time, Saddam made donations to Chaldean churches around the world. 'He's very kind to Christians,' Yasso said. Chaldeans are a Catholic group in predominantly Muslim Iraq. Among prominent Chaldeans is Iraq's deputy prime minister, Tariq Aziz.

A year later, Yasso traveled with about two dozen people to Baghdad as a guest of the Iraqi government, and they were invited to Saddam's palace. 'We were received on the red carpet,' Yasso said. Yasso said he presented Saddam with the key to the city, courtesy of then-Mayor Coleman Young. Then, Yasso said, he got a surprise.

"He said, `I heard there was a debt on your church. How much is it?' Yasso said.

Saddam donated another $200,000."

Was sagt uns das? "Macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon", sagt ER.

* lat. für: Geld stinkt nicht.
!

Ken Joseph Jr., assyrischer Christ aus Japan, Pazifist und Kriegsgegner berichtet von seinem Besuch im Irak. (via www.andrewsullivan.com

30. März 2003

Just imagine

Just imagine how a similar resolution would have been worded in Saddam Hussein's Iraq.

See what I mean?
Nationaler Fast- und Gebetstag in den Vereinigten Staaten

Senat und Kongreß haben einer Resolution zugestimmt, die den Präsidenten auffordert, "einen Tag der Demut, des Fastens und des Gebetes festzusetzen" und sein Volk aufzufordern, "diesen Tag als Zeit des Gebetes und des Fastens zu beachten; von Gott Führung zu erbitten, um das eigene Versagen besser zu verstehen und zu erkennen, wie wir unsere tagtäglichen Handlungen besser tun können; und Entschlossenheit zu erlangen, wenn wir uns den Herausforderungen/Problemen unserer Nation stellen." Nicht mehr, nicht weniger.

Wer sich statt auf unsere Medien lieber auf den Originaltext zur Interpretation verlassen will, findet ihn durch eine Suche nach der Bill Number "h.res.. 153" bei Thomas - Legislative Information on the Internet.
Politisch völlig inkorrekt

Matthias Horx: Der gute Krieg - futurologus diaboli.
G. W. Bush

Richard Brookhiser in der Weltwoche - advocatus diaboli.
Doch kein Hörfehler?

Zuerst, als ich Michael Hanefelds Artikel in der FAZ (29.3., S. 1, heute noch im Netz bei FAZ.NET aktuell / Kultur) las, dachte ich mir, daß meine Hörprobleme in den letzten Tagen doch keine Einbildung sind. Aber vielleicht hat er den selben Virus intus wie ich: WMAS (War Mongers Auditory Syndrome). Bei ihm äußert sich das natürlich beredter als bei mir:

"Während Journalisten aus anderen Nationen berichten, unparteiisch und auch voreingenommen, wissen die Kollegen aus Deutschland oftmals vieles, wenn nicht alles besser. Wo andere berichten, müssen sie kommentieren und demonstrieren, was andere, vor allem die Amerikaner, angeblich alles falsch machen. Kommentar und Bericht gehen in eins, in einem schlimmen Einzelfall reichte der Tonfall in einem Beitrag der ARD sogar bis zur kaum verhüllten Schadenfreude über Verluste bei den Truppen der Koalition. Mit solcher Häme und dem sich derart ausdrückenden Hochmut geht das spezielle "embedding" hiesiger Provenienz einher: Die Journalisten fühlen sich "eingebettet" in eine öffentliche Meinung, die mit überwältigender Mehrheit den Krieg im Irak verurteilt.

Für diese Haltung gibt es viele gute Gründe. Sie kann aber weder die handwerklichen Fehler noch die Verstöße gegen Grundsätze eines fairen und akkuraten Journalismus rechtfertigen. Der politische Konflikt zwischen der Bundesregierung und der "Koalition der Willigen" findet in der Berichterstattung seine journalistische Entsprechung - und das bezeichnenderweise fast ausschließlich in Beiträgen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das sich ansonsten auf sein Informationsangebot einiges zugute halten kann. Dabei wird über all der Besserwisserei die entscheidende Frage der Berichterstattung über diesen Krieg gar nicht gestellt: Was sagen uns die Bilder über diesen Krieg? Was sagen sie über den Krieg an sich?"
Priester der anderen Art

"'Ich will es nicht abstreiten', sagte er, 'es muß Priester geben, welche die Menschen daran erinnern, daß sie eines Tages sterben werden. Ich meine nur, in bestimmten ungewöhnlichen Epochen braucht man eine andere Art Priester, Dichter genannt, welche die Menschen daran erinnern, daß sie noch nicht tot sind. Die Intellektuellen, mit denen ich verkehrte, waren sogar nicht einmal lebendig genug, um den Tod zu fürchten. Sie hatten nicht genug Blut in den Adern, um feige zu sein. Erst als ihnen ein Revolverlauf unter die Nase gehalten wurde, wußten sie, daß sie geboren waren. Für die Zeitalter, die auf eine unendliche Perspektive blicken, mag es wahr sein, daß das Leben ein Sterbenlernen ist. Doch für diese kleinen weißen Raten war es ebenso wahr, daß der Tod ihnen die einzige Möglichkeit gab, leben zu lernen.'"
(Gilbert Keith Chesterton: Menschenskind)

28. März 2003

Memorabilia

Die weißen Wolken der Schlehen entlang der Autobahn.

Der Abendchor der Vögel, den ich erst bemerkte, als ich selber schon eine Strophe von Ralph Stanleys "Angel Band" gesungen hatte.
Cutting through Iraq's 'fog of war'

27. März 2003

Lebensevent Kind

»In einer Gesellschaft, in der es nicht mehr um den puren Konsum materieller Güter geht, wird der Akt des Kinderbekommens ein geplantes und designtes Lebensevent mit hohem Erlebniswert.« So zitierte meine Lokalzeitung heute Matthias Horx, Trendguru, Zukunftsforscher, Futurologe, Beschreiber wahrscheinlicher Geschichte. (Ein bißchen anders sagt er es in seinem Aritkel in der Welt.

Ein Event: ganz sicher. Erlebniswert: auf jeden Fall. Aber ganz sicher keine Fortsetzung des »puren Konsums materieller Güter« auf einer anderen Ebene, nicht einmal für die Wohlhabenden. Wer einmal eine Nacht mit einem kranken Kind verbracht hat - für den Anfang tut es ein ganz normaler Husten - oder wer verzweifelt seinen/ihren seit vier Stunden schreienden Säugling einfach fallen lassen möchte, der hat etwas erlebt. Aber sub contrario. Nicht wie eine Bergbesteigung, bei der der Schweiß und sogar noch der Muskelkater zum Event dazugehört, nicht wie andere Risiko-Sportarten, (die ich mangels Interesse und jugendlicher Spannkraft gar nicht erst kennen gelernt habe und) die ein möglichst intensives Selbst-Erleben bezwecken, ist das Kinderbekommen und -haben die Geschichte eines Überwältigtwerdens durch eine größere Wirklichkeit.

