Wenn jemand im Jahr 2009 eine "Internetoffensive" ankündigt, ist derjenige schon im Web-2.0-Paradigma angekommen? Oder doch noch gründlich in 1.X-Modellen gefangen?
Ich glaube, liebe Kirche, wenn Du mit so viel Aufwand hinter verschlossenen Türen mit "rund 80 Medienbeauftragte[n] , Portalbetreiber[n], Journalisten, Experten, PR-Spezialisten und Seelsorger[n]" debattierst, und dazu vor allem Fragen nach der Organisationsstruktur" (Quelle), dann willst Du eigentlich diese Offensive auch gar nicht.
Himmelherrgott, ruft es in mir, macht doch einfach.
Sonst zitierst Du doch liebend gern den Kurt Marti und sein "Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte usw. usw.". Jetzt seid Ihr schon jahrelang im Rhodos des 21. Jahrhunderts, könntet zeigen, was Ihr könnt und wollt - und nix iss, gar nix.
Oder funktioniert Kirche 44 Jahre post concilium immer noch im Top Down-Ansatz? Braucht Ihr eine schriftliche Arbeitsanweisung? Geht es erst, wenn die Rundfunk- und Medienbeauftragten aller deutschen Diözesen einvernehmlich den Ausbau von katholisch.de abgeschlossen haben?
Aufmerksamkeit (in der Webwährung "Sekunden Lebenszeit") bekommst Du, meine Kirche, nicht mit einem perfekten Webauftritt, sondern nur, wenn Du was zu sagen hast. Und es auch sagst. Und zwar so: interessant, anspruchsvoll, kurzweilig, einfallsreich, überraschend, überzeugt, exponiert. Und wenn nicht "die Kirche" spricht, sondern die einzelnen in ihr.
Sonst bist Du doch auch eher am Zweifeln, ob Dir, "der Kirche" überhaupt eine Realität entspricht oder ob es sich nicht eher um einen Sammelbegriff für eine Gruppe von Gemeinden oder vieler einzelner Glaubender handelt. Du forderst sonst Aktivität, Wagemut, den mündigen Einzelnen, ob mit oder ohne Amt. Und jetzt, da plötzlich: keine Rede mehr von all dem. Jetzt heißt es schön: Die Kirche dies, die Kirche das.
So wird das nichts. Und falls doch, dann höchstens eine Ängstlichkeits- oder Peinlichkeitsoffensive.
9. Oktober 2009
Die Web-zwei-null-Kirche glüht vor
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4 Kommentare:
An sich wäre ich geneigt, Dir zuzustimmen. Die Kirche ist in vielen Dingen besser im Planen und darüber räsonnieren als im machen. Es wird beklagt, daß zu wenig von Hölle und Sünde gesprochen wird, statt daß man selbst darüber spricht. Man fabuliert darüber, ob Glaube und Wissenschaft vereinbar ist - statt eine Konferenz über angewandte Festkörperphysik aus der Taufe zu heben (mal als Beispiel). Und so spricht/plant man auch lieber einen Internetauftritt als ihn selber zu machen. Solange man beides im Kopf hat, das planen und das tun, ist alles in Ordnung. Nur fehlt letzteres desöfteren in der Kirche.
Nun sollten aber auch kirchliche Organe planen, wie sie im Internet auftreten. Hier spricht dann nämlich "die Kirche". Und das sollte geplant werden. Mir fallen spontan einige Weblogs ein, die, wenn dieses Internet-angebot besteht, jedes Satzzeichen auf die Goldwaage legen werden (ganz zu schweigen von den Buchstabenkombinationen dazwischen) und , falls die Autoren Zollitsch oder Lehmann heißen, Häresie und Dummheit an bestimmten Formulierungen erkennen.
Nee, Scipio, wenn DIE KIRCHE sich im Internet präsentiert, ist es was anderes, als wenn Du, ich, oder selbst Josef Ratzinger einen Weblog führen.
Ich wäre auch geneigt, Dir zuzustimmen, wenn wir nicht inzwischen im Web 2.0 angekommen wären. Nicht daß da nicht auch "Offensiven" oder geplante Strategien wirksam wären oder durchgeführt würden. Aber mehr als in Web 1.X zählt die Stimme des Einzelnen. Der Ton des Einzelnen. Sein Klang. Seine Person, die durchscheint. Da hört es mit dem Planen auf, oder schwächt sich mindestens ab.
Mir geht es auch nicht um 20 bloggende Bischöfe oder um 20Facebook-Profile oder -Fangruppen, sondern darum, daß die Kirche ihre Kinder ermutigt und einlädt,
1. erkennbar als Katholiken im Web unterwegs zu sein,
2. die Technologien und Plattformen zu nutzen und präsent zu sein
3. Gemeinschaft, Austausch, Freundschaften (wie die zwischen uns beiden, nach nur einer Pizza und ein paar Jahren Bekanntschaft) im Web zu finden,
4. sich im Web auch über ihren Glauben und den Weg der Kirche in der Zeit zu informieren (hier würde ich von Internet-Offensive sprechen: stellt Inhalte ein!).
