10. Februar 2003

Die Internet-Patronin - ein Versuch zu verstehen

Wenn Katholiken - "richtige" Katholiken - richtig begeistert etwas machen, dann fehlt ihnen manchmal jeder Sinn für Peinlichkeit. Dann müssen sie ganz einfach damit rechnen, daß der Spott reichlich über sie ausgegossen wird. Santi Beati e Testimoni ist so ein Fall.

0. Da unsere Kritiker mangels Wissen oft das Kind mit dem Bade ausschütten, versuche ich erst einmal, das "Phänomen" des Schutzpatrons oder Schutzheiligen in den Zusammenhang zu stellen, ohne den es verloren und lächerlich wirkt.

1. Es ist katholischer (und nicht nur katholischer!) Glaube, daß Jesus Christus nicht Mensch wurde, nicht am Kreuz starb und an Ostern auferstand, um jeden für sich zu erlösen, zu befreien - sondern daß er das tun wollte und tat, indem er uns alle in eine Gemeinschaft mit sich führte. "Leib Christi", Gemeinschaft der Heiligen, pilgerndes Gottesvolk, neues Israal, Volk aus Juden und Heiden - alle diese Metaphern für die Wirklichkeit "Kirche" betonen, daß wir, wie Paulus sagt, als Christen nicht uns selber leben und uns selber sterben, sondern "dem Herrn leben und dem Herrn sterben" - dem Herrn nicht nur als dem Sohn Gottes, dem Menschen Jesus von Nazareth, gekreuzigt, gestorben, begraben - sondern eben auch dem Herrn als "Haupt seines Leibes" (ebenfalls Paulus). Heil gibt es nur im Plural - für mich, für Dich, für die vielen neben uns und für alle.

2. »Die Gemeinschaft der Heiligen ist das Gegengift und Gegengewicht zur baylonischen Zerstreuung; sie bezeugt eine so wunderbare menschliche und göttliche Solidarität, daß es einem menschlichen Wesen unmöglich ist, nicht auf alle übrigen zu antworten, zu welcher zeit sie auch leben und wohin sie zu leben auch gerufen sein mögen. Der geringste unserer Akte widerhallt in unendliche Tiefen hinein und läßt alle Lebendigen und Toten erbeben.« So zitiert der Katholische Erwachsenenkatechismus Leon Bloy.

3. Wenn das wahr ist und wenn Gott kein Gott ist, der uns vergewaltigt, sondern der unser Bestes zum Aufblühen bringt und uns als freie Menschen in seinen Dienst nimmt - quietscht da jemand beim Wort »Dienst«? -, endet dieses Aufblühen und dieses freie Mitwirken mit IHM nach dem Tod? Werden wir lebendig für das Reich Gottes, für den Nächsten gebraucht, und danach in einen fernen Himmel weggesperrt? Den Todestag von Heiligen, von exemplarischen Christen, als ihren Dies natalis, als ihren Geburtstag für den Himmel zu feiern, ist alter christlicher Brauch. Das Leben geht nach dem Tod nicht einfach weiter, und noch weniger hört es einfach auf. »Die Einheit der Erdenpilger mit den Brüdern, die im Frieden Christi entschlafen sind, wird also keineswegs unterbrochen, sie wird vielmehr nach dem beständigen Glauben der Kirche durch die Mitteilung geistlicher Güter gestärkt.« (2. Vat. Konzil, Lumen Gentium 49)

4. Ich bin für alles, was diese Gemeinschaft auch sinnlich erfahrbar macht - besser kitschige Heiligenbildchen als gar keine, besser die Christophorusmedaille als nur den Wackelelvis. Aber daß diese Utensilien per se wirken, ist natürlich Quatsch, und gerade die tieffrommen alten Mütterchen wissen meist ganz genau, daß sie da sind, um die Gemeinschaft mit den Heiligen, mit Menschen, Personen also, herzustellen. (Ein abergläubisches Devotionalienverständnis findet sich meistens bei Nominalkatholiken.)

5. Wenn Gott uns zum Aufblühen bringt, werden wir einander nicht immer ähnlicher, sondern immer individueller, immer differenzierter, immer unverwechselbarer. Keine Ahnung, wo das steht. Vielleicht bei Chesterton oder C.S. Lewis.

6. Aus 3. und 5. ergibt sich, daß auch die Gemeinschaft der Erdenpilger mit den entschlafenen Schwestern und Brüdern (eSuB)
mindestens so persönlich geprägt ist, wie die unter den Erdenpilgern allein. Mit dem Unterschied, daß die eSuB uns besser kennen (weil aus Gottes Perspektive) und uns tiefer verstehen (weil in seiner Liebe), als wir sie.

7. Und ist es dann nicht logisch, wenn die Christen in ihrer Tradition dann auch merken und gemerkt haben, daß sich einige der eSuB mehr ums Fahren mit dem Auto, andere mehr ums Holzhacken oder die Gasheizung und andere mehr ums Wiederfinden von Verlorenem kümmern? Kümmern nicht nach unseren Maßstäben - sie sollen sich kümmern , daß wir ohne Unfall ans Ziel kommen, uns nicht in den Finger hacken, die verlegte Brille wiederfinden!! -, sondern nach den Maßstäben Gottes: So daß alle diese kleinen und großen Probleme, Tätigkeiten, was auch immer für uns Orte des Heils werden.

8. Und jetzt kommen wir endlich zum Santi Beati-Poll: Lassen sich solche "Spezialisten" unter den Heiligen per Web-Hype und Click-Box-Abstimmung finden und benennen? Ich glaube: Nein!

9. Wie dann? Nur über einen langen Umgang mit den eSuB, über eine entstehende Tradition, die ihre Zeit braucht, über Erfahrungen, die gemacht werden, über Gebete und Hilferufe, die erhört, übererhört, erfüllt, vermeintlich nicht-erfüllt werden. Und dann, erst dann kommen wir wieder mal im Web zusammen und erzählen uns von unseren eSuB, die uns beim Bloggen und Surfen begleiten. Und irgendwann darf und soll und muß der Vatikan gerne feststellen, was Sache ist.

10. Ob das jemand, der nicht glaubt, das nachvollziehen kann? Ich hoffe es.

11. Ich bitte um Nachsicht und gnädige Korrektur.

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