Eltern haben die Mittel, Anzahl und Geburtszeitpunkt ihrer Kinder zu planen; in Indien erstreckt sich die Planung auch auf deren Geschlecht, und die modernen Reproduktionstechniken - ein passendes Wort, so schön kompliziert und nüchtern - werden in absehbarer Zeit sicher auch die komplette genetische Ausstattung festlegen können. An dem eigentlichen Erlebnis des Kinderbekommens/habens ändert das nichts.

Das eigene Kind im Arm zu halten - hilflos, schutzbedürftig, vor einer unbekannten Zukunft - ist eine Erfahrung, deren Umstände und deren Echo nicht planbar, designbar ist. Vor diesem In-die-Pflicht-genommen-sein - vor der Geburt undeutlich und wachsend, mit der Geburt unwidersprechlich und dann über lange Jahre nicht abzulegen - dürften auch die meisten Autobiographiedesigner schmelzen und zu den simplen Geschöpfen werden, die sie sind: homo sapiens sapiens, männlich und weiblich. (Hans Jonas: »Das Neugeborene, dessen bloßes Atmen unwidersprechlich ein Soll an die Umwelt richtet, nämlich: sich seiner anzunehmen. Sieh hin und du weißt. Ich sage "unwidersprechlich", nicht "unwiderstehlich": denn natürlich läßt sich der Kraft dieses wie jede Soll widerstehen, sein Ruf kann auf Taubheit stoßen (obwohl mindestens im Falle der Mutter dies als Entartung angesehen wird) oder durch andere "Rufe" wie etwa vorgeschriebene Kindesaussetzung, Erstgeburtsopfer und dergleichen, ja schon durch den nackten Selbsterhaltungstrieb übertönt werden - an der Unwidersprechlichkeit des Anspruchs als solchen und seiner unmittelbaren Evidenz ändert dies nichts.«)

So möchte ich sagen: Designt mal schön. Es wird ja doch härter als ihr befürchten, und verzückender als ihr wünschen könnt. Ihr macht Euch keine Vorstellung von den Schmerzen und der Freude. Verstehen lässt sich's, wenn überhaupt, erst im nachhinein.
Soldier 'bloggers' report from war

26. März 2003

Nichts als?

Ich bin noch in der obsessiven Phase: Morgens um 5.30 Uhr, gleich nach dem Aufstehen, einen Blick in den Fernseher. Auf der Arbeit die Startseite des IE auf die BBC umgestellt. Entgegen meinen Gewohnheiten bleibe ich nach der Tagesschau für die Sondersendung sitzen.

So ging es mir auch 1991 - und damals waren meine Nächte mit einem 6 Monate alten Säugling noch kürzer.

Was kommt danach? Gleichgültigkeit, Verzweiflung? Nicht automatisch.
Hondrich in der NZZ

»Ich erinnere mich noch brennend an Leid und Elend des Krieges. Ich erinnere mich aber auch an meine Verzweiflung und meine Wut, weil die Welt über die Tragödie hinwegsah, die mein Volk zu vernichten drohte. Wir flehten eine fremde Macht an, uns von der Unterdrückung zu befreien - wenn nötig mit Gewalt», zitierte in der NZZ Karl Otto Hondrich am 22.3. José Ramos-Horta, Aussenminister von Osttimor.

Riechen

»Tote Nase« titelte die Zeit in der letzten Woche und stellte fest: »Der Mensch verlernt das Riechen. Die Natur hat den Geruchssinn ausgemustert – zugunsten des Sehvermögens.«

Mich überfiel gestern abend um 19.59 Uhr am Rand einer dunklen Straße der Duft verblühender Magnolien.
Fedajin

Nein, auch das kann Propaganda sein.

Nein, auch das muss der Springerpresse keiner glauben.

Nein, auch das rechtfertigt nicht unbedingt einen Krieg.

Aber: Vielleicht ist ja doch wahr, daß Saddams Wolfsjungen im Zweifelsfall auch ihre eigenen Eltern töten würden.

Frage: Wie fühlten Sie sich, als Sie den Artikel gelesen hatten?

Erläutern Sie.

25. März 2003

Kleiner Witz vor sechs

Im Morgenmagazin meinte der muntere Moderator zu seiner blonden Gefährtin: "Stell dir vor: Bush ruft - und keiner geht hin."

Frage: Warum ist die humorvolle Frage: "Stell dir vor: Saddam ruft - und keiner geht hin" unvorstellbar?

Antworten:
  • Weil Morgenmoderatoren die Gefühle von Arabern nicht verletzen wollen?
  • Weil Morgenmoderatoren keine mutigen Journalisten sind, sondern lieber populistisch mit der Anti-Kriegs-Mehrheit schwimmen?
  • Weil ARD und ZDF auf Quoten angewiesen sind - schon weil die Industrie an den Werbeausgaben knappst?
  • Weil es unvorstellbar ist, daß keiner kommt, wenn Saddam ruft?
  • Weil die Unvorstellbarkeit dieser Vorstellung - daß keiner Saddam zu Hilfe eilt - selbst wieder peinlich ist - für die arabische Welt und unsere muslimischen Mit-Erdenbürger?

Wählen Sie!

24. März 2003

Ganz recht hat er nicht

The Atlantic Monthly bringt in seiner Unbound-Sektion ein Interview mit Stephen Schwartz, dem Autor eines Buches mit dem Titel "Two Faces of Islam: The House of Sa'ud from Tradition to Terror". Er bemerkt zu einer notwendigen islamischen Reformation Folgendes:

»Question: What sort of comparisons would you draw between Wahhabi Islam and puritanical branches of Christianity and Judaism? Are there any similar motivations behind them?