Mir klingt das alles zu formiert, was ich da lese: eine Plattform, spezielle Experten, Kommissionen, schwache Meinungen und langweilige Sätze. Gibt es da wirklich nur Stromlinie? Alle die sonst so beredten Jungs und Mädels so stumm - ist es Technikscheu? Sind die alle rund um die Uhr pastoral beschäftigt? C'mon, gimme a break.
Präsenz im Web als "katholische Aktion": oberhirtlich ermöglicht, oberhirtlich kontrolliert (die Kontrolle kann dabei auch delegiert werden an Webmaster), ohne Originale und originale Stimmen. Keiner wagt sich vor. Keiner sagt: "Ich bin jetzt und hier fehlbar, und wenn Ihr Zeit habt, jedes meiner iotas auf Rechtgläubigkeit zu kontrollieren, dann Gnade euch Gott. Lasst uns Zeugnis ablegen. Lasst uns unseren Glauben teilen. Lasst uns lachen über die Scherze Gottes, und trauern, daß die Welt nicht, noch nicht ist, wie ER sie wollte, als ER sie schuf, und wie sie einst sein wird."
Mir fällt hier eine Frage ein, nämlich, ob sich überhaupt die Kirche im Web 2.0 präsentieren sollte. Denn Du hast recht: Das Web 2.0 ist die Initiative der Einzelnen. Sicher, der einzelnen, die sich in Interessensgruppen zusammenfinden können (Blogozese und St. Blogs parish) bzw. schon vorher als solche sich darstellen können (jeder kooperationsblog, bspw. NLM oder holywhapping), aber es ist eine Sache der Individuen.
Und hier bin ick ja noch radikaler als Du :D :D :D
Meiner Meinung nach braucht es keine offizielle Ermutigung der Kirche, daß man über den Glauben bloggt oder ähnliches - das sieht man an credo ut intelligam oder dem orden des Leibowitz (bzw. vorher fonolog) mit seiner Beitragsanzahl, seiner Qualität und seinem Alter wohl am besten. Ehrlich gesagt, fände ich es sogar schädlich, weil es eben von diesem, nennen wir ihn mal den Webindividualismus, etwas uns nehmen würde. Wir wären nicht mehr die Blogger mit katholischem Glauben, sondern des Papstes liebste Kirchenblogger, semioffizielle Vertreter der Kirche im Web (ok, ich übertreibe).
Ich hab jetzt mal ein wenig nachgedacht und ja, inzwischen muß ich Dir mehr und mehr zustimmen... eine "Internetoffensive" wird nie hinter verschlossenen Türen stattfinden, bzw. nicht nur. Selbst neue Webprojekte wie Wolfram Alpha oder Google Wave sorgen vorher für deutlich mehr Furore und werben in Sachen Betatesting, facebook-pages, youtube-movies etc. - und stellen nicht nur ne PASSWORTGESCHÜTZTE Seite ins Web. Und da, wie ich oben dargestellt hab, für DIE Kirche wahrscheinlich kein institutioneller Platz im Web 2.0 ist (au weia, diese Aussage kann gegen mich verwendet werden), sondern eben nur einer für kirchentreue Individuen, kann keine zentralisierte Internetoffensive stattfinden.
Du sprichst noch einen anderen Punkt an: "Ich bin jetzt und hier fehlbar, und wenn Ihr Zeit habt, jedes meiner iotas auf Rechtgläubigkeit zu kontrollieren, dann Gnade euch Gott." Es ist schon schade, daß es noch so wenige Bischöfe gibt, die bloggen bzw. Facebook-seiten haben (und die auch nicht wirklich pflegen - Piero Marini will nicht mein Freund sein :( ). Stellen wir uns doch mal vor, Lehmann hätte nach der ganzen Geschichte um diesen Literaturpreis einen Blog gehabt oder Zollitsch nach dem Satz im Interview - es hätte darauf hitzige Diskussionen mit ihm gegeben, und die beiden Bischöfe hätten der Kritik an ihren Äußerungen ordentlich Zunder geben können (zumindest hätten sie viel schneller aufklärende Worte von sich gegeben)! Man würde auch viel mehr zusammenwachsen, weil man merken würde, wer der Mensch hinter dem Amt ist (das ist übrigens auch der Grund, warum ich einem gewissen "Pfarrer", dessen Name sich mit Böblingen reimt, bei Twitter folge und zulasse, daß er mir folgt).
"Aufmerksamkeit (in der Webwährung "Sekunden Lebenszeit") bekommst Du, meine Kirche, nicht mit einem perfekten Webauftritt, sondern nur, wenn Du was zu sagen hast. Und es auch sagst. Und zwar so: interessant, anspruchsvoll, kurzweilig, einfallsreich, überraschend, überzeugt, exponiert. Und wenn nicht "die Kirche" spricht, sondern die einzelnen in ihr."
Naja, dafür gibt's ja uns ;-)
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