2. Oktober 2009

Wir möchten lieben!

Manchmal wird Georges Bernanos aktuell, aktueller geht's nicht. Ich wünschte nur, es geschähe nicht in meiner unmittelbaren Umgebung. Je nun, er hat sich seine Enttäuschung damals auch nicht ausgesucht.

Bis ans Ende der Tage werden sich die "biederen Leute", die normalen Gläubigen mit allen ihren Problemen, ihrer Hilflosigkeit und ihrem alltäglichen Scheitern, mit ihrem kleinen Glauben und ihrer nicht tot zu schlagenden Hoffnung auf Trost und Erfüllung an die Kirche und ihr Personal wenden - und werden enttäuscht. Da geht es noch gar nicht um all das, was uns so beschäftigt: Konservativ vs. liberal, alte und neue Liturgie, rechter und falscher Glaube. Da wird im Vorfeld schon Porzellan zerschlagen: Selber schuld, wer nur eine Tasse hatte, die in Scherben ging.

Bernanos sagt das alles viel besser:

"Ich glaube nicht, daß die Kirche sich aus menschlicher Kraft erneuern läßt, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Luther oder Lamennais es verstanden. Ich will gar nicht, daß sie vollkommen ist, denn sie ist ja lebendig. Gleich den bescheidensten, den hilflosesten ihrer Söhne hinkt sie mühsam von dieser Welt in die andere Welt; sie begeht Fehler, sie sühnt sie, und wer einmal einen Augenblick lang die Augen von ihrem Pomp abwendet, hört sie mit uns beten und schluchzen in der Finsternis. Warum sie in alles hineinziehen, wird man mir sagen? Nun, weil sie in alles, was geschieht, schon hineingezogen ist. Alles kommt mir von ihr, nichts kann mich erreichen als durch sie. Das Ärgernis, das mich getroffen hat und das von ihr stammt, hat mich in der Tiefe meiner Seele verletzt, da, wo die Hoffnung selber ihre Wurzel hat. Oder genauer gesagt, es gibt kein anderes Ärgernis als das, welches sie der Welt bietet. Ich wehre mich gegen dieses Ärgernis mit dem einzigen Mittel, über das ich verfüge: ich bemühe mich zu verstehen.

Ihr gebt mir den Rat, all dem den Rücken zu kehren? Vielleicht könnte ich es tatsächlich tun, aber ich spreche ja nicht im Namen der Heiligen, ich spreche im Namen biederer Leute, die mir gleichen wie Brüder. Seid ihr als Wächter über die Sünder gesetzt? Nun, die Welt ist voll armer Teufel, die ihr enttäuscht habt. Kein Mensch käme auf den Gedanken, euch eine solche Wahrheit ins Gesicht zu schleudern, wenn ihr euch nur bereit zeigtet, sie in aller Demut zuzugeben. Nicht euere Fehler werfen sie euch vor, nicht an euern Fehlern zerbrechen sie, sondern an euerm Hochmut. Ihr werdet mir natürlich erwidern, daß ihr, ob hochmütig oder nicht, über die Sakramente verfügt, durch die man den Zugang zum ewigen Leben hat, und daß ihr sie niemand verweigert, der ihrer würdig ist. Alles übrige ist allein die Sache Gottes. Was wollt ihr also mehr, werdet ihr sagen? Nun, wir möchten lieben."
(Die großen Friedhöfe unter dem Mond.- Zürich: Arche, 1983, S. 106f.)

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