Schwartz: Absolutely. This is an extremely complex and paradoxical issue. In Islam, there has always been the argument that Wahhabism arose directly as an imitation of Protestant Christianity. And there are Wahhabis who do make this comparison. They say, "We are creating a Protestant Islam." I used to respond to this by saying to Wahhabis, "If you're looking for models from the Christian world, the Catholics are much better models." If I went to Jerry Falwell and asked him how he thinks the poetry of William Blake relates to theology, it is very doubtful he would even know what I was talking about. If I were to go to Pat Robertson and ask him what he thought of John Milton as a representative of Protestant culture, it's very doubtful he would have an intelligent comment. But I can go to a Catholic priest anywhere in the Catholic world and talk about philosophy and poetry, literature and art, because Catholicism is a whole civilization. If you want a Protestant-style Islam, fine, I can't stop you from wanting that, but Protestantism begins with John Milton and ends with Jimmy Swaggart. A Protestant-style Islam would be stripped down, with no spirituality, no sense of Islam as a civilization or a culture, no love of poetry, of mysticism, of religious philosophy, no beautiful mosques. When you look at Protestantism versus Catholicism, or Wahhabism versus traditional Islam, these are the striking parallels. It's a big cliché in the West: "Islam needs a Reformation." No, Islam does not need a reformation. If Islam needs anything comparable to developments in Christian history, it needs a Counter-Reformation. That is, what the Catholics did. You reaffirm faith, you reaffirm tradition, but you adjust the day-to-day functioning of the Church to the realities of a modern society.«

Daß ich überall in der katholischen Welt zu einem Priester gehen und mit ihm über Philosophie, Dichtung, Literatur, Kunst reden kann? Ich weiß ja nicht.


Bericht eines ehemaligen Narren

Daniel Pepper was a naive fool to be a human shield for Saddam /Daily Telegraph, March 23, 2003)
Hörfehler

Ich bilde mir tatsächlich ein, eine gewisse Schadenfreude zu hören und zu lesen, wenn der Angriff stockt, die Iraker heftigen Widerstand leisten, die Amerikaner "in der Falle sitzen" (S. Hussein), die ersten Verwundeten in Ramstein landen. Muss am Alter liegen.
Bagdad-Weblog

Where is Raed? ist ein Weblog aus dem Haus des Global Village, das "Bagdad" heißt.

Lesen.
Aus dem Leben des Bruce Springsteen

A Rocker and a Revered Author Bond For a Cause berichtet von Bruce Springsteens Freundschaft mit Robert Coles und von seiner Rettungsaktion für Coles' Magazin DoubleTake. Zusammengeführt hat die beiden die gemeinsame Bewunderung für Walker Percy.

Über Walker Percy hat sich Springsteen schon 1996 öffentlich geäußert - in DoubleTake, in einem Interview mit Will Percy, Walkers Neffen.

22. März 2003

Don't immanentize the Eschaton...

heißt auf Deutsch: Die letzten Dinge übersteigen irdische Realität und menschliche Geschichte.

Dieser Satz war nicht immer allgemein zustimmungsfähig. In diesen Tagen noch weniger als sonst. Denn immerhin hat eines der Eschata irdische Gestalt gefunden: "War is Hell". (Naja, wenn Bush der Scheitan, the Devil, der Teufel ist...)
Live aus dem Lager der Gerechten

Auf der Website von St. Michael, Schweinfurt die Texte für die Sonntagsgottesdienste, inclusive Kyrie:

» - Wenn wir uns von unseren Gottesvorstellungen nicht lösen wollen. Wenn wir nicht auf der Suche bleiben. Wenn wir uns nicht offen halten für Erfahrungen: 186, 4
- Wenn wir Suchenden und Zweifelnden Gottesbilder verbindlich machen wollen. Wenn wir sie auf Vorstellungen festlegen, die ihnen den Blick verstellen und den eigenen Weg unmöglich machen: 186, 4
- Wenn wir einen starren Glauben wie eine Versicherung pflegen, wenn wir deshalb Feindschaft, Hass und Krieg für denkbar, gar machbar halten, um irgendeiner fragwürdigen Gerechtigkeit willen: 186, 4
Hilf uns zu erkennen, dass wir deine Ebenbilder sind und wir es deswegen nicht nötig haben, uns von dir ein Bild zu machen.«

Liebe Iraker, freut Euch nicht zu sehr, wenn - vielleicht, hoffentlich - in ein paar Tagen und Wochen die Tyrannei in Eurem Land durch eine bessere Ordnung abgelöst ist. Vor allem: Haltet nicht im nachhinein den jetzigen Krieg für machbar, denn die Gerechtigkeit, die dann - hoffentlich, vielleicht - bei Euch einkehrt, ist fragwürdig. Absolut. Rolandus dixit.

Und Dir, Jesus, möchte ich sagen: Dein Gottesbild ist mir, dem Sucher und Zweifler, ab sofort nicht mehr verbindlich. Denn ich will auf der Suche bleiben. Ich halte mich offen für Erfahrungen. Verstelle mir also mit Deinem Abba-Gelalle nicht den Blick und mach mir meinen Weg nicht unmöglich. Und sag bloß nicht, Du hättest recht. Denn das, mein Freund, ist ein starrer Glaube, wie er im Buche steht.

21. März 2003

Abendlektüre in den Zeiten des Krieges

Don Jim bei Dappled Things wies hin auf: Mark Steyn: The Yanks Are Going Home. Was zum Verzweifeln oder zum Ärgern. Dürfte sich nach einer Flasche Bier besser ertragen lassen.

Unsterblich, weil vielzitiert dürften die ersten Worte des Klassikers von Robert Kagan werden: "Es wird Zeit, daß wir aufhören so zu tun, als ob Europäer und Amerikaner ein gemeinsames Bild von der Welt hätten, oder daß sie sogar die gleiche Welt bewohnen." (Power and Weakness in: Policy Review, Juni 2002)

20. März 2003

What makes Double Juh tick?

Der »Stupid White Man« schlechthin ist W. für eine Mehrheit der Deutschen.

Falsch, sagt Scipio. Ich versteh Euch ja, versuch's wenigstens. Aber echt mal: Glaubt Ihr wirklich, Ihr könnt es Euch so einfach machen? Ist W. wirklich der einzige unkomplizierte Mensch auf diesem Planeten? Ist er die "Maske des Bösen"? Hat er als einziger kein Innenleben, keine - ja, ich schreib's: Seele?

Ich empfehle demütig die Lektüre der folgenden, frei verfügbaren Texte, um ein bißchen Tiefenschärfe zu kriegen:

What Makes W. Tick? - ein Interview mit Richard Brookhiser (Atlantic Online)

Jack Beatty: In the Name of God (Atlantic Online)

David Frum: The Real George Bush (Atlantic Online)

Sie bewerten ihn alle anders, und nicht alle positiv; aber sie nehmen ihn wenigstens ernst.
Liebe

»Wir lieben diejenigen, die das Schlimmste von uns wissen und das Gesicht nicht abwenden.« (Walker Percy: Liebe in Ruinen)
Fänd ich gerecht

»The Bush administration also was preparing to launch a financial attack on Saddam. The U.S. Treasury Department Thursday was to announce plans to freeze the Iraqi leader's financial assets and use the money to rebuild Iraq, administration and congressional sources told CNN.« (CNN, Mar 20, 21.45 GMT)

Was ist Kultur?

Benedikt fragt in Zeit und Ewigkeit nach einer sinnvollen Beschreibung des Begriffs »Kultur«.

Da empfehle ich ihm, zuerst bei Eckhart Henscheid ("Dummdeutsch") nachzuschlagen: »Kultur - Ein schönes Wort, von uns allen gern benutzt, auch genutzt. In den letzten Jahren aber oft in dummdeutscher Absicht erweitert, z.B. in 'politische Kultur', von der ausgerechnet Kohl, Stoiber und Geißler, aber auch B. Engholm jetzt ständig schwafeln und schwallen, was den Begriff bereits diskreditiert. (...) Vgl. -> Angstkultur, -> Ereigniskultur, -> Lachkultur, -> Leitplankenkultur, -> Lesekultur, -> Rivalitätskultur, -> Streitkultur u.v.a.«

Man sieht: eine richtige Kulturinflation. Erst dagegen geimpft darf man guten Gewissens über Kultur nachdenken.

Der Begriff der "Kultur", auf den sich JPII bezieht, wird in Gaudium et Spes, Nr. 53 und dann - vermittelt über Evangelii Nuntiandi, Nr. 20 (enthalten in Arbeitshilfen 66 der Deutschen Bischofskonferenz - recht ausführlich im Dokument der Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe 1979 in Puebla erläutert.

Das Konzil schreibt:

»53. In der Person des Menschen selbst liegt es begründet, daß sie nur durch Kultur, das heißt durch die entfaltende Pflege der Güter und Werte der Natur, zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangt. Wo immer es daher um das menschliche Leben geht, hängen Natur und Kultur engstens zusammen.

Unter Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet; wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Strebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit.

Daraus folgt, daß die Kultur des Menschen notwendig eine geschichtliche und eine gesellschaftliche Seite hat und darum der Begriff der Kultur meist das Gesellschaftliche und das Völkische mitbezeichnet. In diesem Sinn spricht man von Kulturen im Plural. Denn aus der verschiedenen Weise des Gebrauchs der Sachen, der Arbeitsgestaltung, der Selbstdarstellung, der Religion und der Sittlichkeit, der Gesetzgebung und der rechtlichen Institution, der Entfaltung von Wissenschaft, Technik und Kunst entsteht eine Verschiedenheit der gemeinschaftlichen Lebensformen und der Gestalten, in denen die Lebenswerte zu einer Einheit zusammentreten. So bildet sich aus den überlieferten Einrichtungen ein jeder menschlichen Gemeinschaft eigentümliches Erbe. So entsteht für den Menschen jedweden Volkes und jeder Zeit auch eine abgegrenzte und geschichtliche Umwelt, in die er eingefügt bleibt und von der her er die Werte zur Weiterentwicklung der menschlichen und gesellschaftlichen Kultur empfängt.«

Im Puebla-Dokument heißt es:

»2. Evangelisierung der Kultur
2.1. Kultur und Kulturen

385 Ein neuer und wertvoller pastoraler Beitrag des Lehrschreibens "Evangelii nuntiandi" ist der Aufruf Pauls VI., die Aufgabe der Evangelisierung der Kultur und der Kulturen in Angriff zu nehmen (EN 20).

386 Mit dem Wort "Kultur" wird die besondere Art bezeichnet, wie in einem Volk die Menschen ihre Beziehung zur Natur, untereinander und zu Gott pflegen (vgl. GS 53), so daß sie "zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangen" (GS 53). Es ist der Stil des gemeinsamen Lebens (vgl. GS 53), der die verschiedenen Völker kennzeichnet. Daher spricht man von "Kulturen im Plural" (GS 53) (vgl. EN20).

387 Die so verstandene Kultur umschließt das ganze Leben eines Volkes: die Gesamtheit der Werte, die es beseelen und der Fehlwerte, die es schwächen, welche alle, da sie gemeinschaftlich von den Mitgliedern geteilt werden, diese aufgrund eine und desselben "kollektiven Bewußtseins" (EN 18) vereinen. Die Kultur umfaßt ebenso die Formen, in denen jene Werte oder Fehlwerte sich ausdrücken oder gestaltet sind, d.h. die Bräuche, die sprache, die Einrichtungen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sofern sie nicht behindert oder unterdrückt werden durch das Eingreifen anderer dominierender Kulturen. (...)

389 Das Wesentliche der Kultur besteht in der Haltung, mit der ein Volk eine religiöse Bindung zu Gott gejaht oder verneint, es besteht aus den religiösen Werten oder Fehlwerten. Diese stehten in Bezug zum letzten Sinn der Existenz und wurzeln in jener tiefsten Zone, wo der Mensch Antworten auf die grundsätzlichen und definitiven Fragen findet, die ihn bedrängen. (...) Daraus folgt, daß die Religion oder die Religionslosigkeit alle übrigen Ebenen der Kultur inspiriert - die familiäre, wirtschaftliche, politische, künstlerische Ebene usw. (...)«

Man sieht: Auch hier ist alles Kultur - jedenfalls alles, was Menschen in ihren Gemeinschaften - Familie, Stadt, Volk - gemeinsam tun. Besser: Kultur ist das Wie ihres gemeinsamen Tuns.

Hope it helps somehow.

Mother Mary comes to me

»Die feierliche Weihe des Irak an die Gottesmutter Maria war für Freitag, 21. März, in der chaldäisch-katholischen Josephskathedrale in Bagdad vorgesehen. Ob der geplante religiöse Akt trotz des Kriegsausbruchs stattfinden kann, war am Donnerstag nicht klar. Bereits seit Tagen "pilgert" die Statue der "Königin des Friedens" von einer christlichen Kirche in Bagdad zur anderen; Christen und Muslime - die ebenfalls die Jungfrau Maria verehren - versammeln sich zum Gebet vor der Marienstatue, um ihre Sehnsucht nach Frieden und ihr Nein zum Krieg zum Ausdruck zu bringen. Die Pilgerfahrt der "Königin des Friedens" hatte im Norden des Irak begonnen. Der Vorschlag zur feierlichen Weihe des Irak und seiner Menschen an das Unbefleckte Herz Mariens wurde vom lateinischen Erzbischof von Bagdad, Youhanna B. Sleiman, artikuliert und von allen Kirchenführern akzeptiert. An dem Weihegottesdienst am Freitag wollten alle in Bagdad residierenden Bischöfe - sowohl die unierten, mit Rom in voller Kirchengemeinschaft stehenden, als auch die orthodoxen - teilnehmen. Die Gebetsbewegung um die pilgernde "Madonna des Friedens" ist in Frankreich entstanden. In der Zeit des Algerienkrieges wanderte die Statue von Dünkirchen (Dunkerque) im äußersten Norden Frankreichs bis in die Bergwerksstadt Colomb-Bechar in der Sahara. Seit damals ist der Brückenschlag zwischen Christen und Muslimen ein Akzent der Bewegung. Mittlerweile "pilgern" 8.000 Marienstatuen und –ikonen durch 120 Länder; das Gebet für den Frieden ist dabei die zentrale Aufgabe. - Solche Meldungen geben Hoffnung, daß der Heilsplan Gottes sich immer wieder durchsetzt, auch in Zeiten der Not und Bedrängnis durch Krieg!« (St. Josef - News / kathpress)
Sorry

Ich klinge ärgerlicher als ich bin. Aber was ich wirklich hasse, sind Heuchler, die Heuchler Heuchler nennen. Und deren Zahl explodiert in diesen Tagen.
Ölfelder

Bei Basra brennen Ölfelder. Daß es Saddams Leute waren, die das Feuer legten, ist sozusagen Schicksal, der Gang der Dinge. Keine Aufregung deswegen. Schuld sind die Bushisten!
Die ersten Reihen bitte freihalten

Namen konnte sie noch keine nennen, die Reporterin aus Berlin. Aber "hochkarätig" soll die Friedensandacht im Berliner Dom doch besetzt sein.

Vermutlich gehören zu den Karätern aber nicht Franz, Thomas und Teresa, sondern Klaus, Wolfgang und Antje. That's what you call instrumentalization.

Und worum beteten die Soldaten, die heute morgen in der Slide Show der NY Times zu sehen waren? (Die Bilder sind leider schon ersetzt.)

19. März 2003

Koalition der Willigen

»On Tuesday, March 18, the U.S. State Department released a list of 30 nations it describes as the "Coalition for the Immediate Disarmament of Iraq.":

Afghanistan, Albania, Australia, Azerbaijan, Colombia, Czech Republic, Denmark, El Salvador, Eritrea, Estonia, Ethiopia, Georgia, Hungary, Iceland, Italy, Japan (has agreed to participate in postwar rebuilding efforts), South Korea, Latvia, Lithuania, Macedonia, Netherlands, Nicaragua, Philippines, Poland, Romania, Slovakia, Spain, Turkey, United Kingdom, Uzbekistan« (via CNN)

Mit Afghanistan, Albanien, Aserbeidschan, der Türkei und Usbekistan sind fünf (mehrheitlich) islamische Länder dabei. So viel zum Clash of Civilizations.
Doch kein Abend für Mond- und Frühlingsgedichte

Eigentlich müsste der Abend endlos sein, ewig-stehendes Jetzt. Unterm letzten gelben Wintermond umfließt mich weiche Luft.

Kein Sandsturm in der Mitte Deutschlands, wo Kirchenchöre proben, die Bürger nebenan in der Turnhalle über Ortskernsanierungen debattieren und die Straßenlampen übers Tal flimmern.

Keine Flüchtlinge in Notquartieren, und die Exil-Kurden sehen aus wie Asylsucher.

Ur in Chaldäa wartet auf die Heimkehr der getarnten Abrahamssöhne.
Und der Papst?
Erstaunlich, wie viele in diesen Tagen neuen Respekt vor JPII bekommen. Mehr würde es mich freuen, wenn es aus den richtigen Gründen geschähe.

Was soll man von Politikern und Journalisten halten, die in ruhigeren Zeiten den alten Mann in Rom gar nicht genug vom Thron stürzen können und ihn jetzt wieder als die große moralische Instanz hervorholen? Konsequent wäre, wenn sie sagten: »So wie ein blindes Huhn auch mal ein Korn findet, so vertritt der Kirchendiktator in Rom halt momentan eine Meinung, die ich aus den eigentlich richtigen Gründen für richtig halte.«

Umgekehrt gilt auch die Anfrage: Nehme ich - der ich einen Krieg gegen Saddam Hussein für gerechtfertigt halte - den Papst nicht auch leichtfertig nur in den Teilen seiner Botschaft für voll, die mir passen - genau so, wie ich es den anti-römisch affektierten Kriegsgegnern vorhalte? Die Frage sitzt.
Einladung zum Geburtstags-Kofi

Die Stuttgarter Nachrichten heute: "'Ich würde mich freuen, wenn Rom mich als katholischen Theologen anerkennen und wieder willkommen heißen würde', sagt Küng. 'Nicht weil ich ohne das nicht leben kann. Aber es würde die Glaubwürdigkeit heben, wenn der Fall Küng endlich erledigt wäre.' Am Mittwoch wird Küng 75 Jahre alt. Ihm zu Ehren wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die dritte Weltethosrede in Tübingen halten. Wann genau, ist allerdings noch ungewiss."

Ceterum censeo Joannem Küng Catholicum theologum non esse. Trotzdem alles Gute zum Geburtstag, lieber Hans. [Korrektur: Das C im Catholicum groß geschrieben. Am kleinen c zweifle ich nicht.]

18. März 2003

Times Online

See men shredded, then say you don't back war by Ann Clwyd, Labour MP.
Epheser

You are Ephesians
You are Ephesians.


Which book of the Bible are you?
brought to you by Quizilla
St. Gilbert Chesterton

Läuft für Gilbert Keith eigentlich schon der Seligsprechungsprozess? An Wundern dürfte es nicht fehlen, mindestens nicht an seelischen. GKC ist und bleibt unvermindert eine Quelle der Freude, ein Spiegel des göttlichen Lächelns, ein exemplum admirationis (Beispiel anbetenden Staunens).

Eine meiner Lieblingsstellen, aus der »Verteidigung des Unsinns, der Demut, des Schundromans und anderer mißachteter Dinge«:

»Die Demut ist jene luxuriöse Kunst, sich selbst zu einem Punkt zu reduzieren, nicht zu einem großen oder kleinen Ding, sondern zu einem Ding, das überhaupt des Umfanges entbehrt, so daß, mit ihm verglichen, alle kosmischen Dinge das sind, was sie wirklich sind - von maßloser Größe. Daß die Bäume hoch sind und die Gräser kurz, ist reiner Zufall; es gilt nur in bezug auf unseren eigenen Maßstab. Aber für den, welcher auch nur einen Augenblick dieses müßigen Maßstabes sich entledigen konnte, wird das Gras zum ewigen Walt, werden die Meilensteine der Landstraßen zu rätselhaften Bergen; die Blüten des Löwenzahns werden zu gigantischen, weithin leuchtenden Freudenfeuern, und die Maßliebchen auf ihren Stengeln zu Himmelssternen, einer den anderen überragend.
Zwischen einem Zaunpfahl und dem nächsten sind neue erschreckende Landschaften: hier eine Wüste, die nichts anderes enthält als einen mißgestalteten Felsen; hier ein wunderbarer Wald, dess Bäume leuchtende Kronen mit allen Farben des Sonnenunterganges tragen; dort wieder eine See, voll von Ungeheuern, wie ein Dante nicht gewagt hätte, sie zu erträumen.
Das sind die Visionen desjenigen, der, wie das Kind im Märchenbuch, sich vor dem Kleinsein nicht fürchtet.«

(Mehr zu GKC u.a. auf der Website von Matthias Wörther utner Bibliographie. Empfehlenswert seine Dissertation unter dem Titel "Das unterhaltsame Dogma", die er dort im Volltext aufgelegt hat.)

17. März 2003

Die U.S. of A. verstehen

Bridging the Atlantic Divide - ein Artikel aus Foreign Affairs zur Zukunft der rechts- und linksatlantischen Machtblöcke. (Gelesen und dann verlinkt.)

The Arrogant Empire - die Coverstory von Newsweek, 24. März 2003. (Verlinkt, aber noch nicht gelesen.)

16. März 2003

Ein neuer Bischof für Würzburg

Die Pressestelle des Würzburger Ordinariates schreibt in einer Meldung:

»Möglichkeiten der Mitwirkung des Diözesanrats der Katholiken bei der Besetzung des Würzburger Bischofsstuhls sind beim Auftakt der Frühjahrsvollversammlung des Laiengremiums am Freitagabend, 14. März, diskutiert worden. Vorsitzender Norbert Baumann ermutigte dazu, ihm bei Vier-Augen-Gesprächen Kriterien für einen künftigen Bischof von Würzburg zu nennen. Da er voraussichtlich unter Wahrung der Schweigepflicht zur Besetzung des Bischofsstuhls befragt werde, könne er die Anregungen der Delegierten in dieses Gespräch einbringen. „Ich werde jede Äußerung mitbedenken“, sagte Baumann. Gleichzeitig warnte Baumann davor, über mögliche Kandidaten öffentlich zu reden. „Wenn wir im Diözesanrat laut den Namen eines Kandidaten nennen, können wir gewiss sein, dass dieser es nicht wird.“ Dies sei keine kirchenrechtliche Vorschrift, aber eine Erfahrung der Rechtswirklichkeit. Baumann erinnerte daran, dass beispielsweise der Vorstand des Diözesanrats und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mit Bischof Scheele Gespräche zur Bischofsnachfolge geführt hätten. Kritik erhielt Baumann vom Eberner Delegierten Herbert Becker, der das Thema auf die Tagesordnung gebracht hatte. Becker forderte die öffentliche Mitwirkung der Laien. „Mit unserem Schweigen zu einer solchen weitreichenden Entscheidung kann die Kirche in den kommenden Jahrzehnten nicht überleben.“ Bischof Scheele selbst nahm die Diskussion gelassen und mit der ihm eigenen humorvollen Bescheidenheit auf: „Ich hoffe, dass sie einen besseren Bischof bekommen, als sie bisher hatten."«

Meine ungeordneten Kommentare dazu:

  • Mir egal wer. Hauptsache katholisch.
  • Mir reichen schon die Kriterien des Paulus: »Denn ein Vorsteher muß als Verwalter Gottes untadelig dastehen, er darf nicht anmaßend sein, nicht jähzornig, nicht trunksüchtig, nicht streitsüchtig, nicht schmutziger Gewinnsucht ergeben, sondern gastfreundlich, voll Liebe zum Guten, besonnen, rechtschaffen, fromm, voll Selbstbeherrschung; er muß sich angelegen sein lassen das zuverlässige Wort, wie es der Lehre entspricht, damit er imstande ist, in der rechten Lehrtätigkeit sowohl zu bestärken als auch die Widersacher zu widerlegen.« (Tit 1, 5-9)
  • Ich bin bereit, jeden neuen Bischof von Würzburg zu akzeptieren, ja sogar - mit Ignatius von Antiochien - als »Abbild des Vaters« von Herzen anzunehmen - wenn er in der Bischofsweihe die Vollmacht erhalten hat.
  • Apropos Vollmacht: Divus Sören sagt: »Ein Apostel wird nicht geboren; ein Apostel ist ein Mann, der von Gott berufen und bestellt, von ihm mit Auftrag entsandt wird. (...) Nicht deshalb soll ich auf Paulus hören, weil er geistreich oder ganz unvergleichlich geistreich ist; sondern ich soll mich unter Paulus beugen, weil er göttliche Vollmacht hat; und auf jeden Fall muß die Verantwortung des Paulus gerade die sein, daß er dafür Sorge trägt, diesen Eindruck zu erzeugen, mag sich nun jemand unter seine Lehre beugen oder nicht. Paulus soll sich nicht darauf berufen, daß er geistreich ist, denn alsdann ist er ein Narr. (...) Die VOLLMACHT ist das qualitativ Entscheidende.« (S. Kierkegaard: Über den Unterschied zwischen einem Genie und einem Apostel)
  • Dem Eindruck entgegenzuwirken, daß das irgendwie Entscheidende an der Person des neuen Bischofs ist, daß er seinem, meinem, deinem, unserem Erwartungsprofil entspricht, - das stünde auch Norbert Baumann oder auch einem Eberner Delegierten nicht schlecht an.
  • Schön, daß jede Äußerung mitbedacht wird. Bloß wie? Nach Kriterien der Majorität? Nach Kriterien der Übereinstimmung mit NBs Kriterien?
  • Mir graut schon vor dem massenmedialen und dem intraekklesialen Hype nach dem Tod von JPII. Ehrlich.
  • Wie wär's mit Beten? Beten als meine, deine, unsere Tätigkeit während der Auswahlphase? Beten als Kriterium der Auswahl - lieber einen Bischof, der ein Mann des Gebetes ist als einen, der irgendeiner Agenda entspricht?
Erste eBay-Aktion

Vor ein paar Tagen habe ich meine ersten Schritte in eBay gemacht und ein Angebot für eine Ausgabe von Chestertons "Man Alive" aka "Menschenskind" abgegeben. Vor 20 Jahren habe ich es einmal auf englisch gelesen und seit nie mehr irgendwo zwischen die Finger bekommen.

Es ist ein typischer Chesterton-Roman: Ein Mann, der alle Abenteuer unternimmt, um das Altvertraute - sein Haus, seine Familie, seine Frau - wieder als das Überraschende, Unselbstverständliche zu erleben, das sie sind. Ein Thema, um das GKC fast immer kreist. (Eine nette Version davon ist der Essay, in dem er ein Loblied auf die Nase im Allgemeinen und Besonderen singt - mal sehen, ob ich einige Passagen daraus poste.)

Jetzt hoffe ich, dass keiner sonst dieses Juwel ersteigern will. Wir werden sehen.

14. März 2003

Doch kein Schicksalstag

Für zu hoch gegriffen hält Thomas Reinhold im FAZ.NETdie Bewertung des 14. März 2003 als Schicksalstag deutscher Zukunft.

"'Den folgenden Morgen floß der Main, in dem sich die schönste Stadt des Landes gespiegelt hatte, langsam und gelassen durch Schutt und Asche, hinaus in die Zeit.' Das war vor fast genau 58 Jahren, am 16. März 1945. Gerade hatte eine Elitestaffel der Royal Air Force Würzburg zerstört. Und heute? Schröder hält eine Rede. Mehr nicht."

Und morgen wird der Main immer noch durch Würzburg fließen. Die Rede wird in den Zeitung kommentiert, und die deutsche Wirklichkeit - bleibt, wie sie ist?

13. März 2003

Mosebach in der NZZ

Nach FAZ und der Süddeutschen hat nun auch die Neue Züricher Zeitung die »Häresie der Formlosigkeit« von Martin Mosebach besprochen. Jan-Heiner Tück, Assistent am Arbeitsbereich Domatik und Liturgiewissenschaft der Freiburger Uni und einer der Mitherausgeber der deutschen Communio, gibt eine ausführliche und faire Zusammenfassung des Buches. Kritische Fragen beziehen sich auf die Düsterkeit der Mosebachschen Diagnose und auf die mangelnde Unterscheidung von konziliarer Reform und »teilweise problematischer Umsetzung in den Gemeinden«.

Sein Fazit: »Auch für das Konzil steht die Feier des Mysteriums von Tod und Auferstehung Jesu Christi im Zentrum der Liturgie; es spricht von einem Primat der Anbetung. Die Auswüchse des Reformeifers, die das liturgische Leben hier und da prägen, haben dies mitunter vergessen lassen. Es wäre daher wohl an der Zeit, vom zweiten Vatikanum her die faktische Entwicklung einer Revision zu unterziehen. Dabei könnten Mosebachs Einlassungen produktiv aufgenommen werden, denn unbestritten wäre eine Liturgie, in der Form und Gehalt auseinander brächen, ein Indiz für Unwahrheit.«

Wenn ich mir die fast alltägliche Realität in den real existierenden Gemeinden meiner Umgebung ansehe, bin nicht ganz überzeugt, ob der Reformeifer nur »hier und da« ausgewuchert ist. 38 postkonziliare Jahre haben ihre Spuren in Liturgie und Katechese hinterlassen. (Ob sich die Situation gegenüber der vorkonziliaren Wirklichkeit tatsächlich verschlimmert hat? Oder wurde nur nicht sooo viel besser, wie Kirchenpresse, Pfarrers, Bischöfe und Theologen uns Laien einreden?) Und: Manchen gehen die Spuren noch nicht tief genug.

(Meine Arbeitshypothesen in diesem Zusammenhang: Wir leben in Deutschland am Vorabend eines Schismas; untergründig sind die Sollbruchstellen schon vorhanden; eine vergleichsweise Kleinigkeit wird genügen, um eine innerkirchliche Katastrophe auszulösen; der Tridentiner Mosebach steht dem Krakauer-Römer-KosmopolitenKarol Wojtyla näher als dem Schweinfurter Breitenbach.)

12. März 2003

Für heute und morgen

Allmächtiger Gott,
gib uns die Gnade,
dass wir stets auf das Rechte bedacht sind
und es auch entschlossen tun.
Da wir ohne dich nicht bestehen können,
hilf uns, nach deinem Willen zu leben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
(Tagesgebet, Do nach dem 1. Fastensonntag, aktuell)


Auf Lateinisch:
Oremus. Humiliate capita vestra Deo.
Mentes nostras, quaesumus, Domine,
lumine tua claritatis illustra:
ut videre possimus, quae agenda sunt;
et, quae recta sunt, agere valeamus.
Per Dominum nostrum Jesum Christum.
(Oratio super populum vom Mi nach dem 1 Fastensonntag, prae-Vat II)
Keine Gin Soaked Bar Room Queen in Peking

Eines der eher unwichtigen Rätsel der Gegenwart: Warum dürfen Mick, Keith, Charlie und Bill in China ausgerechnet "Brown Sugar", "Honky Tonk Women", "Let's Spend The Night Together" und "Beast Of Burden" nicht spielen? ( via Spiegel)

11. März 2003

Kardinale Worte

Die Predigten von Joachim Meisner und Karl Lehmann während der Frühjahrs-Vollversammlung bei kath.net.

»Das Evangelium ist nicht "Ekstase", sondern "Inkarnation".« (Meisner)

»Alles kann auch noch Ausdruck unfrommer Ich-Bindung und bloßer Selbstbespiegelung sein. Die Psychotherapie hat uns ja die eigenen Abgründe im Menschen erschlossen. Die Liebe verleiblicht sich in konkreten Zeichen, aber es gibt keine untrüglichen Beweise für sie. Dennoch sind Erkennungszeichen notwendig.

Wenn man dies alles auf sich wirken lässt, wird man vorsichtig mit einem inflationären Wortgebrauch von Liebe. Kann man dann überhaupt noch wagen, das Wort in den Mund zu nehmen? Doch, Paulus gelingt es trotz dieser vieler Einschränkungen, das "Hohe Lied der Liebe" zu singen. Erst wenn man durch das ganze Feuer der Verneinungen, was die Liebe nämlich nicht ist, hindurch gegangen ist, zeigt sich gegenüber allen anderen Geistesgaben das Einmalige der Liebe: "Die Liebe hört niemals auf ... für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese Drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe." Glaube, Hoffnung und Liebe markieren den Anbruch der neuen Welt Gottes in unserer Wirklichkeit.« (Lehmann)

10. März 2003

Der Papst, die Katholiken und die Deutschen

Fono war schneller als ich, aber der Artikel des Psychiaters, Psychotherapeuten und Theologen Manfred Lütz in der Welt am Sonntag vom 9. März hat durchaus eine doppelte Empfehlung verdient!

(Sechs Links in drei Zeilen - persönlicher Rekord.)
Fastenzeit 3: Du sollst ...

... den Hunger nicht stillen.
... den Durst nicht löschen.
... die Sehnsucht nicht ersticken.
Römisches Triptychon

Am vergangenen Donnerstag wurde die dreiteilige poetische Meditation des Papstes der Öffentlichkeit vorgestellt. Ausschnitte aus dem dritten Teil "Berg im Land Moriah" hat Paul Badde in der Welt bereits übersetzt. Wir werden sehen, wie schnell der Herder-Verlag die deutsche Version vollständig und hoffentlich in einer guten Übersetzung herausbringt. (Im Gegensatz zum Katechismus werden wir wohl nicht mit einer nachgeschobenen editio typica rechnen müssen, die in ein paar Jahren Änderungen an der deutschen Fassung notwendig werden läßt. Die polnische Fassung zählt.)

Die einführenden Worte von Kardinal Ratzinger gibt es derzeit anscheinend nur im italienischen Urtext.

9. März 2003

Fastenzeit 2: Red Clay Halo

Von Gillian Welch und David Rawlings stammt ein nur scheinbar harmloses Lied, das ich für eine gelungene Meditation über einen Aspekt unserer Sterblichkeit halte: Wie geht unser Leben, unsere Irdischkeit und Erdhaftigkeit in das ewige Leben ein? Bekommen wir alle eine goldene Robe - für alle die gleiche? - übergestülpt, oder wird verwandelt, was wir mitbringen?

Well the girls all dance, with the boys from the city
But they don't care to dance with me.
Well it ain't my fault, that the fields are muddy
And the red clay stains my feet.

It's under my nails, and it's under my collar,
And it shows on my Sunday clothes.
Though I do my best with soap and water,
That dammed old dirt won't go.

Chorus
But when I pass through the pearly gates
Will my gown be gold instead
Or just a red clay robe with red clay wings
And a red clay halo for my head.

It's mud in the spring and it's dust in the summer,
When it rolls in crimson tide
Til the trees and leaves and the cows are the colour,
Of the dirt on the mountainside
Chorus

Now Jordan's banks are red and muddy,
And the rollin water is wide
But I got no boat, so I'll be good and muddy,
When I get to the other side

Chorus

I'll take a red clay robe and red clay wings
And a red clay halo for my head.


Zu hören ist der Song auf Gillians Album "Time (The Revelator)" und in der Interpretation der Nashville Bluegrass Band auf "American Beauty".
Fastenzeit 1: Aschermittwoch in Vierzehnheiligen

Am vergangenen Mittwoch zum Empfang der Asche in der Basilika Vierzehnheiligen. Umgeben von Marmor (echt oder imitiert - was macht's?), goldenen Ornamenten, die wie lebendig wuchern und weiterwachsen beim Wegschauen, blendendem Morgenlicht - und dazu die alljährliche Botschaft: Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück.

Keine Zerknirschung, kein Kleinfühlen - einfach die Feststellung, die die feine Asche auf der Stirn interpretiert.

So fein die Asche, daß sie sich nachher nicht von den Kleidern streifen ließ. Sterblichkeit in jeder Falte.

2. März 2003

Fasnachtsflüchter

Die nächsten 4 Tage verbringe ich in der Stadt des Adam Riese. Also kaum Post von Scipio.
Biblos Geneseos

Ein griechisches Neues Testament mit ganz ganz vielen Fußnoten. (Via Flos Carmeli - eucharisteo)
Entrücktheit

»1967, beim Pariser Konzert der alljährlichen Tournee des American Folk Blues Festivals, setzten auf einmal die Mikrophone aus, und Son House saß allein mit seiner Gitarre vor 5000 Leuten. Vollständig in seinen Preachin' Blues versunken, bemerkte er die technische Panne überhaupt nicht, die ihn um den vollen Klang brachte. Er stetzte seinen vehementen und leidenschaftlichen Gesang fort, noch betont von den furiosen Bottleneck-Phrasen seiner 'Steel Guitar'. Als er geendet hatte, brachte das gesamte Publikum Son House Standing Ovations dar, wie sie kein Bluesmusiker in einem europäischen Konzertsaal je erlebt hat. Das war nur angemessen, man hatte teilgehabt an dem Auftreten eines wahrhaftigen Bluesman, dessen innere 'message' aus ihm hervorbrach, ohne daß die Geschehnisse der Außenwelt an ihn herankamen.«
(aus: Gérard Herzhaft: Enzyklopädie des Blues.- St. Andrä: Hannibal,1998, S. 122)

1. März 2003

Musik alter Männer

Den Erfolg von Johnny Cashs American Recordings habe ich erst bei Teil III mitbekommen. Seitdem bin ich begeistert - auch wenn dem neuesten Album etwas an der inneren Spannung und Geschlossenheit der früheren fehlt.

Gestern habe ich wieder einmal Son House gehört, genauer gesagt: seine Aufnahmen aus dem Jahr 1965, als er schon 63 Jahre alt und anscheinend nicht mehr ganz auf der Höhe seines Könnens war. Aber die Lieder haben dieselbe Aura wie die von Johnny Cash: intensives Gitarrenspiel, emotionaler, drängender Gesang, dramatische Texte von Liebe und Tod ("Death Letter"), von Gott ("Preachin' Blues") und Menschen ("President Kennedy"). Manchmal schrubbt er gar arg auf seiner National, seine Stimme kommt an ihre Grenzen und nach einem 5minütigen Parforce-Gesang ist völlig außer Atem.

Doch: Von der ersten Note an ist die Präsenz eines Menschen zu hören, eine Verletzlichkeit und eine innere Kraft, die den - ansonsten - untadeligen Aufnahmen seines jung verstorbenen Schülers Robert Johnson abgeht. Kann einer so erst ab 60 singen?